Goldman Sachs-CEO lobt Indien für starke Wachstumschancen - Warnung vor Herausforderungen
Stand der indische Aktienmarkt Anfang des Jahres noch aufgrund der Shortseller-Attacke von Hindenburg Research auf das Unternehmenskonglomerat Adani Enterprises unter Druck, dürfte sich die Stimmung laut Goldman Sachs-CEO David Solomon nun aufgehellt haben.
Werte in diesem Artikel
• Sinkende Kurse nach Adani-Skandal
• Starke Wachstumsprognose für Indien
• Bürokratische Herausforderungen
Indischer Aktienmarkt nach Adani-Vorwürfen unter Druck
Zu Beginn des Jahres stand der indische Aktienmarkt aufgrund von Vorwürfen des US-Shortsellers Hindenburg Research stark unter Druck. Wie der Leerverkäufer, der in der Vergangenheit bereits die Tesla-Konkurrenten Nikola und Lordstown Motors ins Visier nahm, in einem Beitrag schrieb, soll das Unternehmenskonglomerat des indischen Multi-Milliardärs Guatam Adani "im Laufe der Jahrzehnte an einem dreisten Aktienmanipulations- und Buchhaltungsbetrugsprogramm beteiligt" gewesen sein. Der Unternehmer soll den Wert der gesamten Adani-Gruppe künstlich aufgebläht haben. Dies zeige sich darin, dass die wichtigsten börsennotierten Unternehmen Adanis einen "mysteriösen" Anstieg der Aktienkurse erfahren haben sollen, wodurch jedes der Unternehmen zu den größten indischen Konzernen gehöre. In Folge der Vorwürfe mussten nicht nur die Aktien von Adani Enterprises & Co. deutliche Gewinnmitnahmen verzeichnen, auch der gesamte indische Aktienmarkt litt zeitweise unter den Negativnachrichten.
Goldman Sachs-CEO sieht Chancen in Indien
Damit dürfte nun aber Schluss sein, wenn es nach Goldman Sachs-CEO David Solomon geht. Wie der Vorsitzende der US-Großbank im Interview mit der "Economic Times" im Rahmen einer Indien-Reise des Vorstandes erklärte, bringe der indische Markt einige spannende Chancen mit sich. "Dieses bevölkerungsreiche Land befindet sich derzeit auf einem sehr, sehr hohen Wachstumspfad", zeigte sich Solomon begeistert. "Unsere Wirtschaftsexperten sagen für die nächsten drei Jahre ein Wachstum von 6 bis 7 Prozent voraus." So könne das Land davon profitieren, dass weltweit immer mehr Unternehmen an der Diversifizierung ihrer Lieferketten arbeiten und andere Wachstumsansätze wagen. Dabei müsse man sich unweigerlich der Frage stellen, wie sich Indien wirtschaftlich weiterentwickle und wie groß der Einfluss der Republik auf die ganze Welt werde.
Keine Deglobalisierung zu erwarten
Als Bedrohung für die Weltwirtschaft galt zuletzt immer wieder die Deglobalisierung, die besonders im Hinblick auf den Handelsstreit zwischen den USA und China an Brisanz gewann. Solomon gab hier aber zumindest teilweise Entwarnung und ist der Meinung, dass man nicht von Deglobalisierung sprechen könne. Stattdessen würden "strategische Entscheidungen über bestimmte Versorgungsketten und Sicherheitsfragen" getroffen, trotzdem bleibe die Weltwirtschaft miteinander vernetzt. "Ich denke, wir sind wirtschaftlich relativ stark verflochten." Und auch wenn die Fronten zwischen den USA und China verhärtet sind, könne man auch hier nicht von einer vollständigen wirtschaftlichen Abkopplung sprechen. Stattdessen gebe es einfach Bereiche, die für die beiden Länder jeweils von "strategischer Bedeutung" seien.
Ziel von ausländischen Direktinvestitionen
Dennoch könne Indien mittlerweile von diesen Entwicklungen profitieren, so der Goldman Sachs-Chef im Interview. "Wenn ich mich mit internationalen CEOs in der ganzen Welt unterhalte, dann sehen sie Indien als eine große Wachstumschance, sind sich aber auch der Herausforderungen bewusst, die mit Investitionen in Indien verbunden sind", lobte Solomon. "Ich weiß, dass diese Regierung wirklich darüber nachdenkt, wie sie Indien zu einem sehr attraktiven Ort für ausländische Direktinvestitionen machen kann. Seit 2019 hat sich viel verändert." Vor vier Jahren sei Indien in diesem Kontext noch nicht oft zur Sprache gekommen, mittlerweile habe in dem bevölkerungsreichen Land aber eine Entwicklung stattgefunden, sodass die Karten neu gemischt würden. So lobte der Chef der Großbank etwa auch die Bevölkerungsgröße und das Bevölkerungswachstum des Landes. Solomon zufolge sei das Land mit einigen Faktoren ausgestattet, die der lokalen Wirtschaft in den nächsten zehn bis 30 Jahren zugutekommen könnten. Die Frage sei nur, wie sich Indien diese Chancen zunutze mache. Auch politische Entscheidungen - sowohl innerhalb des Landes, als auch global - könnten sich auf den Erfolg der Republik auswirken.
Indien "sehr wichtiger Standort" für Goldman Sachs
Dass Goldman Sachs den indischen Markt als zukunftsfähig erachtet, zeigt sich auch daran, dass das Geldhaus dort Niederlassungen mit mehr als 8.000 Mitarbeitern unterhält. "Es ist ein sehr wichtiger Standort für unser Unternehmen", so Solomon. "Gemessen an der Zahl der Mitarbeiter ist es der zweitgrößte außerhalb der USA." Zwar falle das Indien-Geschäft der Bank im globalen Vergleich relativ klein aus, bringe jedoch viele Chancen mit sich. Besonders im Hinblick auf die Fünfjahresperspektive sei man bei Goldman Sachs zuversichtlich. "Jetzt sind wir dabei, unsere Vermögensverwaltungsstrategie zu einer fondsbasierten Strategie für institutionelle Kunden und vermögende Kunden auf der ganzen Welt weiterzuentwickeln und dieses Geschäft auszubauen", erklärte Solomon. "Ich denke, dass Indien als Teil unserer breiteren panasiatischen Strategie weiterhin eine interessante Gelegenheit für uns sein wird."
Keine Apple Card in Indien geplant
Auf die Frage, ob Goldman Sachs die Kooperation mit dem iPhone-Hersteller Apple auch nach Indien bringen wolle, hielt sich Solomon bedeckt. In den USA bieten die Großbank und der NASDAQ-Konzern mit der Apple Card eine gemeinsame Kreditkarte an. Im April führten die Unternehmen außerdem Sparkonten für Apple Card-Nutzer ein. "Im Moment habe ich keine anderen Pläne, die ich mitteilen könnte", kommentierte Solomon eine mögliche Ausweitung des Dienstes auf den indischen Markt jedoch. Kürzlich berichteten das Wall Street Journal und CNBC jedoch, dass Goldman Sachs aus der Apple-Partnerschaft aussteigen könnte.
Für Apple selbst biete Indien jedoch "ein enormes Marktpotenzial", wie CEO Tim Cook bereits 2022 erklärte.
Indien als Talentzentrum
Unter den Goldman Sachs-Mitarbeitern in Indien sei eine beispiellose Begeisterung zu spüren, wie Solomon gegenüber der Economic Times erklärte. "Auf unserem Campus hier in Bangalore herrscht eine Energie und Aufregung, die wirklich einzigartig ist", schwärmte der CEO. "Es ist ein unglaubliches Talentzentrum für uns. Wenn man hierher kommt, ist diese Begeisterung und Energie spürbar, und das genieße ich immer." Aufgrund der wirtschaftlichen Umstände sei momentan zwar kein starker Mitarbeiterzuwachs zu verzeichnen, in den nächsten fünf bis zehn Jahren rechnet Solomon jedoch mit einem deutlichen Personalanstieg am indischen Standort. "In Anbetracht der Wachstumschancen und der Entwicklungen in diesem Land werden wir auch weiterhin eine beträchtliche Anzahl von Mitarbeitern haben, die sich auf Investitionen in Indien konzentrieren", stellte er in Aussicht.
Vereinfachter Zugang zu indischem Kapitalmarkt
Dennoch handle es sich beim Ausbau des indischen Geschäftszweiges nicht um einen Spaziergang, wie der Goldman-CEO verdeutlichte. Zwar biete der Standort große Chancen, bringe jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. Hier nannte Solomon vor allem bürokratische Hindernisse, die Investoren beachten müssten - obwohl im letzten Jahrzehnt bereits einige Gesetzesänderungen stattgefunden haben, die den Zugang zum indischen Markt erleichtert hätten. "Aber die Möglichkeit, hier zu investieren, zu bauen und zu arbeiten, ist das, was Unternehmen in Betracht ziehen, wenn sie sich in der Welt umsehen", gab er zu bedenken. Dies stehe bei den Geschäftsführern großer Firmen im Vordergrund. Hier müsse die indische Regierung dafür sorgen, dass ausländische Investoren ungehindert auf die heimischen Kapitalmärkte zugreifen können.
Keine strengeren Kontrollen nach Adani-Skandal
Nach der Shortseller-Attacke auf Adani Enterprises dürfte das Engagement ausländischer Geldgeber ganz im Sinne der Landesführung sein, besonders strenge Prüfungen indischer Unternehmen seien infolge des Skandals aber nicht zu erwarten. "Indien will mehr Kapital anziehen und seine Kapitalmärkte öffnen", betonte der Goldman-Chef. "Um die Märkte wirklich zu erweitern und Kapital anzuziehen, sind Governance-Standards wichtig."
Redaktion finanzen.net
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Bildquellen: Ken Durden / Shutterstock.com, Rechitan Sorin / Shutterstock.com
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