Trotz China-Schwäche stabile wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone
Einer Simulation von Standard & Poor’s Ratings Services zufolge könnten gemäßigte Wachstumsraten in China (4,4% in 2016 bzw. 3,9% in 2017) zu einer Verringerung des von Standard & Poor’s prognostizierten BIP der Eurozone um 0,8% führen - in Deutschland um 0,9%.
Angesichts der stabilen Binnennachfrage geht Standard & Poor’s dennoch von einer stetigen wirtschaftlichen Erholung in der gesamten Eurozone aus. Das QE-Programm der EZB könnte bis 2018 ausgeweitet werden und mit 2,4 Billionen Euro doppelt so teuer werden wie ursprünglich angenommen.
Italien und Spanien: Erhöhung der Wachstumsprognosen
Das Wachstum für Deutschland und Frankreich ist im September etwas zurückgegangen. Daten wie ein positiver Ifo Geschäftsklima Index, steigende Umsätze im Einzelhandel und eine deutlich zunehmende Anzahl von Pkw-Neuzulassungen - insbesondere in Spanien und Italien - deuten jedoch auf eine positive Entwicklung der europäischen Wirtschaft auf Grundlage des privaten Konsums hin.
Außerdem sieht Standard & Poor‘s Belege dafür, dass der Zustrom von Flüchtlingen, besonders in Deutschland, den Einzelhandel ankurbelt. Entsprechend hat Standard & Poor‘s die Prognosen für das BIP-Wachstum in Italien erhöht: auf 0,7% für dieses Jahr sowie 1,6% für 2016, statt des im Juni prognostizierten Wachstums von 0,5% und 1%. Auch die Prognose für Spanien für 2015 wurde erhöht: von 3,0% auf 3,2%.
Exportrückgang verringert Wachstum in Deutschland
Auf der anderen Seite haben sich die Exportaussichten für die Eurozone etwas verschlechtert. Vor allem Chinas schwächelnde Nachfrage verursacht eine Verlangsamung des Wachstums in den Schwellenländern - dieses erreicht 2015 den niedrigsten Stand seit 2001 (die Rezession 2009 ausgenommen). Wegen der schwächeren Exporte hat Standard & Poor’s die Wachstumserwartungen für Deutschland heruntergesetzt auf 1,7% für 2015 und 2,0% für 2016, gegenüber der Prognose vom Juni 2015 in Höhe von 2,0% und 2,2. Insgesamt sollten die direkten Auswirkungen der Exportschwäche auf die Eurozone jedoch eher gering ausfallen. Denn für die Eurozone als Ganzes machen Exporte nach China 1,3%, Exporte in die Schwellenmärkte etwas mehr als 7% des BIP aus.
Die größten Risiken: Schwaches Wachstum und Inflationsdynamik
Standard & Poor’s sieht zwei bedeutende Risiken für die Eurozone: Erstens könnte eine ausgeweitete Phase mit schwacher Exportnachfrage das Vertrauen beschädigen und Investitionsaussichten verringern. Jedoch sollte dies nicht zu einer neuen Rezession führen.
Ein weiteres Risiko liegt in der Inflationsdynamik. Eine zu starke Aufwertung des Euro-Wechselkurses würde den Anstieg der Verbraucherpreisinflation verzögern. Eine rasche Erholung der Rohstoffpreise wird es nicht geben, aber nach Ansicht von Standard & Poor’s liegt der stärkste Rückgang hinter uns. Die Inflationserwartung in der Eurozone dürfte daher steigen. Doch so lange die Inflation so niedrig ist wie im Moment, besteht ein erhebliches Deflationsrisiko.
Von Jean-Michel Six, Chief Economist bei Standard & Poor’s Ratings Services in Paris
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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