Trichet bringt es auf den Punkt
Die Misere im Europäischen Wirtschaftsraum scheint kein Ende zu finden.
Denn auch diese Woche sind Banken wieder in den Vordergrund der Krise gerückt.
Die französischbelgische Großbank Dexia musste letztendlich verstaatlicht werden. Dafür musste Belgien allein vier Milliarden Euro aufbringen. Zudem stellen Frankreich, Luxembourg und Belgien 90 Milliarden Euro als zusätzliche Garantie bereit.
Veröffentlichungen von Goldman Sachs und der Ratingagentur Fitch brachten weiteren Abwärtsdruck in die europäische Bankenwelt. Zu Beginn des Monats senkte die Deutsche Bank die Gewinnprognose für das nächste Quartal. Dies war unter anderem der Grund, warum Goldman Sachs das Kursziel von 50 auf 39 Euro senken musste. Zudem wurde die Handelsempfehlung für die Commerzbank von „buy“ auf „neutral“ geändert. Neben den Krisenstaaten rücken die Banken immer mehr in den Mittelpunkt.
Die Ratingagentur Fitch hat derzeit Geldhäuser wie die Deutsche Bank, Morgan Stanley oder Goldman Sachs auf dem Radar. Sollte sich ihre Lage in den nächsten Wochen verschlechtern droht die Ratingagentur mit einer Herabstufung. Die Situation um die Bankenwelt Europas wird immer kritischer und der Druck immer größer. Niemand weiß, wie lange die Schulden Griechenlands noch getragen werden können und wann der Schuldenschnitt kommen wird.
Erste Rettungsvorschläge gibt es bereits: Europäische Banken sollen mit mehr Eigenkapital ausgestattet werden. Ob freiwillig oder gezwungen, wird sich spätestens in einigen Wochen zeigen.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet brachte es diese Woche auf den Punkt. Den weltweiten Finanzmärkten droht derzeit ein Lehman II. Dieses Mal sei nicht nur der Euro gefährdet, sondern die gesamte Stabilität des Euro- Raums, so Trichet. Das Problem an der ganzen Sache ist: es wird viel geredet, aber wenig gehandelt.
Sollte der Schuldenschnitt früher als erwartet kommen, werden Banken enorme Abschreibungen realisieren müssen. Europäische Staaten versuchen die derzeit gefährdeten europäischen Banken zu rekapitalisieren. Dabei erhalten die unter Druck stehenden Banken staatliche Hilfsmittel und sind zumindest für das Worst-Case-Szenario gewappnet.
Eine Alternative zur Rekapitalisierung wäre die Verringerung der risikogewichteten Aktiva. Allerdings nimmt dies mehr Zeit in Anspruch und erfordert, wenn auch nur geringfügig, frisches Eigenkapital. Sollten die Staaten keine schnelle Lösung finden, müssen wir mit einer erneuten Bankenkrise rechnen.
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter: www.rohstoff-trader.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.