Lufthansa-Aktie stark im Plus: Lufthansa mit Milliarden-Verlust durch Corona-Krise - 40 Prozent Kapazität bis September geplant
Die von der Corona-Krise hart getroffene Lufthansa bereitet ihre Mitarbeiter nach einem Milliardenverlust im ersten Quartal auf herbe Einschnitte vor.
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"Angesichts der absehbar nur sehr langsam verlaufenden Erholung der Nachfrage müssen wir nun mit tiefgreifenden Restrukturierungen gegensteuern", sagte Vorstandschef Carsten Spohr am Mittwoch in Frankfurt. Das Management will die Stückkosten im Vergleich zum Vorkrisenniveau "deutlich" senken. Denn nach der Krise muss der Konzern die erhofften staatlichen Finanzhilfen wohl aus dem laufenden Geschäft zurückzahlen - und der Passagierverkehr dürfte sich nur sehr langsam erholen.
Die Lufthansa-Aktie reagierte am Morgen mit mäßigen Schwankungen auf die Nachrichten. Nach einem anfänglichen Minus von einem Prozent drehte der Kurs in die Gewinnzone und lag zuletzt via XETRA mit 7,73 Prozent bei 10,19 Euro im Plus. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier mehr als 40 Prozent an Wert eingebüßt. Der Ausblick des Vorstands sei mit Blick auf eine Geschäftserholung pessimistisch, schrieb Analyst Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein. Es liege nun enorm viel Arbeit vor dem Konzern, sein Geschäft umzustrukturieren.
Angaben zu einem möglichen Stellenabbau machte die Lufthansa zunächst nicht. Im Zusammenhang mit einer bereits angekündigten Verkleinerung der Flotte hatte Spohr zuletzt von einem rechnerischen Überhang von 10 000 Vollzeitstellen gesprochen. Die Zahl bezog sich aber vor allem auf das fliegende Personal, also Piloten und Flugbegleiter.
Die Corona-Pandemie mit den folgenden Reisebeschränkungen hatte die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Der Konzern benötigt daher staatliche Hilfe. Im Rahmen eines rund neun Milliarden Euro schweren Rettungspakets einschließlich Beteiligung des Bundes an dem Unternehmen muss die Lufthansa 24 Start- und Landerechte an ihren wichtigen Flughäfen in Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben.
Ohne baldige Hilfe droht der Lufthansa weiterhin das Geld auszugehen. Ende März beliefen sich die flüssigen Mittel den Angaben zufolge auf 4,25 Milliarden Euro. Jeden Monat flössen weiterhin etwa 800 Millionen Euro ab, obwohl der Konzern seine Fixkosten um ein Drittel gesenkt habe. Wie viel Geld die Lufthansa derzeit noch genau zur Verfügung hat, blieb zunächst offen.
Um Kredite und Zinsen zügig zurückzahlen zu können, werde das Unternehmen seinen freien Barmittelzufluss im Vergleich zur Zeit vor der Krise deutlich steigern müssen, sagte Vorstandsmitglied Thorsten Dirks. Lufthansa verhandelt weiterhin mit den Flugzeugherstellern Boeing und Airbus darüber, bereits bestellte Flugzeuge später abzunehmen als vereinbart. Außerdem prüft das Management mittelfristig die Veräußerung einzelner Geschäftsbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören.
Das Unternehmen erwartet nur eine schrittweise anziehende Nachfrage nach Flugreisen. Während zuletzt fast 700 der 763 Flugzeuge des Konzerns am Boden standen, dürften auch im kommenden Jahr noch 300 und im Jahr 2022 noch 200 Maschinen nicht fliegen, schätzt das Management. Für 2023 erwartet der Vorstand weiterhin eine um 100 Flugzeuge verkleinerte Flotte.
Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Konzern einen Milliardenverlust ein. Unter dem Strich stand ein Minus von 2,1 Milliarden Euro nach einem saisontypischen Minus von 342 Millionen ein Jahr zuvor. Allein ungünstige Geschäfte zur Treibstoffpreis-Sicherung schlugen mit fast einer Milliarde Euro zu Buche. Hinzu kamen Abschreibungen von 266 Millionen Euro auf stillgelegte Flugzeuge und 157 Millionen auf die Catering-Tochter LSG Nordamerika und den hauseigenen Billigflieger Eurowings.
Der Umsatz des Konzerns sackte wegen des ab März stark eingebrochenen Flugverkehrs um 18 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro ab. Der operative Verlust (bereinigtes Ebit) fiel mit 1,2 Milliarden Euro gut dreieinhalb mal so hoch aus wie ein Jahr zuvor. Eine Prognose für das Gesamtjahr traut sich der Vorstand weiterhin nicht zu, erwartet aber unverändert einen signifikanten Rückgang des operativen Ergebnisses.
Der Konzern will ab Mitte Juni seine Flugpläne deutlich ausweiten, auf rund 2000 wöchentliche Verbindungen zu mehr als 130 Zielen weltweit. Möglichst viele Destinationen sollten für Urlauber und Geschäftsreisende wieder erreichbar gemacht werden. Im September sollen bis zu 40 Prozent der ursprünglich geplanten Kapazität wieder angeboten werden. Die Zahl der Destinationen soll auf 70 Prozent des ursprünglichen Plans bei den Langstreckenflügen und 90 Prozent bei den Kurzstreckenflügen steigen. Die Lufthansa will dabei verstärkt auf das Geschäft mit Urlaubern setzen.
Lufthansa plant für September mit bis zu 40 Prozent Kapazität
Die Deutsche Lufthansa will im September bis zu 40 Prozent der ursprünglich geplanten Kapazität wieder anbieten. Das habe der Vorstand am Dienstag beschlossen, teilte der Konzern mit. Im Mai lag die Kapazität bei 3 Prozent der ursprünglichen Planung, ab Mitte Juni werden die Flugpläne wieder deutlich ausgeweitet. Angesichts einer voraussichtlich nur langsamen Erholung der Nachfrage rechnet der Konzern aber damit, dass auch in den kommenden beiden Jahren hunderte Maschinen noch am Boden bleiben. In den Monaten April und Mai hatte die Deutsche Lufthansa AG 700 ihrer 763 Flugzeuge geparkt.
Für das Jahr 2021 plant der Konzern mit immer noch 300 geparkten Flugzeugen, im Jahr 2022 voraussichtlich noch mit 200. Nach Beendigung des Krise, die für das Jahr 2023 erwartet wird, dürfte die Flotte insgesamt um 100 Flugzeuge kleiner sein, wie Konzernchef Carsten Spohr bereits auf der Hauptversammlung gesagt hatte.
Im April beförderten die Konzernairlines nur 241.000 Fluggäste, das waren rund 98 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Im ersten Quartal waren die Passagierzahlen bereits um rund ein Viertel gesunken. Das Angebot im Passagierverkehr sank im April um 96,0 Prozent und der sogenannte Sitzladefaktor, ein Maßstab für die Auslastung der Maschinen ist um 35,8 Prozentpunkte auf 47,5 Prozent zurückgegangen.
Auch das Frachtangebot ging zurück, weil die Kapazitäten in den Laderäumen der Passagierflüge fehlten - das Angebot war um 60,7 Prozent niedriger als im April des Vorjahres. Die verkauften Frachtkilometer gingen hingegen lediglich um 53,1 Prozent zurück, so dass der Nutzladefaktor um 11,5 Prozentpunkte auf 71,5 Prozent gestiegen ist.
Auch im Mai lag das Passagier- und Frachtangebot deutlich unter Vorjahr, Zahlen nannte die Lufthansa dazu noch nicht.
Lufthansa-Chef: Wollen Kündigungen so weit wie möglich vermeiden
Die Lufthansa will bei dem geplanten tiefgreifenden Konzernumbau Kündigungen so weit wie möglich vermeiden. Das sagte Vorstandschef Carsten Spohr am Mittwoch in Frankfurt. Zugleich betonte er: "Wir werden jeden Stein in dem Unternehmen umdrehen." Das Management will die Stückkosten im Vergleich zum Niveau vor der Corona-Krise "deutlich" senken.
Lufthansa: Hilfskredite aus Nachbarländern werden auf Rettungspaket angerechnet
Die Lufthansa muss sich staatliche Hilfsgelder für Töchter im Ausland voraussichtlich auf das Rettungspaket der deutschen Bundesregierung anrechnen lassen. Wenn der Konzern aus der Schweiz, Österreich und Belgien zusammen staatlich garantierte Kredite von zwei Milliarden Euro erhalte, würden diese von den geplanten neun Milliarden Euro aus Deutschland abgezogen, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Vorlage der Quartalszahlen am Mittwoch in Frankfurt. Die Summe gehe dann von dem Kredit der deutschen Staatsbank KfW ab, der sich auf drei Milliarden Euro belaufen soll.
Die Bundesregierung könne zwar auf diese Anrechnung verzichten, sagte Spohr. Allerdings benötige der Konzern keine elf Milliarden Euro. "Wir müssen nur das Geld ziehen, was wir wirklich brauchen." Die Schweiz, wo die Lufthansa mit ihren Töchtern Swiss und Edelweiss vertreten ist, hat bereits einen Hilfskredit zugesagt. Mit den Regierungen in Wien und Brüssel ist der Konzern wegen seiner Töchter Austrian und Brussels im Gespräch.
Spohr zufolge könnte die Lufthansa auch mit weniger als neun Milliarden Euro Hilfe überleben. Ziel des Rettungspakets sei aber, dass der Konzern stark und wettbewerbsfähig aus der Krise hervorgehe.
Lufthansa-Chef: Kein Verkauf von Lufthansa Technik
Lufthansa-Chef Carsten Spohr kann sich einen mehrheitlichen Verkauf der Wartungssparte Lufthansa Technik trotz des dringenden Geldbedarfs im Konzern nicht vorstellen. Die Hamburger Tochtergesellschaft gehöre zum Kern der Lufthansa, sagte der Manager am Mittwoch bei der Vorlage der Quartalszahlen in Frankfurt. Vor der Corona-Krise habe der Vorstand zwar geprüft, ob er einen Minderheitsanteil der Sparte an die Börse bringe. "Aber derzeit ist für all dies der falsche Zeitpunkt."
Die Lufthansa hatte am Morgen angekündigt, dass sie sich mittelfristig von Geschäftsteilen trennen wolle, die sie nicht zum Kerngeschäft zählt. Spohr nannte auf Nachfrage etwa die verbleibenden Teile der Catering-Tochter LSG außerhalb Europas. Für das Europa-Geschäft der LSG Sky Chefs hat der Konzern mit dem Konkurrenten Gategroup bereits einen Käufer gefunden. Der Verkauf ist aber noch nicht vollzogen.
Airline-Experte: "Die Details zur Restrukturierung bleiben unklar"
Das Management will die Kosten im Vergleich zum Vorkrisenniveau "deutlich" senken. Denn nach der Krise muss der Konzern die erhofften staatlichen Finanzhilfen wohl aus dem laufenden Geschäft zurückzahlen. Dabei dürfte sich der Passagierverkehr nur sehr langsam erholen.
Doch genau hier liegt nach Ansicht des Airline-Experten Daniel Roeska vom Investmenthaus Bernstein der Hase im Pfeffer: "Die Details zur Restrukturierung bleiben unklar." Zwar hätten die Töchter Austrian Airlines und Brussels Airlines die Kürzungspläne für die Flotte und das Personal in Zahlen konkretisiert. "Für die Lufthansa als große Airline gibt es aber noch keinen solchen Plan."
Im gleichen Atemzug zeigte der Analyst hierfür aber auch Verständnis: "Das Ausmaß des Umbaus ist immens." Vereinbarungen mit den Gewerkschaften über einen drastischen Stellenabbau oder über Lohn- und Gehaltskürzungen oder gar beides dürften zur Herkulesaufgabe werden. "Das Unternehmen muss in diesen Verhandlungen noch mehr Geschick an den Tag legen als jemals zuvor", schrieb Roeska.
Die Lufthansa wird im kommenden Jahr voraussichtlich noch knapp 40 Prozent der bisher 763 Flugzeuge am Boden lassen und 2022 noch rund ein Viertel. "Das bedeutet, dass die Löhne und Gehälter noch stärker sinken müssten, damit sich das Unternehmen entschuldet", kalkulierte Roeska. Dies könne also ein Ansatzpunkt für die Verhandlungen mit den Gewerkschaften sein. Das Erwirtschaften freier Barmittel zum Abbau der Schulden dürfte aber zur Herausforderung werden angesichts der hohen Konzernkosten.
FRANKFURT (dpa-AFX)/ FRANKFURT (Dow Jones)
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