Eurokrise - Rückkehr nur eine Frage der Zeit

Fast könnte man meinen, die "Alternative für Deutschland" wäre bei den beiden Landtagswahlen am Wochenende deshalb...
... auf zweistellige Ergebnisse gekommen, da sich die Menschen jetzt schon wieder Sorgen über den fallenden Euro und eine Rückkehr der Eurokrise machen. Ein kleiner Teil der Wähler wird die Partei auch deswegen gewählt haben, in Brandenburg und Thüringen aber punkteten die eigentlichen Euro-Kritiker wohl eher mit den Themen Ausländerpolitik und Innere Sicherheit und der Rest wählte sie einfach aus Protest und Mangel an wirklichen Alternativen in den anderen Parteien. Nicht vorstellbar, welchen Erfolg die AfD erzielt hätte, würde man aktuell so über ein mögliches Auseinanderbrechen der Eurozone und notwendige Geldtransfers in Richtung Italien, Spanien und Griechenland diskutieren wie noch vor zwei Jahren.
Von einer Rückkehr der Eurokrise ist aktuell nichts zu hören
Zwar befindet sich der Euro seit einigen Wochen auf Talfahrt gegenüber dem US-Dollar, aber von einer Rückkehr der Eurokrise ist weit und breit nichts zu hören. Seit der "What ever it takes" Rede von Mario Draghi im Sommer 2012 setzen die Finanzmärkte auf den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) als Retter in der Not. Gab es jahrelang den "Greenspan-Put", so bezeichnet, weil der langjährige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan stets mit billigem Geld zur Hilfe eilte, wenn es an den Finanzmärkten bebte, so gibt es nun zumindest für die Eurozone den "Draghi-Put". Im Vertrauen darauf sind die Zinsdifferenzen zwischen den ehemaligen Hartwährungsländern mit Deutschland im Kern und der Peripherie wieder extrem zusammengelaufen.
Krasse Fehlbewertung bei Peripherieanleihen
Doch es sind nicht nur die Zinsdifferenzen innerhalb der Eurozone, die sich auf einen Bruchteil reduziert haben. Das Zinsniveau insgesamt ist auf neue Tiefstände gefallen - von kurzen bis zu den ganz langen Laufzeiten. In der Folge werfen zehnjährige spanische und italienische Anleihen jetzt weniger Zinsen ab als die von US-Staatsanleihen gleicher Laufzeit. Eine krassere Fehlbewertung gibt es wohl derzeit nirgendwo anders. Mögen die extremen Zinsdifferenzen mit Zinssätzen von rund sieben Prozent für italienische Staatsanleihen auf dem Höhepunkt der Eurokrise übertrieben hoch gewesen sein, so wird nun nach unten übertrieben.
Auch ich glaube, dass die EZB am Ende für alles gerade stehen wird, doch der Weg dahin wird steinig. Noch gibt es keine Vergemeinschaftung der Schulden und einige Länder - allen voran Deutschland - stemmen sich extrem dagegen. Die EZB hat damit nicht das Mandat, mir nichts, dir nichts alle Peripherieanleihen aufzukaufen. Auch rechtlich ist dies höchst umstritten und würde das Bundesverfassungsgericht wohl erneut auf den Plan rufen. Derzeit jedenfalls ist ein Ausfall italienischer oder spanischer Staatsanleihen immer noch ein mögliches Szenario, weshalb es geradezu absurd ist, dass Anleger sich hier mit weniger Zinsen als für US-Anleihen begnügen.
Streit in der Eurozone ist vorprogrammiert
Es gibt die alte Börsenweisheit, so lange zu tanzen, bis die Musik aufhört zu spielen. Geleitet von der Euroskepsis und den nach wie vor schlechten Makrodaten wie der Rekordarbeitslosigkeit in vielen Ländern der Eurozone haben sich in den vergangenen Jahren seit der Eurokrise viele nicht getraut, in Aktien zu investieren. Satte Gewinne sind ihnen dadurch durch die Lappen gegangen. Deshalb handeln jetzt viele nach dem oben genannten Motto. Doch die Musik könnte schon bald aufhören zu spielen. Die Makrodaten in der Eurozone sind in der Tat noch immer nicht gut. Sie wächst derzeit nicht. Einer leichten Verbesserung folgt nun schon wieder Ermüdung, auch weil Deutschland als Zugpferd wegen der Russland-Sanktionen an Dynamik verliert.
Italien kommt trotz eines umtriebigen neuen Ministerpräsidenten nicht aus der Rezession, was ein Begrenzen der ohnehin hohen Staatsverschuldung unmöglich macht. In Frankreich ist die politische Elite komplett zerstritten, es fehlt daher an der Mehrheit für die dringend notwendige Reform der Sozialsysteme und der gesamten Wirtschaft. Das Spardiktat Deutschlands wird in den genannten Ländern als immer stärkeres Hemmnis und als falsche Politik bezeichnet. Auch aus Griechenland war zu hören, dass die letzten Ziele des Reformprogramms nur mit mehr Wachstum und nicht durch noch mehr Sparen zu erreichen seien. Es stößt zudem auf völliges Unverständnis, dass ausgerechnet in dieser Phase Deutschland unbedingt einen ausgeglichen Haushalt vorlegen will, anstatt seinen Nachbarn als Konjunkturlokomotive zu dienen.
Die Finanzmärkte werden wieder zuerst reagieren
Noch finden die Auseinandersetzungen hinter vorgehaltener Hand statt, doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Konflikt offen ausgetragen wird. Dann dürfte den Marktteilnehmern klar werden, dass die Risiken der Peripherieländer doch deutlich höher sind, als der Markt sie aktuell preist. Die Zinsdifferenzen werden sich dann wieder deutlich ausweiten. Erst unter dem extremen Druck der Finanzmärkte mit der akuten Gefahr des Auseinanderbrechens der Eurozone dürften dann wohl auch die Gegner einer generellen Rettungspolitik zähneknirschend zustimmen und der EZB freie Hand lassen. Druck auf die Finanzmärkte bedeutet jedoch vorherige Verwerfungen und die dürften wir dann auch in Form von fallenden Aktienkursen sehen, bevor dann doch der Draghi-Put noch greift.
Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de
Stefan Riße, ist Fondsmanager des Investmentfonds „Riße Inflation Opportunities UI“ bei der HPM Hanseatischen Portfoliomanagement in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.
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