Ich habe keine Kristallkugel
Vor kurzem las ich das Buch „The most important thing“ von Howard Marks.
Marks ist seit über 30 Jahren im Geschäft, managt mit seiner Firma Oaktree Capital 80 Milliarden Dollar und profitierte von der Subprime-Krise, weil sein Unternehmen schon seit 2005 aus den Märkten gegangen ist und massiv Liquidität hatte.
Das Buch liest sich sehr einfach. Es kommen kaum Zahlen vor. Und dennoch hat es für den erfahrenen Investor eine sehr tiefe Weisheit zu bieten. Ein Value Investor benötigt nach Marks vor allem „second-level-thinking“, also Denken auf einer zweiten Ebene. Er sollte immer die Weisheiten des Tages hinterfragen. Was ist, wenn alles anders kommt?
Ein Beispiel meines eigenen Second-Level-Thinking: Ich denke, dass wir in den nächsten zwei Jahren eine zweite Kreditkrise bekommen. Seit 2008 hat sich an dem Schuldenkarussell nichts geändert. Nur verschulden sich heute die Staaten, während sich die Verschuldung der Privaten auf einem hohen Niveau stabilisiert hat.
Aber was, wenn es soweit kommt? Werden die Aktienkurse wieder in den Keller rauschen? Ich bin mir nicht so sicher. Nach 2008 merkten die Leute, dass es rasch wieder nach oben ging. Heute sind die meisten Aktien in „starken“ Händen, bei institutionellen Anlegern. Viele Unternehmen und Banken horten Liquidität. Was wird also in der nächsten Kreditkrise passieren?
Oder Immobilien? Ich werde oft gefragt, ob man sich verschulden und Immobilien kaufen solle, wenn die Inflation anspringt. In den 70er Jahren hat das wunderbar funktioniert. Also wäre Denken auf der ersten Ebene, es wieder so zu machen.
Auch da bin ich mir nicht sicher. Viele Immobilieninvestments in deutschen Klein- und Mittelstädten werden sich aufgrund der negativen Demographie als falsch herausstellen. Mit einer Immobilie ist man auch vom Fiskus erpressbar. Das ist nur der fundamentale Aspekt.
Dazu kommt, dass es in den 2010ern anders kommen kann als in den 1970ern: vielleicht gibt es ja gegen Mitte oder Ende des Jahrzehnts Währungsumstellungen. Setzen Sie nicht darauf, dass Sie dann Ihre Schulden gestrichen bekommen. 1948 war das in Deutschland auch nicht der Fall. Und wenn die Wirtschaft zwischendurch schlecht läuft, wäre es auch mit der Vermietbarkeit schlecht.
Sie sehen, so einfach ist das mit dem Investieren nicht!
Eine Sache aber glaube ich, zu wissen: wenn Sie Gold haben (das Sie außer für die Erbschaftsteuer nicht deklarieren müssen), werden Sie kein Geld verlieren. Diese Versicherung, diesen Hedge, sollte jeder Anleger haben.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.