Schottland vor der Entscheidung: Lasst es uns jetzt tun!
In zwei Wochen stimmen die Schotten ab, ob sie von den Briten unabhängig werden wollen. Die Frage spaltet das Land, in der Wirtschaft und der Finanzbranche stellt man sich auf unsichere Zeiten ein.
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von Andreas Höß, Euro am Sonntag
Geht es um Freiheit, ist Pathos vonnöten. "Das ist unsere Zeit, unser Moment. Lasst es uns jetzt tun." Ein Satz, der von Schottlands Freiheitsheld William Wallace stammen könnte, der im Kinoepos "Braveheart" mit blau-weiß bemaltem Gesicht die Schotten hinter sich sammelte und die Unabhängigkeit von England erkämpfte. Doch der Appell stammt nicht von Wallace.
Er kommt von Schottlands Regierungschef Alex Salmond von der Scottish National Party (SNP). Und geäußert wurde er nicht im 13. Jahrhundert vor einem waffenstarrenden, aber unentschiedenen Heer, sondern am vergangenen Montag beim zweiten und letzten Fernsehduell vor dem Referendum über Schottlands Unabhängigkeit von den Briten.
In knapp drei Wochen, am 18. September, stellt sich heraus, ob Schottland sich von Großbritannien lösen will. Die Entscheidung fällt an der Wahlurne, nicht auf dem Schlachtfeld. Hitzig geht es trotzdem zu. Das Land ist in Gegner und Unterstützer der Kampagne gespalten. Letztere haben schon vor dem zweiten Fernsehduell Zulauf bekommen, in dem Salmond Sympathien sammelte. Dem Kopf der Abspaltungsbewegung bescheinigten Beobachter die rhetorische Wucht einer Atombombe. Über Alistair Darling, britischer Ex-Finanzminister und Gesicht der Gegner, sagt man dagegen, seine Worte seien wie Pudding.
Das Geld entscheidet
Den jüngsten Umfragen zufolge will jeder vierte Schotte für die Unabhängigkeit stimmen. Jeder fünfte ist dagegen. Der Rest ist noch unentschieden. Das Verhältnis sah für die Gegner des Referendums schon besser aus. Es wird also eine knappe Entscheidung. Neben Bauchgefühl und Nationalstolz spielen dabei vor allem monetäre Aspekte eine Rolle.
Ein unabhängiges Schottland wäre reicher als der Rest Großbritanniens, propagiert die Kampagne "Yes Scottland", die für den Alleingang wirbt - und trifft damit den Nerv. Mehr als die Hälfte der Schotten würde für die Unabhängigkeit stimmen, falls sie 500 Pfund im Jahr mehr in der Tasche hätten, ergab eine Umfrage von ScotCen Social Research. Auch in London und Edinburgh hat man erkannt, wie stark das Geld die Debatte prägt. Längst ist ein Krieg der Zahlen entbrannt. Jeder Bürger werde 1.000 Pfund im Jahr mehr haben, verspricht die schottische Regierung. Völlig falsch, entgegnet das britische Schatzamt. Es seien 1.400 weniger.
Die Wahrheit ist schwer zu ermitteln. Zum einen fallen Übergangskosten an, sollte der 307 Jahre alte Verbund aufgelöst werden. Die Schätzungen dafür liegen zwischen 200 Millionen und 2,7 Milliarden Pfund. Zum anderen könnte eine Grenze zu England den regen Handel mit dem Nachbarn beeinträchtigen. Würde dies nicht durch eine engere Anbindung an die EU kompensiert, könnte die Wirtschaftsleistung (BIP) um 5,5 Prozent einbrechen, hat der Ökonom David Comerford von der University of Stirling errechnet.
Unklar ist auch, wie hoch die Einnahmen durch das vor der Küste lagernde Öl und Gas wären. Spräche man es Schottland zu, wäre das unabhängige Land mit 229 Milliarden Pfund BIP pro Jahr auf Platz 46 der größten Wirtschaftsnationen der Welt - hinter Griechenland, aber vor Irland. Blieben die Reserven bei Großbritannien, läge das BIP bei 192 Milliarden, was der Wirtschaftskraft Rumäniens entspricht. Die Wirtschaftsleistung pro Schotte wäre mit 43.500 oder 36.000 Pfund entweder deutlich größer oder geringer als der britische Schnitt.
Solche Rechnungen sind aber mit Vorsicht zu genießen. Kritiker monieren, die Ölreserven seien kleiner als angenommen. Das hätte große Auswirkungen auf die Staatskasse, das Gesundheitssystem oder die Rentenkassen in der rapide alternden schottischen Gesellschaft. Über allem schwebt zudem die Frage: Welches Geld hätten die Schotten?
Auf diesen Punkt hatte Abspaltungsgegner Darling seinen Kontrahenten Salmond beim ersten Fernsehduell erfolgreich festgenagelt. SNP-Chef Salmond will das Pfund behalten, die Regierung in London und die Bank of England lehnen das ab. Bleiben drei Alternativen: eine eigene, aber wohl schwankungsanfälligere Währung, ein an das Pfund oder den Euro gekoppeltes Geld oder der Wechsel in die Eurozone, dem eine Aufnahme des nun neuen Staates in die EU vorangehen müsste.
Ein problematisches und langwieriges Unterfangen, warnt Sabine Riedel von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Jedes EU-Land müsste dem zustimmen, egal ob ein neuer schottischer Staat in der EU bleiben will oder neu aufgenommen werden muss. Das Problem: In Spanien, Italien oder Frankreich gibt es ebenfalls starke Unabhängigkeitsbewegungen, die übrigens gut mit der SNP vernetzt sind. Katalonien will im November über eine Loslösung von Spanien abstimmen. "Mit Blick auf die Lage im eigenen Land wird man den Schotten die Aufnahme in die EU oder sogar die Eurozone sicher nicht leicht machen", glaubt die Politikprofessorin deshalb.
Abstimmung mit den Füßen
Viele Unwägbarkeiten also, die in der Wirtschaft die Alarmglocken schrillen lassen. Erst am Mittwoch warnten die Chefs von 130 großen schottischen Unternehmen in einem offenen Brief vor negativen Folgen des Neubeginns. Es gebe keinen "business case" für die Unabhängigkeit, heißt es dort.
Unterzeichnet haben das Schreiben etwa die Chefs der Weir Group und von Aggreko. Sie gehören zu den größten Börsenkonzernen Schottlands (siehe Investor-Info). Ihre Aktien sind in London gelistet, einer der größten und liquidesten Börsen der Welt.
Auch Schottland könnte künftig eine eigene Börse haben. Diese wäre aber deutlich kleiner. Einer Studie von Walbrook Economics und der London Business School zufolge läge sie weltweit auf Rang 28. Und das nur, wenn alle Konzerne bleiben. Danach sieht es aber nicht aus. Schottische Medien berichten, dass 36 Prozent der Unternehmen überlegen, das Land nach einem positiven Votum zu verlassen.
Die Skepsis spürt man selbst in der in politischen Fragen traditionell zurückhaltenden Finanzbranche. Sie trägt sieben Milliarden Pfund zum schottischen BIP bei und ist mit 200.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber des Landes. Ein Positionspapier des Branchenverbands SFE befürchtet im Falle der Unabhängigkeit "größere Kosten und mehr Komplexität". Man beobachte die Lage "sehr genau", hieß es auf Anfrage bei Aberdeen, dem größten börsennotierten Vermögensverwalter. Der Versicherer Standard Life hat jüngst sogar mehr oder weniger offen mit dem Wegzug gedroht. Klar ist die Lage auch bei der Royal Bank of Scotland. Sie wurde in der Finanzkrise mit britischen Steuergeldern vor der Pleite gerettet. Nun besitzt der britische Staat 80 Prozent der Bank, deren Bilanzsumme um ein Vielfaches höher ist als das schottische BIP. Sollten England und Schottland getrennte Wege gehen, müsste die Bank relativ sicher nach London umsiedeln. Aus der Royal Bank of Scotland würde die Royal Bank of Britain.
Investor-Info
Schottische Fondsanbieter
Es ändert sich wohl wenig
Schottland hat eine lange Tradition im Fondsgeschäft: Im Jahr 1860 wurde hier die Scottish American Investment Company gegründet. Vor allem in Edinburgh sitzen viele Fondsanbieter - Schottlands Hauptstadt ist nach London der zweitgrößte Finanzplatz Großbritanniens. Deutschen Anlegern sind
besonders Aberdeen Asset Management und Standard Life Investments (eine Tochter des Versicherers) bekannt. Milliardenschwere Produkte wie der Mischfonds GARS (ISIN: LU 054 815 310 4) von Standard Life finden sich auch in vielen deutschen Depots. Doch was passiert mit ihnen, falls Schottland unabhängig wird? Von Schottlands Fondsgesellschaften kamen auf Nachfrage von €uro am Sonntag nur schwammige Antworten. Nach einem Votum für die Abspaltung will die Regierung bis März 2016 die Rahmenbedingungen für den Wechsel nennen. Man habe also 18 Monate Übergangsfrist, sagte ein Sprecher von Aberdeen Asset Management. Schon heute betreibe der Konzern Filialen in Schottland, London und anderen Orten der Welt. Das werde auch so bleiben. Zudem seien die Fonds nach Luxemburger Recht und nicht nach schottischem aufgelegt. Bei Standard Life Investments fiel die Antwort noch kürzer aus: "Unser oberstes Ziel bleibt, die Belange unserer Kunden
zu schützen."
Schottische Konzerne
Groß und global aufgestellt
Im Jahr 1973 fusionierte die schottische Börse mit der London Stock Exchange. Deshalb sind die großen schottischen Konzerne in London notiert. Rechnet man etwa in Staatsbesitz befindliche Aktien
heraus und betrachtet nur den handelbaren Streubesitz, ist der Versorger SSE der größte schottische Börsenkonzern, gefolgt vom Versicherer Standard Life. Viele Firmen sind global tätig. Der Industriekonzern Weir Group macht beispielsweise 96 Prozent seines Umsatzes außerhalb Großbritanniens. Die Debatte um die Unabhängigkeit hat die Aktienkurse der Unternehmen bisher kaum belastet.
Großbritannien
Börsenturbulenzen möglich
Sollte sich Schottland von Großbritannien abspalten wollen, wäre auch für die Briten die Unsicherheit enorm. Wie groß sind die wirtschaftlichen und rechtlichen Probleme? Was passiert mit dem Nordseeöl? Wollen auch Nordiren und Waliser unabhängig werden? Beim Pfund und am Aktienmarkt könnte das Turbulenzen auslösen, wovon ein Short-ETF auf den Leitindex FTSE 100 (ISIN: LU 032 847 358 1) profitieren würde. Doch die Wette ist sehr gewagt. Selbst ein "Ja" muss nicht zwingend zu einem Crash führen. Auch weil Schottland erst die Details zum Austritt klären müsste und mindestens bis März 2016 ein Teil des Vereinigten Königreichs bliebe.
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