Europaparlament stimmt für Brexit-Notfallpläne
Die Abgeordneten des Europaparlaments haben Notfallmaßnahmen für einen No-Deal-Brexit zugestimmt.
Die Abgeordneten des Europaparlaments haben Notfallmaßnahmen für einen No-Deal-Brexit zugestimmt. Am Freitag billigten sie Pläne für die Bereiche Fischerei, Flugsicherheit, sowie Flug- und Straßenverkehr. Man wolle so ein unmittelbares Chaos vermeiden, sagte die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez. Der CDU-Abgeordnete David McAllister betonte, man müsse auf alle Szenarien vorbereitet sein. Nun muss der Rat der Mitgliedsländer sich mit den Plänen befassen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Maßnahmen für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen über das Brexit-Handelspaket vergangene Woche vorgelegt. Sie enthalten einen Vorschlag, um bestimmte Flugverbindungen zwischen Großbritannien und der EU für sechs Monate aufrecht zu erhalten. Eine auf Gegenseitigkeit beruhende Regelung für sechs Monate soll es auch geben, um Frachttransporte und den Busverkehr zu sichern.
Die EU-Abgeordneten forderten wegen der Corona-Pandemie zudem, dass britische Flugzeuge innerhalb der EU zur Auslieferung von Medizin und Impfstoffen genutzt werden können. Sie betonten auch, dass die Bestimmungen nach Auslaufen der Sechs-Monats-Frist tatsächlich beendet werden sollten. Das strittige Thema des Zugangs von EU-Fischkuttern zu britischen Gewässern und umgekehrt soll den Plänen zufolge langfristiger, nämlich bis Ende 2021 geregelt werden.
In der Plenardebatte betonten die Abgeordneten erneut, dass sie ein Abkommen bevorzugen, jedoch nicht um jeden Preis. Auch müsse das Parlament ausreichend Zeit haben, um ein Abkommen zu prüfen. Die Abgeordneten hatte den Sonntag als Frist gesetzt, bis zu dem ein fertiger Handelsvertrag vorliegen müsse.
Britische Handelskammer sieht Doppelbelastung durch Brexit und Corona
Der Brexit und die Corona-Krise sind für britische und deutsche Unternehmen zu einer Doppelbelastung geworden, die keine baldige Erholung verspricht. Wichtig sei es daher, dass die verbleibenden Tage vor dem drohenden harten Brexit noch von der EU und Großbritannien genutzt werden, um eine Vereinbarung über die zukünftigen Beziehungen zu erreichen, forderte die British Chamber of Commerce in Germany (BCCG).
Zuletzt hat sich die Sicht der Unternehmen auf Umsatz und Investitionen noch einmal drastisch verschlechtert, ergab eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der BCCG zu den Geschäftserwartungen deutscher und britischer Unternehmen.
"Wenn wir uns nicht einigen, gibt es nur Verlierer", warnte Michael Schmidt, Präsident der BCCG, mit Blick auf die zukünftigen Beziehungen. "Wenn wir uns einigen, wird es auch sehr viele Verlierer geben, weil wir einfach eine Situation haben werden, die für alle Beteiligten, oder nahezu alle Beteiligten, sehr, sehr nachteilig ist. Und zwar nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig."
Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont, dass in den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über die künftigen Handelsbeziehungen noch "große Differenzen" bestünden. Das Europäische Parlament drängt zu einer Vereinbarung bis spätestens Sonntag, denn nur so könne sichergestellt werden, dass die Vereinbarung am 1. Januar in Kraft treten könne, erklärte Europaabgeordnete David McAllister (CDU) im Deutschlandfunk.
Drastische Verschlechterung
Die im Oktober durchgeführte Umfrage der KPMG ergab, dass mit 54 Prozent über die Hälfte der befragten Unternehmen für dieses Jahr von sinkenden Umsätzen ausgeht. 31 Prozent rechnen gar mit einem starken Rückgang.
Bei der Befragung vor einem Jahr hatten lediglich 30 Prozent der Befragten brexitbedingte Umsatzrückgänge und nur 5 Prozent einen starken Rückgang erwartet. "Die Sicht der Unternehmen auf Umsatz und Investitionen hat sich noch einmal drastisch verschlechtert", so Schmidt zu den Ergebnissen. "Trotz der Hilfsprogramme erwarten die Unternehmen eine über die negativen Effekte in 2020 hinausgehende Krise. 2021 ist vom Prinzip Hoffnung geprägt, aber wirklichen Optimismus erkenne ich da im Moment nicht."
Die Umfrage zeigte außerdem, dass ein Viertel der Unternehmen noch immer nicht auf den Brexit vorbereitet ist und die überwiegende Mehrheit mögliche Geschäftschancen nach dem Brexit kritisch sieht. Auch sei die Investitionsbereitschaft gesunken. Als Folge der Pandemie fahren fast 60 Prozent der befragten Unternehmen ihre Investitionen zurück, so die Umfrage.
Schmidt erwartet, dass viele Unternehmen die durch den Brexit verursachten Zusatzkosten gerade wegen der Einbrüche durch die Corona-Krise schlicht und ergreifend nicht finanzieren könnten. Die von der Politik aufgelegten Hilfsprogramme seien nicht ausreichend. Nötig seien neben der Soforthilfe auch den Abbau bürokratischer Hemmnisse, die Entwicklung von vereinfachten, praktikablen Lösungen und vor allen Dingen auch Investitionen in die Infrastruktur.
KPMG fordert Unnachgiebigkeit bei Wettbewerbsbedingungen
Andreas Glunz von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG warnte die EU in den aktuellen Verhandlungen mit Großbritannien davor, mit London beim Themen faire Wettbewerbsbedingungen einen "faulen Kompromiss" einzugehen, nur um noch ein Abkommen über die zukünftigen Beziehungen zu erreichen. Die EU müsse auf fairen Wettbewerb, das sogenannte "level playing field", pochen.
"Europa kann es natürlich nicht tolerieren, dass eine Steueroase vor den Toren Europas entsteht. Das ist völlig undenkbar, weil das zu massiven Verwerfungen führen wird und auch zu einem Zerreißen der Europäischen Union führen wird", so Glunz. Es sei wichtig, dass an diese Stelle "unnachgiebig und hart" verhandelt werde. "Im Endeffekt wird langfristig der Schaden größer sein dadurch, wenn wir kein level playing field haben werden", so Glunz.
Das Vereinigte Königreich ist Ende Januar aus der EU ausgetreten. Die Übergangsphase, während der die Insel seit ihrem EU-Austritt in der Zollunion und im Binnenmarkt bleibt, endet am 31. Dezember. Ohne Einigung auf einen Handelsvertrag und die zukünftigen Beziehungen drohen ab Januar Zölle.
Staus am Ärmelkanal bereits vor Ende der Brexit-Übergangsphase
Zwei Wochen vor dem endgültigen Austritt Großbritanniens aus den EU-Institutionen ist bereits der Druck an der wichtigen Handelsroute über den Ärmelkanal zu spüren. Auf Twitter kursierten Ende der Woche Videoaufnahmen von langen Lkw-Staus an der Zufahrt zum Eurotunnel im englischen Folkestone.
Ein hohes Aufkommen an Frachtverkehr werde in beide Richtungen bis Weihnachten und dann wieder kurz vor Neujahr erwartet, teilte ein Sprecher des Eurotunnel-Betreiberfirma Getlink auf dpa-Anfrage am Freitag mit. Gründe dafür seien der erhöhte Betrieb in der Weihnachtszeit, medizinische Lieferungen wegen der Coronavirus-Pandemie und die Aufstockung vieler Lagerbestände vor dem Ende der Brexit-Übergangsphase.
Die Häfen in Großbritannien sind bereits seit Wochen überlastet. Einige Schiffe mussten bereits abgewiesen werden. Auch das führe zu mehr Verkehr am Eurotunnel, da Containerschiffe teilweise an Häfen auf dem Kontinent entladen würden und die Ware dann mit dem Lastwagen nach Großbritannien gebracht werde, so der Sprecher.
Sollte bis Jahresende keine Einigung zwischen London und Brüssel bei den Gesprächen über einen Brexit-Handelspakt gelingen, drohen Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen Großbritannien und der EU. Für diesen Fall wird mit zusätzlichen schweren Verzögerungen im Warenverkehr am Ärmelkanal gerechnet.
LONDON/BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX / Dow Jones)
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