SAP-Aktie stabil: SAP zieht Tempo im Cloudgeschäft an - Ergebnis aber unter Druck
Europas größer Softwarehersteller SAP will im neuen Jahr beim Wachstum große Schritte nach vorn machen.
Die Gewinne aus dem Tagesgeschäft müssen wegen hoher Investitionen aber erst einmal weiter zurückstehen. Das DAX-Schwergewicht geht aktuell für 2022 davon aus, dass das operative Ergebnis im besten Fall nur stabil bleibt, am unteren Ende der Prognosespanne aber gar um 5 Prozent sinken könnte. Allerdings nimmt sich SAP-Chef Christian Klein beim geplanten Wachstum der zum Zukunftsgeschäft erklärten Cloudsoftware auch überraschend viel vor. Im Schlussquartal des vergangenen Jahres gelang den Walldorfern hier ein Endspurt.
"Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für die SAP, um sich neu aufzustellen, stabile Lieferketten aufzubauen und sich auf dem Weg in die Cloud zu nachhaltigen Unternehmen zu entwickeln", sagte SAP-Chef Klein zu den Resultaten vom späten Donnerstagabend. Der Manager will das Cloudgeschäft in den kommenden Jahren deutlich ankurbeln, um im Markt für Unternehmenssoftware von der Konkurrenz nicht abgehängt zu werden. Cloudsoftware im Abo zur Nutzung über das Netz gilt als Zukunft der Branche und ist in weiten Teilen heute schon Standard.
Klein peilt im neuen Jahr bei der Cloudsoftware ein währungsbereiniges Umsatzplus von 23 bis 26 Prozent ein - ein deutlich schnelleres Wachstum als im vergangenen Jahr, als der Clouderlös um rund ein Sechstel auf 9,42 Milliarden Euro zulegte. SAP muss das Tempo hier auch anziehen, um wie von Klein avisiert 2025 mehr als 22 Milliarden Euro Umsatz mit den Programmen aus der Cloud zu erlösen. Viele Investoren sind skeptisch, ob das bis dahin gelingen kann. Insgesamt erwartet das Management, dass der gesamte Produktumsatz 2022 um 4 bis 6 Prozent wächst - das heißt im Umkehrschluss auch, dass der lukrative Lizenzverkauf von Software weiter zurückgehen dürfte.
Beim kalkulierten operativen Ergebnis geht es unter anderem deswegen auch spürbar gemächlicher zu. Analysten hatten mehr auf dem Zettel als die nun veranschlagten 7,8 bis 8,25 Milliarden Euro beim um Sondereffekte bereinigten Ergebnis vor Zinsen und Steuern zu konstanten Wechselkursen, wie auch JPMorgan-Expertin Stacy Pollard in einer Einschätzung schrieb.
Vergangenes Jahr schon war das operative Ergebnis um ein Prozent auf 8,23 Milliarden Euro geschrumpft, weil Wechselkurseffekte bremsten und der Konzern hohe Kosten für den stärkeren Schwenk in die Cloud in Kauf nimmt. Klein hatte bei den Ergebnissen für die Jahre 2021 und 2022 ohnehin magere Kost in Aussicht gestellt.
Weil die Konkurrenz der US-Techkonzerne Oracle und Salesforce SAP im Nacken sitzt und Marktanteile verloren gehen könnten, hatte Klein Anfang vergangenes Jahr mit "Rise" ein neues Produktbündel aus der Taufe gehoben, um die Kunden mit einfacheren Mitteln zu einem schnelleren Umstieg in die Cloud zu bewegen. Nun sprach er von einem "gewaltigen Erfolg" des Angebots.
Die Beschleunigung der Cloudgeschäfte erfordert Investitionen in Technik, Produkte und Werbung. Zudem sind die Cloudprodukte zunächst nicht so profitabel wie teure Softwarepakete im einmaligen Lizenzverkauf, sollen sich aber über die Laufzeit nach und nach rentieren - denn die Cloudsoftware wird entweder im Abo bezahlt oder über Nutzungsgebühren.
Der Gesamtumsatz von SAP stieg 2021 im Jahresvergleich um 2 Prozent auf 27,8 Milliarden Euro. Unter dem Strich kletterte auch der Nettogewinn 2021 um 2 Prozent auf 5,38 Milliarden Euro. Zwar musste SAP viel mehr Geld für die aktienbasierte Mitarbeitervergütung ausgeben: Rund 2,8 Milliarden Euro standen dafür diesmal zu Buche gegenüber knapp 1,1 Milliarden im Vorjahr - das lag vorwiegend am Börsengang der US-Marktforschungstochter Qualtrics und am gestiegenen Aktienkurs. Im Gegenzug profitierte SAP aber über die Risikokapitalbeteiligungsgesellschaft Sapphire Ventures von der guten Wertentwicklung ihrer Investitionen in Start-Ups.
SAP will nun in diesem Jahr Aktien im Wert von bis zu einer Milliarde Euro zurückkaufen. Die angekauften Papiere sollen für künftige Zuteilungen aus einem anteilsbasierten Vergütungsprogramm verwendet werden, wie es hieß. "Indem wir unsere anteilsbasierten Vergütungen für neue Zuteilungen ab 2022 vorwiegend durch Aktien statt Barzahlungen ausgleichen, möchten wir die Aktienkultur in unserer Belegschaft weiter stärken und sicherstellen, dass die Interessen unserer Mitarbeitenden eng an den Interessen unserer Aktionäre ausgerichtet sind", sagte Finanzchef Luka Mucic.
SAP-Aktie im Fokus
Druck auf die Ergebnisse von SAP angesichts hoher Investitionen hat am Freitag auf die Stimmung der Anleger geschlagen. Trotz überraschend starker Quartalsumsätze in allen Sparten drehte die Aktie des Softwareherstellers nach morgendlichen Gewinnen in die Verlustzone. Dabei belastete auch die allgemeine Schwäche von Technologieaktien an Europas Börsen, denn an der US-Technologiebörse Nasdaq war es wegen Zinssorgen am Donnerstag kräftig abwärts gegangen.
Die Papiere des größten europäischen Softwareherstellers notierten zum Handelsende in einem schwächelnden DAX auf Vortagesniveau bei 120,48 Euro (-0,02%). Die Anteile des kleineren Wettbewerbers Software AG verloren 4,17 Prozent auf 31,70 Euro und wurden von negativen Analystenkommentaren zusätzlich belastet. Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Technoloy sank im Sog der NASDAQ als Schlusslicht unter den 19 Branchen Europas.
"Im Grund ist nur das Cloud-Geschäft gut gelaufen, der Rest war mäßig bis okay und die operative Gewinnmarge (Ebit-Marge) rückläufig", begründete ein Händler die Kehrtwende der SAP-Aktie in die Verlustzone. Damit bestätigte er die Sicht von Frederik Altmann von Alpha Wertpapierhandel, der bereits vor dem Handelsstart von "durchwachsenen Geschäftsjahreszahlen" gesprochen hatte. Die Walldorfer hätten zwar die Unternehmensziele für die Cloud- und Software-Erlöse im vierten Quartal übertroffen, doch die Ebit-Marge habe mit dem Umsatzwachstum nicht mithalten können. Die Ertragskraft sei entsprechend "unbefriedigend".
Zudem sei der erste Ausblick auf das neue Jahr eher zurückhaltend. Die Markterwartungen seien bereits am oberen Ende der von SAP angegebenen Zielspannen für die Cloud- und Softwareerlöse sowie für das Betriebsergebnis, erklärte er und hatte daher schon am Morgen vor einem möglichen Abbröckeln der Kursgewinne im Handelsverlauf gewarnt. "Zwar ist SAP in einer Transformationsphase und Analysten feiern daher das starke Cloud-Geschäft, mir fehlt dennoch ganz übergeordnet die Ergebnisfantasie."
Die Aktienexperten der Investmentbank Stifel Europe lobten dennoch die "durch die Bank besser als erwartet ausgefallenen Umsatzzahlen" von SAP und auch das Betriebsergebnis. Zudem sei im vierten Quartal 2021 der Auftragsbestand im Cloud-Geschäft, eine ganz wesentliche Kennzahl für SAP, im Jahresvergleich um mehr als ein Viertel gestiegen. Das deute auf eine starke Dynamik des Strategieprogramms "Rise with SAP" hin und lasse eine weitere Beschleunigung im laufenden Jahr erwarten. Den Ausblick auf den Betriebsgewinn 2022 nannten die Aktienexperten unter Verweis auf Vorabinvestitionen konservativ.
Im MDAX litten die Anteile der Software AG als Schlusslicht vor allem unter einer gestrichenen Kaufempfehlung der US-Investmentbank Goldman Sachs. Ihr Anlageurteil lautet nun "Neutral". Das Kursziel senkte Analyst Gautam Pillai von 50 auf 39 Euro und verwies darauf, dass die Berechenbarkeit der kurz- bis mittelfristigen Geschäftsentwicklung spürbar abgenommen habe. Zudem dürften weitere Wachstumsinitiativen anstehen, was aber zunächst Geld kosten werde.
Auch Analyst Uwe Schupp von der Deutschen Bank äußerte sich in einem Ausblick auf die erwarteten Quartalszahlen vorsichtiger zu dem Darmstädter Unternehmen und verwies auf Risiken, etwa mit Blick auf die Beteiligung des Private-Equity-Investors Silver Lake oder wegen des Hackerangriffs im Jahr 2020. Zudem befürchtet er, dass die Unternehmensziele für 2022 enttäuschen könnten und senkte daher das Kursziel von 36 auf 33 Euro.
WALLDORF (dpa-AFX) / (dpa-AFX Broker)
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Bildquellen: nitpicker / Shutterstock.com, SAP AG / Wolfram Scheible
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