Verordnete Freiwilligkeit?
Mit Spannung schauen die Anleger in dieser Woche nach Athen, wo das Sparpaket im Parlament abgesegnet werden soll.
Interessant wird es sein, wie weit sich die griechischen Politiker auch in den Einzelfragen einigen werden. Da die Regierung um den griechischen Premier Papandreou nur über eine hauchdünne Mehrheit im Parlament verfügt und sich bereits zwei Abgeordnete aus dem Regierungslager gegen das Sparpaket ausgesprochen haben, wird es eng werden. Davor hat aber die Börse Angst!
Neues Geld für Griechenland
Immerhin sind die erneuten Unterstützungen für Griechenland an die Auflage eines weiteren Sparpakets geknüpft. Wird dieses vom Parlament nicht beschlossen, ist Griechenland pleite. Dies dürfte dann erneute Verwerfungen an den Aktien- und Devisenmärkten mit sich bringen. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass sich die Griechen bei dem Beschluss zum Sparpaket insgesamt zusammenraufen werden, in den Beschlüssen der einzelnen Gesetzesänderungen es aber erhebliche Differenzen geben kann. Dabei stehen besonders die Gesetze zur Steuerreform sowie zur Privatisierung von Staatsbetrieben im Fokus. Sollte es allerdings zu einer Einigung kommen, ist die berühmte Kuh zumindest kurzfristig ein Stück vom Eis, womit sich auch an den Aktienmärkten eine kleine Entspannung einstellen sollte.
Rating-Agenturen: Treibende oder Getriebene?
Mit der Finanzkrise rückten die Ratingagenturen in besonderem Maße in die Schusslinie, was sich mit der europäischen Schuldenkrise nicht geändert hat. So geben S&P, Fitch und Moody‘s eine Einschätzung darüber ab, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Schuldner seine Schulden zahlen kann. In diesem Regelwerk liegt aber genau das Problem bei dem Geschehen um Griechenland. So wäre der vielfach geforderte „haircut“ letztendlich ein Schuldenschnitt und würde zwangsläufig dazu führen, dass Griechenland letztendlich auf zahlungsunfähig gestuft wird. Dann aber hat die EZB ein Problem, die griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren darf. Diese Tatsache und die Angst vor der dann stattfindenden und schwer zu kalkulierenden Kettenreaktion ist sicherlich auch ein Hintergrund, warum die Politiker einen „freiwilligen Schuldenverzicht“ der privaten Gläubiger propagieren. Ein unfreiwilliger Schuldenverzicht würde zwangsläufig zur Herabstufung Griechenlands auf die letzte und unterste Stufe („D“ = Zahlungsausfall) führen. Insofern versucht die Politik aktuell die Quadratur des Kreises, indem auf Schulden verzichtet werden soll, aber eben nicht auf Schulden verzichtet werden muss. Allerdings sollte das „soll“ so ausfallen, dass es eigentlich ein „muss“ ist, dann aber bitteschön so formuliert, dass es – im Sinne des Regelwerks der Ratingagenturen – eben doch kein „muss“ ist. Auch wenn das für einen normalen Menschen nur schwer nachvollziehbar scheint, unterstreicht es doch in besonderem Maße, dass das Problem sehr vielschichtig und damit eine Lösung alles andere als einfach ist. Man darf also davon ausgehen, dass das Thema Griechenland auch in den kommenden Monaten immer wieder auftauchen wird.
Stephan Feuerstein ist Chefredakteur des Börsenbriefes Hebelzertifikate-Trader. Bereits seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt er sich mit dem Thema Börse, speziell der Technischen Analyse. Infos: www.hebelzertifikate-trader.de Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.