Komm zurück, lieber Privatinvestor!
Privatinvestoren ziehen sich in Scharen vom Aktienmarkt zurück.
Wenn Sie keine Gefährten finden, dann alleine. Wenn es so weitergeht, werden bald nur noch institutionelle Investoren da sein. Und die können sich dann mit sich selbst beschäftigen.
Sie müssen kein Aktienmarktexperte sein, um die Ursachen zu identifizieren. Der Aktienmarkt spielt verrückt. Seitdem die Deutschen Aktien entdeckten, also Ende der 90er Jahre, stieg der DAX auf sein Allzeithoch, fiel auf fast 2000 Punkte zurück, stieg wieder auf über 8000. Dann kam die Finanzkrise. Seit März 2009 ist der Markt dann wieder gestiegen.
An einem Tag geht der Markt ein kleines bisschen nach oben. Am nächsten – rumms – kracht alles wieder runter, weil irgendjemand in Ungarn gefurzt hat oder in China ein Sack Reis umfiel. Die Analysten und Ökonomen versuchen, einen Konsens darüber zu finden, was die Ursache ist. Das gelingt ihnen – was der Natur ihres Berufes und Geisteszustandes entspricht – natürlich nicht.
Aber es ist nicht alles verloren. Stanley Bing von der Zeitschrift Fortune, dessen Beobachtungen ich hier wiedergebe, hat verschiedene Ratschläge für die Finanzbranche ausgearbeitet, wie man die Privatinvestoren zurückholt:
1. Die gläserne Wall-Street-Fabrik schafft Vertrauen. Wall Street sollte Besuchsprogramme einführen, in denen Investoren vorbeikommen und beobachten können, wie ihr hart verdientes Geld in verbriefte und windige Produkte transformiert wird, von denen tausende Banker leben können.
2. Beeindruckende Gebäude bauen. Wer in der Nähe einer Börse steht, kann nicht umhin, beeindruckt zu sein. Das wäre ein guter Moment, nach dem Geld der Privatinvestoren zu fragen.
3. Psychotherapie für diejenigen, die ihren Glauben verloren haben.
4. Nachrichten zensieren, insbesondere die der Nachrichtensender. Es ist sehr schwer, das Vertrauen in die Finanzbranche zu behalten, wenn man jeden Tag – nein, jede Stunde – Beispiele von Gier, Dummheit, Aufgeblasenheit, Hysterie und allen anderen schlechten menschlichen Eigenschaften sieht.
5. Marketing – funktioniert auch für alle anderen Produkte, die Sie nicht benötigen.
6. Ein Punkteprogramm für eifrige Trader und Aktienkäufer einrichten. (Die Telekom wird nie wieder 100 Euro erreichen, aber Sie haben gerade ein Abendessen im Restaurant gewonnen.) Wie in Las Vegas könnten die Prämien nach der Höhe Ihrer Verluste gestaffelt werden, damit Sie dabei bleiben.
7. Hören Sie endlich auf, mein Geld zu verlieren! Das stimmt. Hören Sie zu? Ich bin es, der kleine Privatinvestor! Ich habe Geld verloren, als ich Tech-Aktien kaufte. Ich habe Geld verloren, als ich Zertifikate kaufte. Ich habe Geld verloren, als ich Qualitätsaktien kaufte. Ich habe Geld mit Argentinien-Anleihen verloren. Ich habe Geld mit ETFs verloren. Wissen Sie, was ich will? ICH WILL MEIN GELD ZURÜCK! Geben Sie uns das Geld zurück, das wir in den letzten 15 Jahren verloren haben, als Sie sich alle dumm und dämlich verdienten. Dann kommen wir alle zurück, ehe Sie bis drei zählen können!
Bis dahin spielen wir Roulette. Da kennen wir wenigstens die Wahrscheinlichkeit, mit der wir verlieren.
Lieber Stanley Bing, das musste mal gesagt werden.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH i.G. übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.