Steht die nächste Staatsschuldenkrise vor der Tür?
Seit Monaten werden die Auswirkungen der Euro-Schuldenkrise und die Maßnahmen zur Lösung weltweit...
... sehr genau beobachtet und unterschiedlich kommentiert. Lange Zeit galt die Euro-Schuldenkrise als Hauptrisiko, dass die globale Wirtschaft aus der aktuellen Wachstumsabschwächung vielleicht doch noch in eine Rezession fallen wird.
Von Gregor Müller, Leiter Portfoliomanagement der NOVETHOS Financial Partners GmbH
Die üppige Liquidität der Zentralbanken und die Aussage der EZB, alles gegen ein Auseinanderbrechen der Eurozone tun zu wollen, haben in den letzten Monaten zu einer liquiditätsgetriebenen Erleichterungsrally geführt. Aktien, Rohstoffe und Gold konnten deutlich aufwerten.
Immer mehr tritt jedoch ein allseits bekanntes, aber bisher wenig beachtetes Problem in den Blick der Investoren: Die Probleme der US-Haushaltspolitik und das „Fiscal Cliff“.
Die Gesamtverschuldung in den USA hat im August dieses Jahres erstmals die Schwelle von 16 Billionen US-Dollar überschritten und sie wächst ungebremst weiter. Allein in diesem Jahr ist die Staatsverschuldung in den USA um über 1 Billionen US-Dollar angestiegen Sie beträgt nun über 100 Prozent des Sozialproduktes und damit mehr als der Durchschnitt der Eurozone. In den vergangenen 4 Jahren ist die Staatsschuld der USA um rund die Hälfte gewachsen, während sie in der Eurozone „nur“ um ein Drittel angestiegen ist.
Bereits im August 2011 hatte der Streit um die Anhebung der Schuldengrenze zur Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur Standard & Poors geführt – mit der Folge von deutlichen Verwerfungen an den Kapitalmärkten geführt und einer Verstärkung der Abwärtsbewegung an den Kapitalmärkten.
Nun ist es wieder soweit: Die aktuelle Verschuldung ist nur noch knapp 250Mrd US-Dollar von der maximalen Schuldengrenze entfernt und ein Erreichen dieses Limits wird bereits Ende des Jahres erwartet. Zudem droht weiteres Ungemach: Die Verhandlungen zu einem langfristigen Programm zur Haushaltskonsolidierung sind im Herbst letzten Jahres gescheitert und damit greifen ab 2013 automatische Ausgabenkürzungen, sollten bis dahin keine entscheidenden Fortschritte gemacht werden. Die Kürzungen umfassen vor allem das Auslaufen von Steuersenkungen und das Ende von befristeten Entlastungen. Insgesamt summieren sich diese Maßnahmen auf ca. 500 Mrd. US-Dollar, was etwa 4 Prozent der US-Wirtschaftsleistung ausmacht.
Kurz vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen am 6. November wird die politische Auseinandersetzung immer schärfer geführt und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die notwendigen umfassenden Gesetzesänderungen rechtzeitig vorgenommen werden. Es wird allerdings damit gerechnet, dass im Hinblick auf die enormen Konjunkturrisiken beide Parteien sich zusammen raufen und einige Kompromisse eingehen werden, um die fiskalische Klippe zu umgehen. Damit dürfte das Extremszenario einer tiefen Rezession in den USA mit weiteren Auswirkungen auf die globale Wirtschaft ausbleiben. Dennoch ist kurzfristig mit zusätzlichen Bremseffekten auf die Konjunktur zu rechnen und die US-Wirtschaft wird in den nächsten Jahren eher unterdurchschnittlich wachsen.
Das grundsätzliche Problem der hohen Staatsverschuldung wird damit indes nicht gelöst. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Kreditwürdigkeit der USA von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen erneut hinterfragt wird.
Die üppige Liquiditätsversorgung der Zentralbanken und das künstlich niedrig gehaltene Zinsniveau von Staatsanleihen können in der aktuellen Situation nur flankierend wirken und einige Symptome lindern. Längerfristig wirksame Lösungen zur Eindämmung der Staatsschulden können jedoch nur durch gemeinsame Anstrengungen aller politischen Lager, und zwar diesseits und jenseits des Atlantiks, gefunden werden. Die Eurozone ist in ihren aktuellen Konsolidierungsplänen im Vergleich zu den USA vorbildlich. Die politischen Parteien in den USA müssen endlich beherzt die eigenen Probleme anpacken, anstatt mit dem ausgestreckten Finger auf die Eurozone zu zeigen. Von einer Hand mit ausgestrecktem Finger zeigt einer auf den anderen, aber drei Finger zeigen auf einen selbst.
Was bedeutet dies für den Investor?
Das aktuell niedrige Zinsniveau für Staatsanleihen, das abzüglich der Inflationsrate zu einem realen Kapitalverlust führt, wird auch als „finanzielle Repression“ genannt – ein Mittel der Staaten zur „Schuldentilgung durch die Hintertür“. Nach einer Untersuchung der französischen Investmentbank Natixis hat diese „Repression“ den USA in diesem Jahr 390 Mrd. US-Dollar gespart, Deutschland ca. 36 Mrd. US-Dollar. Berechnet wurden dabei die Unterschiede des aktuellen Zinsniveaus zu einem „normalen“ Zinsniveau.
Um diese finanzielle Repression zu vermeiden, muss der Investor Alternativen suchen. Die findet er vor allem im Aktienmarkt, der zusätzlich als klassische Sachwertanlage einen möglichen Schutz vor zukünftiger Inflation bietet. Global aufgestellte Unternehmen mit einer guten Marktstellung in den Schwellenländern, eine attraktive Dividendenpolitik sowie eine gute Preisdurchsetzungsmacht sollten in den nächsten Jahren deutlich bessere Erträge liefern als festverzinsliche Anlagen. Auch Investments in physischem Gold haben in den letzten Wochen von diesem Trend profitiert und die Bestände von physisch hinterlegten Anlageprodukten auf Gold auf neue Rekordstände getrieben.
Auch wenn die Aktienmärkte kurzfristig aufgrund der konjunkturellen Situation sehr schwankungsanfällig sind – die Welt dreht sich weiter. Sie verändert sich, die Gewichte verschieben sich, aber sie wird nicht aus den Angeln gehoben. Die Weltbevölkerung muss essen und trinken, gesundheitlich versorgt werden und Infrastruktur muss geschaffen werden. Wer intelligent in diese Trends investiert und einen längerfristigen Investitionshorizont hat, kann damit die finanzielle Repression vermeiden und einen realen Vermögenszuwachs erzielen.
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