Börse Frankfurt-News: "Weiter an den Lippen der Notenbanker" (Auslandsbörsen)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Nach einem extrem schwierigen Jahr 2022 herrscht auf dem Frankfurter Parkett bezüglich der Auslandsbörsen auch für 2023 Zurückhaltung. Während US-Tech-Werte skeptisch gesehen werden, könnten sich Chinas Aktien nach Einschätzung der Händler erholen.
6. Januar 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Ob Frankfurt, New York, Paris, London, Shanghai oder Tokio: An den weltweiten Aktienmärkten war 2022 nicht viel zu holen. Der DAX steht mit einem Minus von 12 Prozent auf das Jahr gerechnet noch vergleichsweise gut da. Der S&P 500 verlor 20 Prozent, der Nasdaq Composite sogar 34 Prozent.
Auch in den anderen europäischen Ländern überwiegt die Farbe Rot: Der Schweizer SMI gab um 14 Prozent nach, Österreichs ATX um 19 Prozent, Frankreichs CAC 40 um 8,3 Prozent und Spaniens IBEX 35 um 4,5 Prozent. "Dänemark und Norwegen kamen hingegen auf ein kleines Kursplus von 2 Prozent", stellt Mark Richter von der Baader Bank fest. "Die Länder sind in der Energieversorgung schon gut organsiert und von der Energiekrise nicht so betroffen."
"2023 nicht besser als 2022"
"Ukraine-Krieg, Inflation, steigende Zinsen - die Situation jetzt ist nicht groß anders als die 2022", bemerkt Walter Vorhauser von Oddo BHF. Ein Lichtblick sei die rückläufige Inflation, vor allem in den USA, aber nun auch in Europa. "Außerdem ist der Ölpreis deutlich gefallen, etwa ist WTI wieder billiger als vor Ausbruch des Kriegs." Auf der Negativseite stehe die Geldpolitik, Vorhauser geht davon aus, dass die US-Notenbank an ihrem strikten Zinserhöhungskurs festhalten wird. "Das macht den Aktienmarkt kaputt", formuliert es der Händler. Denn die höheren Zinsen wirkten sich negativ auf die Unternehmensgewinne aus. "2023 wird daher nicht besser als 2022."
"Unternehmen müssen Durststrecke aushalten können"
Laut Vorhauser gilt das auch gerade für die stark beachteten US-Technologiewerte: "Die Tech-Unternehmen dürften niedrigere Gewinne ausweisen und unter Druck bleiben." Für den S&P 500 rechnet er allenfalls mit einer Seitwärtsbewegung: "Zeitweise können die Aktien auf die Tiefs aus 2022 zurückfallen."
Richter zufolge muss differenziert werden: "Bei den Technologiewerten hat sich schon 2022 die Spreu vom Weizen getrennt", erklärt der Händler. Aktien wie IBM hätten sich sehr fest gezeigt. Der Ausblick für 2023 sei insgesamt zwar nur "moderat", er erwartet eine M&A-Welle, also viele Übernahmen und Fusionen. "Gute Geschäftsmodelle werden sich aber durchsetzen." Wichtig sei, dass Unternehmen breit aufgestellt seien und auch eine längere Durststrecke durchstehen könnten.
Schnäppchen in Hongkong
Auch Chinas Börsen kamen 2022 auf kräftige Verluste: Der Hongkonger Hang Seng gab um 14 Prozent nach, der Festlandsbörsenindex CSI 300 um 22 Prozent. Nach Einschätzung von Richter könnte sich die Hongkonger Börse 2023 aber überdurchschnittlich entwickeln. Viele gute Unternehmen seien nun unterbewertet. "Da sind einige Schnäppchen zu finden." Allerdings müsse der Taiwan-Konflikt immer im Auge behalten werden. Auch Vorhauser sieht in China nun wieder Potenzial: "Der Hang Seng könnte outperformen".
Richter erkennt in anderen Schwellenländern ebenfalls Chancen: "Dort gibt es viele solide Unternehmen." 2022 gab der MSCI Emerging Markets um 21 Prozent nach. "Angesichts des extrem schwierigen Umfelds haben sich die Schwellenländer aber gut gehalten", meint Richter. "Einige Börsen, wie die südafrikanische und die indische, sind sogar plus/minus null aus dem Jahr gegangen."
Türkei-ETFs haben Nase vorn:
Der Online ETF-Ratgeber justETF hat ausgerechnet, welche Länder-ETFs 2022 am besten abgeschnitten haben: Auf Platz eins findet sich die Türkei, der MSCI Turkey hat sich mehr als verdoppelt (101,6 Prozent). Es folgen - jeweils gemessen an MSCI und FTSE-Trackern - Brasilien mit 20 Prozent, Thailand mit 11 Prozent, Indonesien mit 9 Prozent und Mexiko mit 3 Prozent. Schlusslicht ist Vietnam, der Index ist um 42 Prozent eingebrochen. Auch ETFs mit Aktien aus Schweden (minus 26 Prozent), Taiwan und Pakistan (beide minus 25 Prozent) sowie Südkorea (minus 24 Prozent) verloren, nachzulesen auf justetf.com.
Vorteil 2023: Finanz- und Gesundheitstitel, KI und Green Tech
Vorhauser ist bei aller Skepsis überzeugt, dass es auch im neuen Jahr Unternehmen mit guter Entwicklung geben wird. Er sieht Finanztitel wegen des Zinsanstiegs im Vorteil. "Außerdem dürfte die Gesundheitsbranche weiter gut laufen." Die europäischen Märkte hält er, anders als die US-Märkte, für leicht unterbewertet. "In jedem Fall wird uns die Volatilität erhalten bleiben."
"Die Märkte werden auch 2023 an den Lippen der Notenbanker hängen", ist Richter überzeugt. Was Branchen angeht, hält er Unternehmen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz für besonders vielversprechend. "Ein Beispiel ist OpenAI mit dem gerade viel beachteten Sprachprogramm ChatGPT." Auch alles, was mit Erneuerbaren Energien und grüner Technologie zusammenhänge, werde weiter gut laufen. "Dazu trägt nicht zuletzt Joe Biden mit seinen massiven Subventionen bei."
von: Anna-Maria Borse © 5. Januar 2023, Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)