Vermögensverwalter-Kolumne

Treiben Unternehmensgewinne die Börsenkurse?

15.02.16 09:12 Uhr

Treiben Unternehmensgewinne die Börsenkurse? | finanzen.net

Die Zeiten an den Märkten haben sich gewandelt: Manch ein Kapitalmarktteilnehmer hat sich in den letzten Jahren gefragt, ob Fundamentalanalyse ein Relikt der Vergangenheit sei und Aktienkurse vorrangig von "Stories" bzw. langfristigen, perspektivischen Erwartungen getrieben werden.

Man erinnere sich an die schwächelnde Kursentwicklung des profitabelsten Unternehmens der Welt, Apple, im Vergleich zur exorbitanten Börsenbewertung ertragsschwacher Unternehmen des Technologiesektors, wie zum Beispiel Netflix oder Amazon. Klar ist aber auch, dass Unternehmensgewinne langfristig einen relevanten Faktor für die Aktienmärkte darstellen, der letztendlich auch zur Korrektur von Über- oder Untertreibungen führen wird. Dieser Zusammenhang wird häufig von sogenannten Value- Investoren genutzt. Folglich ist es immer ratsam, die Entwicklung der Unternehmensergebnisse auf Gesamtmarktebene nach makroökonomischen Trends und neuen Entwicklungen zu durchleuchten, auch wenn Ereignisse auf der Mikro- bzw. Einzelunternehmensebene für Entwicklungen einzelner Aktien wichtiger erscheinen.

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Nachdem nun ca. 70 Prozent der Unternehmen des S&P 500 Index in den USA Zahlen für das 4. Quartal 2015 berichtet haben, lässt sich festhalten, dass auf Quartalsbasis sowohl Umsatz mit -4,2 Prozent als auch Gewinne mit minus 5,8 Prozent zurückgehen. Insbesondere im Energiesektor fallen die Umsätze dramatisch um 33,6 Prozent und die Gewinne sogar um 73,2 Prozent. Auch im Bereich der Versorger sowie in der Grundstoffindustrie beobachten wir zweistellige Umsatzrückgänge. Offenkundig überkompensiert hier der negative Effekt aus sinkender globaler Nachfrage bereits den positiven Effekt aus niedrigeren Energiekosten. Jedoch gilt dieser negative Trend nicht für alle Sektoren: So zeigen der Gesundheitssektor oder auch die konsumorientierten Branchen Ertrags- und teilweise auch Umsatzwachstum. Im Vergleich zu den Schätzungen der Analysten lässt sich aber konstatieren, dass die Ertragserwartungen im 4. Quartal im Schnitt um 4,3 Prozent übertroffen, die Umsatzziele allerdings leicht verfehlt wurden.

Für den europäischen Markt fällt die Betrachtung negativer aus: Während hierzulande die Gewinne sogar um 14,1 Prozent zurückgehen, fällt der Umsatz um 10,2 Prozent. Wenig überraschend ist, dass die Sektoranalyse tendenziell ähnlich wie in den USA ausfällt, jedoch sind hier insbesondere zwei Branchen auffällig: Sowohl der Telekomsektor als auch der Bankensektor schneiden mit Ergebnisrückgängen von 36,1 und 22,9 Prozent deutlicher schwächer als ihre amerikanischen Konkurrenten ab. Neutral formuliert mag hier der unterschiedliche Grad der Regulierung in den USA und auf dem alten Kontinent wirken, aber auch die stärkere Position amerikanischer Banken im Geschäft mit Unternehmensübernahmen fördert die Divergenz im Finanzsektor. Überraschend war diese Entwicklung wohl auch für die Aktienanalysten, denn die Ertragsschätzungen wurden um 10,6 Prozent verfehlt.

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Wiederum zeigt ein Blick auf den US-amerikanischen Aktienmarkt, gemessen am S&P 500 Index, dass dort die Unternehmensgewinne je Aktie bereits im 3. Quartal 2014 ihren Höchststand erreicht hatten. In den darauffolgenden vier Quartalen sind die Gewinne pro Aktie um 14 Prozent gefallen. Ein Rückgang dieses Ausmaßes gab es in den letzten 25 Jahren genau vier Mal, in der Regel in Zusammenhang mit einem zweistelligen Rückgang des Aktienmarktes, zuletzt in der Finanzkrise von 2008/2009. Durch diesen Gewinnrückgang sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse in 2015 entsprechend angestiegen, die Aktien sind also "teurer" geworden. Die Baisse seit Dezember 2015 hat dies zum Teil korrigiert. Der rohstoffgetriebene Teil dieses Gewinnrückgangs wird sich im Zeitablauf wieder egalisieren können, wenn Angebot und Nachfrage am Ölmarkt zu einem neuen, stabilen Gleichgewichtspreis geführt haben.

Für die längerfristige Gewinnentwicklung des Gesamtmarktes spielen allerdings weitere, zentrale Faktoren eine Rolle: Die Entwicklung des Dollarkurses, die konjunkturelle Entwicklung in den USA oder auch die sozioökonomische Frage, ob Unternehmensgewinne im nächsten Zyklus nicht auch durch eine überfällige Reduzierung der Gewinnquote bei der Einkommensverteilung zugunsten der Lohnquote beeinflusst werden. Im Angesicht diverser globaler Krisen, wirtschaftlich wie sozial, ist es auch nicht ausgeschlossen, dass zukünftig höhere Steuern und Abgaben zu einer entsprechenden Gewinnreduzierung beitragen. Immerhin sprechen mittlerweile Bewertungsmaßstäbe, wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis im historischen Vergleich, oder auch der Vergleich von Aktienrisikoprämien mit den Renditen am Anleihenmarkt, wieder stärker für die Aktie.

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Von Carsten Vennemann, Geschäftsführer Gauly | Dittrich | van de Weyer Asset Management GmbH in Frankfurt am Main

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