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Börse Frankfurt-News: "Ein "Weniger" an Staat wäre mehr für uns alle"

15.05.23 15:26 Uhr

Börse Frankfurt-News: "Ein "Weniger" an Staat wäre mehr für uns alle" | finanzen.net

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Roger Peeters setzt sich mit der von ihm und seiner Erfahrung nach auch von vielen Unternehmen wahrgenommenen "Wirtschaftsfeindlichkeit" der deutschen Regierung auseinander.

15. Mai 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Im Moment ist Hochsaison im Austausch mit gelisteten Firmen. Neben zahllosen Conference Calls finden auch sehr viele Konferenzen statt, auf denen sich beide Seiten des Kapitalmarkts munter austauschen, übrigens auch jeweils untereinander. Was mir in diesem Fall doch etwas stärker auffällt, ist die zunehmende Frustration über die Politik. Oft vernehme ich eine Sicht, dass die Machthabenden nicht mit der, sondern gegen die Wirtschaft agiere und regiere, gerade in Deutschland.

Ausländische Marktteilnehmer wundern sich über manche deutsche Sonderwege, etwa in der Energiepolitik oder über die im globalen Vergleich sehr hohe Last der Besteuerung und der Abgaben. Kenner der Nation ärgern sich, dass viele grundlegende Probleme, etwa die ausgeuferte Bürokratie und die zurückgebliebene Digitalisierung des Staatswesens zumindest gefühlt sehr wenig voran gebracht wurden in den vergangenen zehn Jahren. Und Firmenlenker wagen zwar selten den Kopf aus der Deckung, stimmen dann aber durchaus mit den Füßen ab und investieren einfach dort, wo sie willkommener sind als in Deutschland. Und da gibt es einige Plätze.

Besonders die seit dem Regierungswechsel sehr ideologische Politik des Wirtschaftsministeriums, welches ja ursprünglich und sinnhafterweise zur Förderung der Wirtschaft aufgesetzt war, ist immer wieder ein Thema. Sehr oft und dies übrigens bereits lange vor der aktuellen "Amigo-Diskussion" um den einflussreichen Staatssekretär Patrick Graichen wird irritiert reflektiert, dass viele Unternehmen als Fundament unseres Wohlstands hierzulande wohl nicht mehr wirklich willkommen seien. Und dies sind keine exotischen Meinungen. Mir persönlich im Gedächtnis blieb etwa die wiederholte Aussage mehrerer Vorstände in Dialogen auf einer Konferenz vor einigen Wochen, wonach der Wirtschaftsminister durchaus offen und zugänglich sei, die von ihm neu eingezogene Ebene darunter aber regelrecht destruktiv, ideologisch und wirtschaftsfeindlich agiere. Das Besondere dabei: Es war eine Konferenz mit Firmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien. Man kann sich ausmalen, wie das Urteil zeitgleich auf einem Treffen der Chemie- oder Schwerindustrie ausgefallen wäre.

Ich möchte mich gar nicht an den vielen Diskussionen über Postenzuweisungen im Freundesbereich auslassen. Wesentlich relevanter finde ich die "Übergriffigkeit" in der Realpolitik. Also, dass der Staat immer kleinteiliger in Felder eingreift, in deren er keine Kompetenz hat und Schaden anrichtet, der im internationalen Wettbewerb sehr problematisch ist. Man fragt sich schon manchmal, ob allen Beteiligten bewusst ist, welchem System wir den heutigen Wohlstand verdanken, der sozialen Marktwirtschaft der BRD oder der Planwirtschaft der DDR? Die Realität des globalen Wettbewerbs wird einfach ignoriert. Wirtschaft verlagert sich nun mal in die Regionen, wo Rahmenbedingungen wie Energie, Arbeitskosten, Ausbildungsgrad etc. vorteilhaft sind. Zwar flackert diese eigentlich banale Erkenntnis vereinzelt auch in der Politik auf, aber dann zu oft als Reaktion auf vorherige Fehler.

Ein aktuelles Beispiel ist der sicher gut gemeinte und objektiv dringend nötige Plan, der Industrie wieder zu einem wettbewerbsfähigen Strompreis zu verhelfen. Statt die Produktion zu erhöhen und direkte Abgaben auf den Strom zu senken, bewirkte die Politik erst Gegenteiliges, etwa mit der Abschaltung funktionierender Kernkraftwerke, und ist nun mit der Situation konfrontiert, dass energieintensive Firmen die Produktion ruhen lassen oder verlagern, weil in anderen Regionen der Strom bisweilen um über 80 Prozent günstiger ist. Ein sich überschätzender Staat überdenkt nun, dies zu korrigieren, indem er den nun sehr teuren Strom subventioniert und dafür eine Vielzahl von neuen und sehr weitreichenden Bedingungen stellt. Meine Befürchtung: Diese werden so abschreckend, dass die Versuche der Politik am Ende ins Leere laufen. Wie es konsequenter geht, zeigen gerade die USA, die mit einem einfach gehaltenen und (unter anderem über handelbare Steuerabzüge) sehr wirkungsvollen Ansiedlungsprogramm zum neuen "Sweet Spot" für Unternehmensansiedlungen werden. Es begegnen einem zurzeit nur sehr wenige internationale Konzerne, die sich das alles nicht sehr interessiert anschauen. Warum kann sich Deutschland nicht wieder mehr auf den Ursprung seines Erfolges rückbesinnen?

Ein Staat, der sich in Tradition eines Ludwig Erhard darauf konzentriert, ein funktionierendes, effizientes, unbürokratisches und abgabenarmes Umfeld zu schaffen, in dem sich die erheblichen Kräfte des Marktes entfalten können und Innovationen und Fortschritt voranbringen, wäre der weit bessere Ansatz. So entstehen Erfindungen, Neuerungen und Wohlstand. Es wäre gut und auch in ihrem Sinne, wenn sich die Politiker hieran erinnern würden. Denn vermeintlich starke politische Führungen in wirtschaftlich abgehängten Staaten sind eben nicht mächtig. An der Spitze einer wirtschaftlich starken Nation hingegen lässt sich sehr viel gestalten und verändern. Dies sollten auch Regierende und leitende Beamte nicht übersehen.

von Roger Peeters, 15. Mai 2023, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (LU1865032954), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)