Wackelkandidat: Auch Portugal hat die griechische Krankheit!
Was für ein Drama: Erst verkündet Athen, mehr Demokratie...
... wagen zu wollen, dann wird der Schwanz wieder eingezogen. Griechenland scheint nach dem peinlichen Hin und Her um ein Referendum über den EU-Rettungsplan nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch am Ende zu sein. Das ist aber leider noch nicht alles.
Es könnte noch viel schlimmer kommen: Eine Ketten-Reaktion droht!
Die Schuldenkrise hat nach dem griechischen Zickzack-Kurs noch an Brisanz gewonnen und könnte jetzt schneller als befürchtet auch andere Länder in den Abgrund ziehen: Unabhängig wohin der Weg Griechenlands führt (und welche Regierung dort versucht, das Ruder herum zu werfen), der nächste Wackelkandidat der Eurozone ist schon ausgemacht: Portugal...
Dem Land geht es zwar noch nicht so mies wie Hellas, aber es benötigt schon bald wieder EU-Hilfe. Und das obwohl die neue Regierung einen Brutalo-Sparkurs betreibt. Das sorgt für Häme ausgerechnet bei denen, die diese radikalen Einschnitte erst noch vor sich haben. Eine Athener Zeitung titelte am Tag nach der Referendum-Verkündung: „Schaut auf die Portugiesen und Ihr seht, was die Folgen radikalen Sparens sind: Armut für alle!“
Die Verzweiflung ist groß in Portugal, denn die letzten Wochen waren verdammt hart. Die Märkte misstrauen dem Land, die Zinsen steigen, die Konjunktur bricht ein. Wenn nicht ein Wunder passiert – Wo soll das herkommen? – werden Europas Regierungschefs schon bald in neuen Sondersitzungen über Rettungsmaßnahmen für das Land an der Südwestflanke Europas sitzen.
Denn wenn Portugal fällt, fällt auch Spanien. Das wissen alle, die sich auskennen mit der Materie. Und ohne Spanien kein Euro.
US-Star-Ökonom Kenneth Rogoff ist sich laut Tageszeitung „Die Welt“ jetzt schon absolut sicher: „Portugal muss umgeschuldet werden. Dazu gibt es keine Alternative mehr.“ Noch lehnen das die in Lissabon wild agierenden Politiker strikt ab. Finanzminister Vítor Gaspar bezeichnete eine solche Umschuldung als „Illusion“ und sprach im nächsten Satz von seiner „Vision“: „Ich hoffe, wir kommen ohne weitere Hilfe von außen raus aus der Krise, weil wir ein fleißiges Volk sind.“
Wenn das so einfach wäre! Die Einschätzung, dass die Portugiesen ihre derzeitigen wirtschaftlichen Probleme allein bewältigen könnten, ist absurd. Und wer Visionen hat, das wissen wir von Ex-Kanzler Helmut Schmidt, sollte lieber zum Arzt gehen.
Die Rechnung wird bzw. kann auch nicht aufgehen. Selbst wenn Portugals konservative Regierung weiter noch so hartnäckig sparen will, um die Vorgaben seiner Geldgeber EU und Währungsfonds (IWF) zu erfüllen, werden die Anstrengungen vergebens sein: Statt aus der Krise zu wachsen, schlittert das Land tiefer und tiefer in die Rezession. Das sind die Fakten!
Die erschreckenden Zahlen
Noch einmal zu Finanzminister Vitor Gaspar: Er selbst hatte zuletzt zugeben müssen, dass Portugals Wirtschaftsleistung 2012 voraussichtlich um 2,8 Prozent schrumpfen wird. Damit ist der Haushaltsplan 2011 bis 2015 bereits wieder hinfällig, der erst im August vorgelegt wurde. Da war von einem Minus von nur 1,8 Prozent die Rede. Auch was Gaspar sonst noch seinem Volk verkündete, klang düster: Die Investitionen gehen 2012 um 9,5 Prozent zurück, der Konsum bricht noch einmal um 4,8 Prozent ein, die öffentlichen Ausgaben schrumpfen um 6,2 Prozent. Was allein steigt, ist die Arbeitslosenquote: 13,5 Prozent sind absoluter Negativrekord.
Wird Portugal also wie Griechenland ein weiteres Hilfspaket brauchen? Natürlich wird es das! Und hoffentlich wird nicht solange gezögert wie beim ersten Notkredit. Am 06. April diesen Jahres hatte Lissabon einräumen müssen, dass es seine Schulden bei den hohen Zinsen, die dem Land abverlangt werden, nicht mehr in den Griff bekommt. Schließlich wurden 78 Milliarden Euro als Überbrückungsfinanzierung aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF gewährt. Das sollte reichen für drei Jahre. Es wird wohl nicht einmal ein Jahr reichen!
Portugals Taumeln am Abgrund hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Nach Ende der Diktatur 1974 sollten die Portugiesen schnell in die EU und wurden mit vielen Milliarden zu einer scheinbar modernen Volkswirtschaft aufgepäppelt. In Wahrheit wurde das Land abhängig gemacht von Transfers der „Partner-Staaten“.
Gravierende Schulden entstanden ab Ende der 90er Jahre, als im Vorfeld der Euro-Einführung die Zinsen für neue Schulden fielen. Da konnte sich Portugal günstig Geld leihen. Das Land ließ es sich auf Pump gut gehen, vergaß aber völlig, den Staatshaushalt wieder in Ordnung zu bringen. Jetzt hat es die Folgen zu tragen.
MEIN FAZIT:
- Das pleitebedrohte Euro-Land Portugal will nicht wie Griechenland sein. Aber: Konjunkturell ist Portugal nur noch wenig besser gestellt.
- Das Land hat sich extern zur Verwirklichung eines ehrgeizigen Programms verpflichtet, das strukturelle Reformen und Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts vorsieht. Das Problem: Portugal darf bei keinem einzigen Punkt scheitern, sonst droht der schnelle Absturz.
- Als Gegenleistung für das bereits angesprochene 78 Milliarden Euro schwere Hilfspaket von EU und IWF verpflichtete Portugal sich, in diesem Jahr das Haushaltsdefizit auf 5,9 Prozent (von 9,8 Prozent in 2010) zu senken. Ein ehrgeiziges Ziel, dass viele jetzt schon als verfehlt ansehen. Und selbst wenn es erreicht wird, ist noch nichts gewonnen, weil die Haushaltsanstrengungen weiter gehen müssen. Über Jahre. Nicht auszudenken, was passiert, wenn es in Europa zur Rezession kommt.
- Was wird also passieren? Ein zweites Hilfspaket ist meines Erachtens unumgänglich. Auch das wird aber nur teilweise fruchten wenn man sich den desaströsen Haushaltsplan bis 2015 anschaut. Portugal könnte dann wie Griechenland in die Pleite schlittern und wird mittelfristig wie die Griechen dem Euro Adieu sagen müssen. Keine schöne Vorstellung für Europa-Optimisten.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.