Geldanlage: Vermögensprofis erkennen großen Fehler der Deutschen
Der Leitzins liegt seit fünf Jahren bei null, Geld vermehrt sich nicht mehr von selbst auf dem Konto - doch das scheinen die Deutschen noch nicht verstanden zu haben. Mehrere Vermögensexperten erklären: Die Deutschen denken nicht langfristig genug und scheuen kurzfristige Risiken.
• Philipp Vorndran: Die Deutschen sind Lichtjahre davon entfernt, ihr Vermögen richtig zu sichern
• Olaf Stotz: Zu große Angst vor Verlusten - bereits für Kinder könnten Aktiensparpläne angelegt werden
• Der Aktienhandel könnte auch deutlich intensiver in den Bereich der Altersvorsorge eingebunden werden
Dass sich Geld nicht mehr einfach so auf dem Konto und ohne Zutun seines Besitzers vermehrt, scheint zumindest auf den ersten Blick in das Bewusstsein der Deutschen eingedrungen zu sein - aber Zahlen und reflektierte Expertenmeinungen zeigen, dass dem wohl doch nicht so ist.
Experte erklärt: Das Renditeziel definiert die Anlagestrategie - aber viele Deutsche haben kein Renditeziel
So erklärt Philipp Vorndran, Kapitalmarkt-Stratege beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch, gegenüber dem Focus: "Die meisten Deutschen haben sich noch nie Gedanken gemacht, was sie mit ihrem Ersparten überhaupt für eine Rendite erwirtschaften möchten." Dabei sei genau das die entscheidende Frage, denn "das Renditeziel X definiert die richtige Anlagestrategie", so Vorndran. Und wer ein Renditeziel habe, der komme nicht mehr an Aktien vorbei: Rund 70 Prozent des eigenen Vermögens müsse man in Aktien investieren, um es über die Jahre zu erhalten. Davon seien die meisten Deutschen aber noch "Lichtjahre" entfernt.
Privatinvestoren haben zu viel Angst vor kurzfristigen Verlusten und denken nicht langfristig
Dies liegt offenbar hauptsächlich daran, dass die Deutschen einfach nicht in Aktien investieren wollen - Daten des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zeigen, dass im Jahr 2020 gerade einmal 12,4 Millionen Deutsche (also etwas weniger als ein Achtel der Bevölkerung) in Aktien investiert haben. Gegenüber der WELT erklärt Olaf Stotz, Professor für Geldanlage an der Frankfurter School of Finance, viele Menschen nähmen die Risiken falsch wahr: "Privatinvestoren sehen vor allem das Negative einer Aktienanlage, aber nicht die positive Seite." Insbesondere die langfristigen Gewinne würden vernachlässigt und nicht gesehen, die Deutschen seien zu vorsichtig. Dabei könne man seiner Meinung nach bereits für Kinder in Aktien investieren, wenn man monatlich etwa ein Zehntel des Kindergelds in einen Aktiensparplan anlege. Das Ersparte könne dann seinen Berechnungen zufolge "für die Ausbildungskosten verwendet werden."
Sinneswandel 2020: 70 Prozent mehr junge Menschen investieren nun in Aktien
Ein weiteres Problem ist sowohl den Experten als auch von der WELT dargestellten Zahlen aus dem Jahr 2019 zufolge, dass finanziell weniger gut abgesicherte Menschen weniger in Aktien investieren - logischerweise, denn um langfristig Geld zu investieren, muss man erst einmal genügend haben, um auch kurzfristig gut abgesichert zu sein. Offenbar besaßen im Jahr 2019 Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 5.000 bis 18.000 Euro die meisten Aktien.
Im vergangenen Corona-Jahr jedoch scheint zumindest sich in dieser Hinsicht etwas geändert zu haben: Dem DAI zufolge haben 2020 insbesondere junge Erwachsene im Alter von unter 30 Jahren ihren Weg in die Aktienwelt gefunden - über 600.000 junge Menschen haben offenbar in Aktien investiert. Das entspricht einem Plus von 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Man muss viel weniger über Aktien wissen, als man denkt
Möglicherweise ändert sich die Investitionsmentalität der Deutschen also langsam - bislang galt für Michael Grote, Professor für Corporate Finance an der Frankfurt School of Finance, laut Handelsblatt: "Die Leute wissen nicht, wie wenig sie wissen müssen, um in Aktien zu investieren." Kurzfristig können zwar häufiger Verluste auftreten, langfristig aber würden auf dem Aktienmarkt fast immer Gewinne herausspringen. Sollte sich die Investitionsmentalität tatsächlich langsam verändern, könnte der Aktienhandel in Zukunft einen größeren Teil der Altersvorsorge einnehmen: Franz-Josef Leven, stellvertretender Geschäftsführer des DAI, äußert gegenüber der WELT, dass dies bisher zu wenig geschehen sei, der Aktienhandel also zu wenig in die Altersvorsorge eingebunden werde.
Redaktion finanzen.net
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