Börse Frankfurt-News: "Fünf Thesen zum Kickstart der Märkte 2025"

27.01.25 14:23 Uhr

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FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Die Märkte 2025 sind selten fulminant gestartet. Zugleich verursacht die neue US-Administration viel Wirbel. Anlegerinnen und Anleger müssen lernen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor, erläutert in fünf Thesen, worauf Anleger achten sollten.

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27. Januar 2025. FRANKFURT (envestor): Es gibt im Englischen den bildlich treffenden Begriff "hitting the ground running". Er beschreibt ziemlich gut die Situation von Anlegeneden zum Start der Märkte 2025: sie mussten ganz schnell ihren Silvester-Kater abschütteln und sich im Gewusel an den Märkten orientieren. Es gilt, sich in einem neuartigen wie dynamischen Marktumfeld zurechtzufinden. Dazu fünf Thesen:

1. Die USA dominieren den globalen Finanzsektor, und das führt dazu, dass Anlegende nicht an US-Vermögenswerten vorbeikommen.

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Das gilt vor allem für den Aktienmarkt. Ja, US-Aktien sind teuer, ja, wenn ein Markt teuer ist, dann spricht viel dafür, dass die künftigen Renditen niedriger ausfallen als die vergangenen. Aber das ist ein relatives Spiel. Ich habe immer wieder in den vergangenen Tagen Warnungen vor einem Crash von US-Aktien gelesen. Das ist Mumpitz. Keiner kann wissen, ob, geschweige denn wann es zu einem Crash kommt. Die Situation der USA ist nicht vergleichbar mit der Tokioter Immobilien-Blase 1989 und auch nicht mit der Lage an der Nasdaq im März 2000. Da die Gewinne der US-Unternehmen in den vergangenen Quartalen stetig gestiegen sind, wurden die hohen Bewertungen bisher immer wieder gerechtfertigt. Das heißt nicht, dass der globale Aktienmarkt in den nächsten Jahren regelrecht "aufgefressen wird" von US-Unternehmen. Aber es zeigt, dass auch teure Märkte noch eine ganze weile outperformen können.

Dass US-Aktien teuer sind, wissen wir schon seit zehn Jahren. Zehn Jahre sind für uns eine lange Zeit. Für die Geschichte der Kapitalmärkte entsprechen zehn Jahre nicht mehr als der Lidschlusszeit - etwa 100 bis 150 Millisekunden. Wenn die Zweifel an einem baldigen Crash von US-Aktien gerechtfertigt sind, dann wäre es töricht, sich von ihnen zu verabschieden. Vielleicht ist ja nur eine alternative Gewichtung im Portfolio angemessen? Wenn der MSCI World heute zu 70 Prozent aus US-Aktien besteht, könnten wir unser Aktienportfolio zu 50 Prozent aus US-Aktien bestücken - und dabei nicht nur auf die Magnificent 7 setzen, sondern die breite des US-Marktes abbilden? Und was ist mit dem Faktor Donald Trump? Ja, die USA könnten unter Trump zur größten Kleptokratie der Welt mutieren. Oder die Rule of Law könnte das Enfant Terrible einhegen, ja: Trump könnte mit Steuersenkungen dem US-Aktienmarkt einen weiteren "Zuckerflash" bescheren. Was sich nicht modellieren lässt, sollte nicht unser Handeln an der Börse bestimmen. Und was ist mit US-Staatsanleihen? Dazu mehr weiter unten.

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2. Die Suprematie der USA ist das eine, das andere ist die Markttechnik.

Hier kommt André Kostolany ins Spiel. Die Realwirtschaft ist das Herrchen, die Börse ist der Hund: Mal entfernt sich der Hund vom Herrchen, aber am Ende hat dieses die Leine in der Hand und bestimmt den Weg. In diesem Jahr haben der DAX, der italienische MIB 30, der SLI Swiss Leader und der MSCI Greece allesamt? den Nasdaq 100 outperformt! Das lag auch, aber nicht nur daran, dass der Euro gegenüber dem US-Dollar an Stärke gewann. Auch wenn die These zur US-Suprematie stimmt, heißt das nicht, dass die US-Aktienmärkte stetig und ewig Europa outperformen werden. Europäische Aktien sind von ihren US-Pendants seit 15 Jahren deklassiert worden. Es ist klar, dass irgendwann eine Schubumkehr in die andere Richtung wirkt. Keiner weiß wann, warum und wie lange dieser Trendwechsel dauern wird, aber er wird kommen. Weshalb es sich immer lohnt, zu diversifizieren.

3. An Kryptos scheiden sich die Geister,

aber? Investoren sollten ihre Sicht auf diese Assets nicht von ihren persönlichen Präferenzen vernebeln lassen. Keiner muss seine Brötchen mit Bitcoin oder Trumpcoin bezahlen. Allerdings eröffnet die Verquickung von AI und Krypto neue Investment-Horizonte, die es sich auszuloten lohnt. Viele ehemalige Krypto-Zulieferer sind heute AI-Champions - Nvidia liefert dafür ein beredtes Zeugnis ab. Aus ehemaligen Mineuren werden mitunter Data-Centre-Betreiber und Cloud-Infrastruktur-Anbieter. Krypto-Börsen sind, wie die konventionellen Marktplätze, die Gewinner, wenn mehr gehandelt wird, egal, ob die Kurse steigen oder fallen.

4. Der Renditeanstieg am Anleihenmarkt auch in diesem Jahr hat viele Investoren überrascht, aber er ist kein Grund zur Beunruhigung.

Jedenfalls nicht unmittelbar. Zunächst sind steigende Renditen etwas Positives: Sie sind Ausdruck einer robusten Weltkonjunktur. Die Zinsen werden außerhalb der Eurozone absehbar nicht auf null fallen, weshalb die Zeiten für Zinsinvestments noch ziemlich gut aussehen und absehbar gut bleiben werden. Es lohnt sich allerdings, die steigenden Renditen im Blick zu behalten. Man muss nicht an die sagenumwobenen Bond Vigilantes glauben, um Risiken am Bond-Markt auszumachen. Sollten die USA weiter jegliche fiskalische Disziplin vermissen lassen, könnten Investoren immer höhere Renditen fordern. Dann könnte sich Trumps Traum vom "goldenen Zeitalter" der USA in Luft auflösen. Brennt der Bond-Markt, wird auch die Unternehmenswelt in Mitleidenschaft gezogen. Käme die Rezession, die vor einem Jahr noch in aller Munde war (und heute ein Fremdwort ist), werden die Karten an den Märkten völlig neu gemischt.

5. Anleger sollten bei Staatsanleihen Vorsicht walten lassen, und zwar weltweit.

Weil die Laufzeiten von Staatsanleihen in den vergangenen Jahren immer weiter verlängert wurden, sind die Zinsänderungsrisiken hoch. Zugleich wirft die zunehmende Staatsverschuldung die Bonitätsfrage bei vielen Staaten auf. 2023 wurde die Bonität von US-Staatsanleihen von Fitch herabgestuft - das war nach S&P 2011 die zweite Rating-Agentur. Immer wieder werden auch Zweifel an der Budgetstabilität Großbritanniens geäußert - nicht nur zu Zeiten von Liz "Lettuce" Truss. Anleger tun deshalb gut daran, länger laufende (Staats-)Anleihen mit einer gehörigen Portion Skepsis zu begegnen, vor allem in den USA. Doch es gibt gute Nachrichten: So wackelig die Aussicht auf eine "Term"-Prämie ist, so sprudeln die Kredit- und Illiquiditäts-Prämien angesichts des ordentlichen Zinssockels immer noch - auch wenn der Speck nicht mehr ganz so üppig ist wie vor 1, 2 Jahren. Zudem gibt es neben qualitativ hochwertigen Unternehmensanleihen mit High Yield Bonds, CLOs und anderen Loans, Katastrophen-Anleihen, Emerging Markets, kleinere, illiquide Emissionen, gerne ohne Ratings, sowie Nischen wie Mikrofinanz viele Renditequellen, die sich am Rentenmarkt anzapfen lassen - viele dieser Instrumente haben Kredit-Risiken, begrenzen aber die Laufzeitrisiken und hegen damit ein signifikantes Risiko der klassischen Anleihenmärkte ein.

Von Ali Masarwah, 27. Januar 2025, © envestor.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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