Angeschlagene Wirtschaft

Institute passen Prognose für deutsches BIP für 2024 merklich nach unten an

27.03.24 09:59 Uhr

Institute senken Prognose für deutsches BIP für 2024 merklich | finanzen.net

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben die Konjunkturprognose für Deutschland für dieses Jahr deutlich nach unten korrigiert und sehen die Wirtschaft insgesamt als angeschlagen an.

Im kommenden Jahr dürfte sich das Wachstum auch aufgrund eines besseren Auslandsgeschäfts erhöhen, wie sie in ihrem jetzt veröffentlichten Frühjahrsgutachten schreiben. Die Ökonomen appellieren an die Bundesregierung, eine "behutsame" Reform der Schuldenbremse, basierend auf dem Vorschlag der Deutschen Bundesbank, vorzunehmen, um mehr schuldenfinanzierte Investitionen zu ermöglichen.

Die Institute erwarten nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,1 (Herbstgutachten: +1,3) Prozent für das laufende und 1,4 (+1,5) Prozent Wachstum für das kommende Jahr. Die Institute attestieren Deutschland "eine bis zuletzt zähe konjunkturelle Schwächephase mit schwindenden Wachstumskräften". Im laufenden Jahr avanciere der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur. Im kommenden Jahr werde dann vermehrt auch das Auslandsgeschäft diese Rolle übernehmen.

"In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen", erklärten die Institute.

Der Konjunkturchef am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, betonte, dass Deutschland bislang von einem Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lähmender Politik und leidendem Wachstum geprägt sei. Nun ändere sich "nur die konjunkturelle Tonlage von Moll auf Dur", so Kooths.

Inflationsrate sinkt wegen dämpfender Effekte der Energiepreise

Die Inflationsrate dürfte nach Ansicht der Ökonomen aufgrund des dämpfenden Effekts der Energiepreise weiter zurückgehen - von 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,3 (2,6) Prozent in diesem Jahr und 1,8 (1,9) Prozent in 2025. Die Kerninflationsrate sehen die Institute in diesem Jahr bei 2,8 Prozent und 2025 bei 2,3 Prozent.

Die Effektivverdienste werden der Prognose zufolge in den Jahren 2024 und 2025 um 4,6 bzw. 3,4 Prozent zulegen. Damit nehmen die Reallöhne über den gesamten Prognosezeitraum zu und holen die Verluste aus dem Jahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 langsam wieder auf, wies in dem Gutachten heißt. Das Niveau von Ende 2021 - also vor dem drastischen Inflationsschub - wird aber nach Einschätzung der Ökonomen voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2025 erreicht.

Der robuste Arbeitsmarkt stütze die konsumbezogenen Auftriebskräfte in der deutschen Konjunktur. Zwar würden die realen Lohnstückkosten im Zuge der Lohnsteigerungen wieder deutlich zunehmen. "Sie bleiben aber beschäftigungsfreundlich", so die Einschätzung der Institute.

Insgesamt erwarten die Institute, dass die Zahl der Arbeitslosen von 2,61 auf 2,69 Millionen in diesem Jahr steigt, dann aber 2025 auf 2,58 Millionen zurückgeht. Die Arbeitslosenquote werde sich von 5,7 Prozent 2023 auf 5,8 Prozent im laufenden Jahr erhöhen und dann 2025 auf 5,5 Prozent zurückfallen.

Behutsame Reform der Schuldenbremse notwendig

Die gesamtstaatlichen Defizite werden der Prognose zufolge in diesem und kommenden Jahr deutlich sinken. Die Forscher plädierten für eine behutsame Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, um somit mehr Investitionen zu ermöglichen.

Die öffentlichen Haushalte werden laut Prognose in diesem Jahr ein Finanzierungsdefizit von 1,6 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt erreichen, nach 2,1 Prozent im Vorjahr. Es dürfte im kommenden Jahr auf 1,2 Prozent fallen.

"Wirtschaftspolitisch empfehlen die Institute eine behutsame Reform der Schuldenbremse, basierend auf dem Vorschlag der Deutschen Bundesbank, der mehr schuldenfinanzierte Investitionen als bislang zulässt", heißt es in dem Gutachten. Die Ökonomen regten an, die Defizitbegrenzung nach einem Ziehen der Ausnahmeklausel nicht mehr abrupt, sondern stufenweise wieder scharf zu stellen.

Wichtiger sei aber eine Neugestaltung der staatlichen Finanzverfassung, um kommunale Investitionstätigkeit - gut 40 Prozent der gesamten öffentlichen Investitionen - besser von konjunkturell bedingten Haushaltsnöten abzuschirmen, so die Institute in ihrem Gutachten.

An dem Gemeinschaftsgutachten wirken derzeit die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ifo Institut, das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) mit.

DJG/aat/hab

BERLIN (Dow Jones)

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