Stefan Riße-Kolumne

Das Börsenjahr 2014 - Warum das erste Vierteljahr ruhig hochgerechnet werden darf

26.03.14 10:09 Uhr

Das Börsenjahr 2014 - Warum das erste Vierteljahr ruhig hochgerechnet werden darf | finanzen.net

Stefan Riße, HPM Hanseatische Portfoliomanagement

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Krim-Krise wird in ihren langfristigen Folgen unterschätzt
• Die Angst vor höheren Leitzinsen in den USA ist übertrieben, ...
• ... aber die schon gestiegenen Langfristrenditen sind Gift für die Börse.
• 2014 bleibt ein schwieriges Börsenjahr

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Ein knappes Vierteljahr ist vorbei und eine Zwischenbilanz fällt sehr ernüchternd aus. Wir stehen im DAX rund 200 Punkte tiefer als noch am Ende des Top-Börsenjahres 2013 mit Kursgewinnen von mehr als 25 Prozent. Was sind da also schon 200 Punkte oder gerade einmal zwei Prozent, mögen die Optimisten anmerken und auch nicht viel von einer möglichen Hochrechnung dieser Zahlen auf das Gesamtjahr halten. Es konnte ja schließlich keiner ahnen, dass der russische Präsident Putin mal ganz schnell Referenden in fremden Staaten dazu benutzen würde, ganze Halbinseln zu annektieren. Auch war nicht wirklich damit zu rechnen, dass Chinas Bäume nicht in den Himmel wachsen und nun erst einmal eine längere Durststrecke beim einstigen Motor der Weltwirtschaft droht. Aber was nach dem überbordenden Optimismus zum Jahreswechsel und den immer lauter werdenden Rufen nach der magischen 10.000 an der Börse zu erwarten war, waren fallende Notierungen. Und da war es der Börse auch ganz egal, ob nun der Konflikt um die Krim, die Wachstumssorgen in China oder jetzt die Angst vor schneller wieder steigenden Leitzinsen in den USA als Argument herhalten müssen. Da der Großteil auf eine unverminderte Fortsetzung dieser Rallye hoffte und somit auch investiert war, fanden sich einfach nicht mehr genug Käufer, die einen Schnaps vor der runden Zahl die letzten sein wollten, die auf diesem Niveau noch kaufen.

Krim-Krise wird in ihren langfristigen Folgen unterschätzt

Als sich dann der DAX Mitte März im Eiltempo unter die Marke von 9.000 Punkten bewegte, nutzten viele dann die vermeintlichen Schnäppchenpreise und beförderten den Index auch dank der Beruhigung auf der Krim auf aktuell wieder rund 9.400 Punkte. Dennoch kann gerade mit Blick auf einen drohenden Ost-West-Konflikt nach der Krim-Annexion durch Russland längst keine Entwarnung gegeben werden. Bleibt es dabei, dass sich Putin die so strategisch wichtige Schwarzmeer-Halbinsel unter den Nagel reißt und lässt er die Finger, oder besser Truppen aus dem östlich und nicht weniger als die Krim russisch geprägten Teil der Ukraine, sollten die gegenseitigen Sanktionen die Börse nicht weiter beunruhigen. Darin liegt aber gerade die Gefahr. Reagiert der Westen lediglich mit Maßnahmen, die Moskau wie bislang nur ein kühles Lächeln abringen, könnte Putin dieses als vermeintliche Schwäche deuten und die Krim nur der Anfang von sehr vielen ehemaligen Sowjetrepubliken sein. Verschärfen hingegen die Europäische Union und die USA die Sanktionen, stehen wir vor einer geopolitischen Neuordnung und landen in einer Fortsetzung des Kalten Krieges. Beide Alternativen und die damit einhergehende Unsicherheit braucht die Börse nicht und sie wird bei dem aktuell immer noch sehr hohen Optimismus jede auch noch so kleine Nachricht als Anlass nehmen, wieder den Rückwärtsgang einzulegen. Ein positives Börsenumfeld für langfristig orientierte Anleger sieht anders aus.

Die Angst vor höheren Leitzinsen in den USA ist übertrieben, ...

Ein weiteres Thema, das die Börse allerdings nicht erst seit der vergangenen Woche bewegt, aber durch die erste offizielle Rede der neuen Frau an der Spitze der mächtigsten Notenbank der Welt wieder in den Vordergrund gerückt hat, ist eine drohende Zinswende in den USA. Eines muss man dabei Frau Yellen lassen: Sollte es ein Minenfeld in der Geldpolitik geben, dieses hat sie mal so was von direkt betreten. Von wieder steigenden Leitzinsen, nachdem das Anleihekaufprogramm beendet ist, in einem Zeitraum von "sechs Monaten oder so" zu reden, war zunächst natürlich ein Schock für die Börse. Wenn man aber mal genauer hinschaut, ist es erstens nicht wirklich eine Überraschung, dass Yellen manche Dinge nicht ganz so "locker" wie ihr Vorgänger sieht. Laut der Sitzungsprotokolle der vergangenen Monate war sie es, die durchaus schon sehr früh restriktivere Töne angeschlagen hat. Und zweitens bleibt festzuhalten, dass auch Yellen wie schon Bernanke, aber auch Grenspan und alle anderen Notenbankchefs zuvor, zum jetzigen Zeitpunkt sowieso nicht genau wissen, wann und wie sie die Zinsen erhöhen müssen und werden. Alle Prognosen fußen auf Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in den USA, die von so vielem abhängt, angefangen vom schon erwähnten erfolgsverwöhnten, nun aber schwächelnden China, bis hin zu einem drohenden Ost-West-Konflikt, dessen mögliche Auswirkungen jetzt noch nicht abzuschätzen sind. Im Zweifel werden die Zinsen auch noch weitere zwei Jahre da bleiben wo sie sind, und neue quantitative Maßnahmen werden ihre Fortsetzung finden, wenn nötig.

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... aber die schon gestiegenen Langfristrenditen sind Gift für die Börse.

Was allerdings nicht wegzudiskutieren ist, sind die seit Herbst 2012 wieder anziehenden Zinsen in den USA am langen Ende. Seit Juni 2013 hat sich dieser Trend noch einmal beschleunigt. Und auch ohne Leitzinserhöhungen werden durch die Fortsetzung des Taperings, also der Reduzierung der Anleihekäufe in den kommenden Monaten, die Langfristrenditen weiter steigen. Anziehende Renditen für Staatsanleihen haben in der Vergangenheit meistens mit sechs- bis neunmonatiger Verzögerung in der Regel für fallende Aktienkurse gesorgt. Gerade die Entwicklung an den Anleihemärkten dürfte die Aktienmärkte in den kommenden Monaten sehr stark beeinflussen. Mit immer attraktiver werdenden Renditen für sichere US-Papiere werden sich die Investoren zwei Mal überlegen, ob sie sich den drohenden Risiken am Aktienmarkt gerade nach dieser Rallye aussetzen wollen. Einziges Mittel oder besser Gegenargument wäre eine dynamische Wirtschaftsentwicklung mit steigenden Unternehmensgewinnen. Von diesem positiven Umfeld für Aktien sind wir aber auch noch ein gewaltiges Stück entfernt.

2014 bleibt ein schwieriges Börsenjahr

Die anfangs erwähnten Optimisten könnten also enttäuscht werden, wenn sie glauben, dass wir uns nun im DAX ohne Verschärfung irgendwelcher Krisen wieder Richtung 10.000 auf den Weg machen. Viel wahrscheinlicher ist aktuell eine Seitwärtsbewegung, durchaus mit größeren Schwankungen, wie wir sie zu Beginn der Woche erlebt haben. Die aktuelle kurzfristige Skepsis vieler Marktteilnehmer aber auch der einschlägigen Medien bringt mich zu dem Schluss, dass zumindest in den kommenden Tagen und Wochen eine größere Abwärtsbewegung eher unwahrscheinlich ist. Vielmehr werden viele nach einer längeren Phase ohne eindeutigen Trend und damit auch eher stabilen Kursen glauben, der Markt wolle und könne nicht mehr korrigieren. Das könnte dann der Moment sein, an dem wir das erste Vierteljahr auf das Gesamtjahr hochrechnen können und auch mal 1.000 Punkte am Stück fallen können.

Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de

Stefan Riße, ist Fondsmanager des Investmentfonds "Riße Inflation Opportunities UI" bei der HPM Hanseatischen Portfoliomanagement in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch "Die Inflation kommt", belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.

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Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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