IPO: Siemens will kriselnde Kraftwerksparte an die Börse bringen
Paukenschlag bei Siemens: Der Technologiekonzern will sich mittelfristig von seinen Energiegeschäften trennen und sich auf die Digitalisierung konzentrieren.
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Seine neu zum 1. April formierte Energiesparte Gas and Power will das Unternehmen ausgliedern und bis September 2020 an die Börse bringen. In der Sparte ist auch das seit längerem schwächelnde Kraftwerksgeschäft enthalten. Siemens geht dabei jedoch noch einen Schritt weiter: Der Konzern will seinen Mehrheitsanteil von 59 Prozent an dem Windradhersteller Siemens Gamesain die neue Gesellschaft einbringen, teilte Siemens am Dienstagabend mit.
Dabei will Siemens die Mehrheit an dem neuen Unternehmen abgeben aber Ankeraktionär bleiben. Der Anteil soll anfänglich bei etwas weniger als 50 Prozent liegen und auf Sicht die Sperrminorität nicht unterschreiten. Damit trennt sich Siemens von einem wesentlichen Bestandteil seines früheren Kerngeschäfts. Über die Abspaltung und spätere Börsennotierung soll eine außerordentliche Hauptversammlung voraussichtlich im Juni 2020 entscheiden. Gas and Power umfasst die Aktivitäten in den Bereichen Öl und Gas, konventionelle Energieerzeugung, Energieübertragung und die jeweils dazugehörigen Servicegeschäfte. Siemens werde dabei sowohl Gas and Power als auch Siemens Gamesa dekonsolidieren. Das neue Unternehmen soll Siemens im Namen führen.
"Durch die Kombination des Leistungsspektrums der konventionellen Erzeugung mit der Stromversorgung durch Erneuerbare Energien decken wir die Nachfrage der Kunden vollständig ab", sagte Konzernchef Joe Kaeser laut Mitteilung. Er sei überzeugt, dass die Entscheidung für alle Seiten positiv sei. "Die Eigenständigkeit gibt uns jetzt mehr Freiheit und Flexibilität", kommentierte die Chefin von Gas and Power, Lisa Davis, die Entscheidung. Das neue Unternehmen käme auf einen Umsatz von 27 Milliarden Euro Umsatz und 88 000 Mitarbeitern.
Damit trennt sich Siemens auch von seinem derzeit größten Sorgenkind: Dem Kraftwerksgeschäft. Vor allem bei großen Gasturbinen war in den letzten Jahren der Markt weggebrochen. Siemens läutete ein Sparprogramm ein, das den Abbau von Kapazitäten und die Streichung tausender Stellen umfasst. Siemens Gamesa entstand 2017 aus der Fusion der Siemens-Windkraftsparte mit dem spanischen Konkurrenten Gamesa. Hier verlief der Start eher holprig, der Windmarkt leidet weiterhin unter Preisdruck.
Siemens will sich künftig auf seine Wachstumsfelder konzentrieren: Kerngeschäfte werden künftig die Sparten Digital Industries sowie Smart Infrastructure sein. In den Märkten Automatisierung, industrielle Digitalisierung und intelligente Infrastruktur will Siemens deutlich zulegen und seine Stellung weiter ausbauen. Flankiert werden sie von der börsennotierten Mehrheitsbeteiligung Siemens Healthineers sowie der Bahntechnik, welches als Wachstumsgeschäft ebenfalls gestärkt werden soll.
Nach der gescheiterten Fusion mit dem französischen Bahnkonzern Alstom prüft Siemens dennoch verschiedene Optionen für das Mobility getaufte Geschäft. Es gebe jedoch keine Eile, eine Entscheidung zu treffen, sagte Kaeser. Früheren Aussagen zufolge ist ein Börsengang eine Erwägung.
Die jetzt gefällte strategische Neuausrichtung ist Teil des Programms "2020+", welches Siemens in Grundzügen bereits im vergangenen Sommer vorgelegt hatte und mit dem der Konzern Wachstum und Profitabilität ankurbeln will. Siemens wolle "proaktiv agieren, bevor wir reagieren müssen", so Kaeser. Mittelfristig sollen die jährliche Wachstumsrate des Umsatzes und die Gewinnmarge des Industriellen Geschäfts um jeweils zwei Prozentpunkte steigen. Das Ergebnis je Aktie soll mittelfristig stärker wachsen als der Umsatz. Langfristig soll die Gewinnmarge des Industriellen Kerngeschäfts 14 bis 18 Prozent erreichen.
Dazu will Siemens Kosten sparen. Wie bereits angekündigt, sollen zentrale Konzernfunktionen wie die Verwaltung dezentralisiert und schlanker aufgestellt werden. Dies bedeutet einen Abbau von rund 2500 der insgesamt etwa 12.500 Arbeitsplätze in diesen Zentralfunktionen bis 2023, wie Siemens weiter mitteilte. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten bezifferte Siemens auf 400 Millionen Euro, die Aufwendungen für das Effizienzprogramm insgesamt sollen bei rund 1 Milliarde Euro liegen. Bis 2023 will der Konzern durch Effizienzsteigerungen die Kosten um rund 2,2 Milliarden Euro senken. Das bereits bekannte Sparprogramm in der Kraftwerkssparte von 500 Millionen Euro ist darin bereits enthalten.
Insgesamt sollen damit 10 400 Stellen in Verwaltung, Digital Industries und bei Smart Infrastructure abgebaut werden. Gleichzeitig plant Siemens jedoch die Schaffung von 20 500 neuen Stellen.
MÜNCHEN (dpa-AFX)
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