Europäische Finanzaufsicht kritisiert wegen Wirecard deutsche Behörden
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma hat bei einer Anhörung im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages erhebliche Lücken im System der deutschen Finanzaufsicht bemängelt.
"Wir haben Defizite in den Abläufen sowie Leistungsmängel und rechtliche Hindernisse für ein wirksames Funktionieren identifiziert", sagte der Leiter der Abteilung Investoren und Emittenten bei der EU-Behörde, Evert van Walsum, nach Angaben des Bundestags-Pressedienstes in einer Videozuschaltung aus Paris.
Die EU-Vorgaben für eine schlagkräftige Aufsicht von Finanzfirmen seien ein Deutschland nur unzureichend umgesetzt. Gerade auf den Umgang mit einem handfesten Betrugsfall sei das Aufsichtssystem nicht vorbereitet gewesen. Unter den deutschen Institutionen habe nur die Staatsanwaltschaft die Mittel gehabt, um einem Verdachtsfall wirklich nachspüren - aber die Hürden für deren Einbeziehung seien zu hoch. So sei ein Teufelskreis entstanden.
Einschätzungen der Bundesbank wurden ignoriert
Der Ausschuss beschäftigte sich laut den Angaben auch damit, dass Beamte auf niedrigen Ebenen begründete Warnungen im Zusammenhang mit Wirecard ausgesprochen hätten, diese jedoch auf dem Dienstweg versandet seien. Am Donnerstag sagte demnach auch der Bundesbank-Referent Nikolaus Dötz aus, der sich in einem Vermerk gegen das Leerverkaufsverbot ausgesprochen hatte, das die Finanzaufsicht Bafin später verhängte, um Wirecard vor vermeintlichen Angriffen böswilliger Spekulanten zu schützen. "Im Ergebnis kann keine Marktstörung festgestellt werden", schrieb er.
Nach Ansicht des Ausschusses habe das Leeverkaufsverbot das völlig falsche Signal gesetzt, so der Bundestags-Pressedienst. Es habe Wirecard als Opfer dastehen lassen, nicht als Täter. Diese einzelne Maßnahme habe die Aufklärung des Betrugs vermutlich mehr in die Länge gezogen als alle anderen Fehlentscheidungen jener Tage.
Dötz habe es für unangemessen gehalten, weil er keine Anzeichen dafür finden konnte, dass die Märkte von Leerverkäufen verzerrt seien, und für wenig tauglich, weil es in solchen Situationen kaum etwas bringe. Andere Fachleute der Bundesbank hätten sich der Einschätzung angeschlossen. Dies sei jedoch seinerzeit ignoriert worden.
"Die verschiedenen Abteilungen der Bundesbank haben das Leerverkaufsverbot der Bafin als unbegründet und handwerklich schlecht bewertet", erklärte der Grünen-Obmann in dem Ausschuss, Danyal Bayaz. "Damit wird auch immer klarer: Die Entscheidung der Finanzaufsicht war rechtswidrig. Aber die Bafin wollte das Leerverkaufsverbot offenbar unter allen Umständen und hat es regelrecht durchgeboxt - und sich damit auf die Seite von Wirecard gestellt."
Gegenüber der Esma habe sich die Bafin auf Aktiencharts berufen, die grafisch so schlecht aufbereitet gewesen seien, dass sie einen falschen Eindruck über die Relevanz von Wirecard für die Märkte vermittelt hätten. Bayaz meinte, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) "hätte bei diesem außergewöhnlichen Vorgang genauer hinsehen und eingreifen können und müssen".
BERLIN (Dow Jones)
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