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Niedrige Strompreise und regulatorische Risiken trüben die Aussichten für Versorger

15.03.16 09:40 Uhr

Niedrige Strompreise und regulatorische Risiken trüben die Aussichten für Versorger | finanzen.net

An den europäischen Strombörsen sind die Preise in diesem Jahr stärker als erwartet gesunken.

Dies wurde ausgelöst durch niedrigere Rohstoffpreise, vor allem für Gas und Kohle. Dieser Rückgang ist ein Zeichen für die strukturellen Veränderungen und den immer größeren Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage. Von einer wesentlichen Erholung der Preise für fossile Energieträger, die derzeit ausschlaggebend für die Strompreisentwicklung in Europa sind, gehen wir vorläufig nicht aus.

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Die Erträge der integrierten Versorger in Europa werden in den nächsten drei Jahren vermutlich unter unseren Projektionen liegen, und auch ihr Geschäftsrisikoprofil könnte sich weiter verschlechtern. Da die Unternehmen ihre Erträge aus der Stromproduktion durch Hedging der Preise für 2016 weitgehend abgesichert haben, erwarten wir zunächst keine wesentlich niedrigeren EBITDA (Erträge vor Zinsen, Steuern, Abschreibung auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände) oder operative Cash Flows. Allerdings wird sich dieses Bild dann 2017 voraussichtlich ändern, wenn typischerweise nur noch 20-60 Prozent der Stromproducktion abgesichert sind.

Quelle: Standard & Poor’s RatingsDirect, 18. Februar 2016

Überkapazitäten, rückläufige Preise für fossile Brennstoffe und entsprechend niedrige Strompreise stellen aus unserer Sicht die strukturellen Herausforderungen dar, die zu einem höheren operativen Risiko unregulierter integrierter Strom- und Gasversorger in Europa führen. Hinzu kommen der Druck zu weiteren Änderungen im Business Mix, vor allem bei Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf Stromerzeugung mit entsprechend hohem Kapitalbedarf, und die mit einer Umstellung der Geschäftsausrichtung verbundenen Transformationsrisiken.

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Allerdings sehen wir, dass einige Unternehmen bereits Maßnahmen ergriffen haben, um den Anteil der konventionellen Stromproduktion, die abhängig von volatilen Grosshandelspreisen ist, zu reduzieren. Im Gegenzug erhöht sich der Anteil der Stromproduktion mit vertraglich festgelegter Abnahme oder subventionierter Erzeugung etwa für erneuerbare Energien, die stabilere Cash Flows generieren.

Die für den 29. Februar angesetzte Entscheidung der Regierungskommission für die Finanzierung der Atommüll-Entsorgung wurde bis voraussichtlich April verschoben. Damit bleibt weiter unklar, ob es eine Änderung bezüglich der Finanzierung der Folgekosten der Atomenergie gibt. Die ausstehende Kommissionsentscheidung könnte Auswirkungen auf Liquidität und Kreditkennzahlen und damit möglicherweise auch auf die Kreditqualität von deutschen Stromversorgern haben.

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Diese Entwicklungen und Risiken werden im Rahmen der jüngsten Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Versorgern durch Standard & Poor’s reflektiert. Aus dem Ratinguniversum von 21 Versorgern sind derzeit 10 Unternehmen oder Töchter auf der Beobachtungsliste mit negativem Vorzeichen, bei den Ausblicken für vier weitere Unternehmen wurde der Daumen gesenkt. Bestätigt wurde das Rating und Ausblick lediglich bei sieben Unternehmen.

Von Pierre Georges und Tobias Büchler, Kreditanalysten bei Standard & Poor’s Ratings Services in Paris und Frankfurt.

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit über 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



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Bildquellen: Jeff Chevrier/Istockphoto