Geldanlage-Report Armin Brack

Solarhybrid: Das Desaster und was Anleger daraus lernen können!?

19.03.12 09:56 Uhr

Solarhybrid: Das Desaster und was Anleger daraus lernen können!? | finanzen.net

Nach Solar Millennium ist mit Solarhybrid ein weiteres bei Privatanlegern...

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... auf großes Interesse stoßendes Solarunternehmen massiv von der Insolvenz bedroht. Lesen Sie warum und was Anleger aus dem Fall lernen können.

Kurz zur Lage: Solarhybrid ist ein deutscher Solarprojektierer, der noch im letzten Jahr mit sensationellen Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn zu glänzen vermochte: Endgültige Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor, aber nach neun Monaten hatte sich der Umsatz auf 286 Millionen Euro vervielfacht. Im gesamten Jahr 2010 waren es nur 113 Millionen Euro gewesen. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) sprang auf 11,5 Millionen Euro und sollte bis Jahresende weiter auf mindestens 15 Millionen Euro steigen bei einem Umsatz von dann 400 Millionen Euro.

Daraus sollte sich - über den Daumen - ein Nettogewinn von zehn Millionen Euro ergeben. Bei sechs Millionen ausstehenden Aktien entspricht dies einem Gewinn je Aktie von 1,59 Euro. Die unternehmenseigene Prognose stammt vom 10. Oktober 2011. Der Kurs damals: Rund 7,00 Euro. In den Foren jubilierten die Privatanleger und rechneten sich reich: Das 2011er-KGV war schließlich auf Basis dieser Prognosen bis auf 4,4 gefallen.

Das war scheinbar spottbillig, noch dazu für einen "Wachstumswert" wie Solarhybrid. Auf der glamourösen Solarhybrid Energy Night war die Stimmung noch am 16. November glänzend. 700 Gäste, darunter einiges an Prominenz, feierten. Zur Unterhaltung der illustren Gäste gab kein Geringerer als Stargeiger David Garret "einen Ausschnitt aus seinem aktuellen Konzert-Repertoire".

Auch nach außen hin sollte also signalisiert werden: Solarhybrid geht es glänzend.

Interessanterweise erreicht der Kurs von Solarhybrid exakt am Tag nach dieser Veranstaltung, also am 17. November, ein neues 52-Wochen-Hoch bei 9,49 Euro. Von da an ging es mit dem Kurs nur noch bergab.

Ein kleines Zwischenhoch gab es nochmals Anfang Februar als Solarhybrid bekannt gab, man wolle die US-Projekt-Pipeline der inzwischen insolventen Solar Millennium übernehmen. Dieser Anstieg wurde aber sofort wieder abverkauft.

Im Nachhinein wird klar warum: Im Zusammenhang mit der geplanten Projekt-Übernahme hatten die Briloner Solar Millennium ein ungesichertes Darlehen über 7,5 Millionen Euro gewährt. Dieses Geld ist nach der Solar Millennium-Insolvenz nun möglicherweise komplett abzuschreiben. Die Hintergründe dieser Zahlung sind nach wie vor unklar.

Lehre 1 für Anleger: Die Wahrheit liegt im Kurs. Die Meldung kann sich noch so toll anhören, die Veranstaltung noch so glamourös sein. Entscheidend ist, wie der Kurs darauf reagiert. Ein kurzfristiger negativer Kurseffekt, das klassische "Sell on good news", ist dabei nicht ungewöhnlich. Entsteht daraus allerdings ein kurzfristiger Abwärtstrend sollten Anleger Vorsicht walten lassen.

Der Kurs geht in den freien Fall über

Obwohl bezüglich des Solar Millennium-Deals kein Vollzug gemeldet wird, hält sich die Aktie bis zum 22. Februar auf einem Niveau von 6,00 Euro. Am 23. Februar setzt auf einmal ein massiver Kursverfall ein. Die Aktie schließt unter 5,00 Euro. An den folgenden Tagen geht es weiter steil bergab bis der Kurs am 06. März zu Handelsschluss sich bei nur noch 2,50 Euro nochmals halbiert hat.

Auf eine Meldung von Unternehmensseite warten die Anleger vergeblich.

Erst am 07.03. folgt dann eine Meldung des Unternehmens und die lässt die verbleibenden optimistischen Anleger aus allen Wolken fallen: Die drastische Reduzierung der Einspeisetarife für Solar-Strom führe dazu, dass gleich mehrere Großprojekte nicht mehr realisiert werden könnten. In diese Projekte habe man aber insgesamt bereits 11,5 Millionen Euro investiert, die im Falle der Nichtrealisierung komplett als Verlust realisiert werden müssten.

Addiert man die 7,5 Millionen Euro, die an Solar Millennium gingen, teilt Solarhybrid seinen Anlegern damit also mit, dass auf einen Schlag 19 Millionen Euro weg sind. Angesichts der ohnehin chronisch dünnen Eigenkapitaldecke dürfte in dem Fall kaum mehr was vom Eigenkapital übrig sein.

Solarhybrid muss dann auch in der Meldung eingestehen: "Insgesamt ist das gesamte Geschäftsmodell der Solarhybrid in Deutschland in Frage gestellt, da Solarhybrid aktuell ausnahmslos auf die Projektentwicklung und -realisierung von Solarstrom-Kraftwerken mit einer Leistung von mindestens 10 MWp ausgerichtet ist."

Und durch die Blume wird dem Anleger auch mitgeteilt, dass eine Zahlungsunfähigkeit drohen könnte: "Die vorgängig aufgeführten Auswirkungen haben weitere Auswirkungen auf die Finanzlage der Solarhybrid AG wie z.B. Wegfall der Möglichkeit von Finanzierung durch Kapitalmarktmaßnahmen (Aktienkapitalerhöhungen und Ausgabe von Anleihen) oder der Möglichkeit von Finanzierungen durch Bankkredite, Reduzierung oder Verlust des Credit Ratings etc."

Für außenstehende Anleger war es dabei fast schon zu spät, die Reißleine zu ziehen: Die Aktie eröffnet über XETRA bei 1,53 Euro. Für Langfristanleger ist damit der Großteil ihres Einsatzes weg. Bis zum Handelsende hatten sich die Verluste dann auf knapp 60 Prozent summiert. Der Schlusskurs lag bei 1,02 Euro.

Katastrophale Managementfehler

Schuld aus Sicht von Solarhybrid ist einzig und allein die Politik. Ein weiteres Zitat aus der Ad-Hoc-Meldung: "Diese Auswirkungen haben sich wegen der völlig unvorhersehbar drastischen und kurzfristig umzusetzenden Gesetzgebungsvorschläge der beiden Minister bereits heute, vor der letztendlichen, nach Abschluss des Gesetzgebungsprozesses über die EEG-Novelle, für die Solarhybrid AG materialisiert."

Mal abgesehen davon, dass das obige Originalzitat aus der Meldung gar keinen Sinn ergibt, ist die Tatsache, dass sich das Management von jeder Schuld freispricht, meiner Ansicht nach dreist.

Die Kürzungen sind möglicherweise drastischer als erwartet ausgefallen. Das mag sein. Aber dass sie kommen würden, das war schon lange vorher zu erwarten. Wie kann das Management in einer solchen Situation derartige Summen ohne jegliche Absicherung in neue Großprojekte investieren? Ist das ein verantwortungsvoller Umgang mit Aktionärsgeldern? Eher nicht.

Die dubiose Überweisung an Solar Millennium passt hier natürlich gut ins schlechte Bild. In den USA würde es hier Aktionärsklagen in Serie hageln.

Lehre 2 für Anleger: Achten Sie nicht nur auf die aktuelle Umsatz- und Gewinnentwicklung sondern auch darauf wie nachhaltig diese ist bzw. sein könnte. Solarhybrid hat mit relativ wenig Eigenkapital ein "ganz großes Rad gedreht" und riesige Projekte gestemmt. Dabei wurden enorme Risiken in Kauf genommen.

Besonders wenig nachhaltig sind Umsätze und Gewinne bei Projekt- oder Beteiligungsgesellschaften. Hier hängt die Gewinnentwicklung häufig am Gelingen eines oder weniger Projekte bzw. am erfolgreichen Exit einer Beteiligung. Auch Solar Millennium war ja eine Art Projektgesellschaft.

Wenig glorreiche Historie des Unternehmens

Mir war die Solarhybrid-Aktie schon 2008 negativ aufgefallen. Ich habe für den heutigen Artikel meine alten Notizen auf der Festplatte meines damaligen Rechners wieder gesucht und gefunden. Folgendes war mir aufgefallen:

Die Aktie kommt am 12.06. nur per Listing an die Börse. Das heißt: Es gibt kein IPO, kein öffentliches Kaufangebot. Nur im Falle einer Neuemission nimmt ein Unternehmen mit dem Börsengang Geld ein. Warum aber geht ein Unternehmen an die Börse, wenn es dabei kein Geld für die Weiterentwicklung des eigenen Geschäfts erlöst? Eine mögliche Antwort: Das Ziel ist eher, dass die Altaktionäre ihre Bestände abbauen.

Am besten lässt sich ein solches Ziel im Zusammenhang mit einer aggressiven Marketing-Arbeit und diversen Kaufempfehlungen für die Aktie erreichen.

Hinzu kommt: Bei einem reinen Listing lässt sich der Kurs der Aktie anfangs relativ leicht steuern. Wenn alle Aktien im Besitz weniger Aktionäre sind ist es ein leichtes, den Kurs nach oben zu bringen.

Steigende Kurse erhöhen zudem die Aufmerksamkeit für die Aktie. Der Kursverlauf von Solarhybrid kommt mir hier verdächtig vor. Der erste Kurs liegt am 16.06. bei rund 6,00 Euro. Daraufhin steigt die Aktie bei geringen Umsätzen innerhalb von nur einer Handelswoche bis auf ein Hoch von 14,99 Euro - ohne dass überhaupt eine Bilanz des Unternehmens vorgelegen hätte.

Diesen Kursverlauf könnte man mit etwas gutem Willen noch mit der Euphorie für Solar-Aktien erklären, wenngleich diese zum damaligen Zeitpunkt schon am Abflauen war. Bezeichnend ist der weitere Kursverlauf: Nach der anfänglichen Euphorie stürzte die Aktie bis zum Jahresende auf ein Tief von 2,70 Euro ab (Schlusskurs 30.12.2008 in Frankfurt)!

Passend zum ersten Handelstag kommt auf dem Diskussionsforum wallstreet:online auch der erste Beitrag zu Solarhybrid. Zitat: "Geht hier eine neue Erfolgsgeschichte an den Start???". Die darauf folgenden kritischen Kommentare von zwei anderen Usern werden umgehend gelöscht mit dem Hinweis: "Dieser Beitrag wurde moderiert. Grund: Beschwerde durch Firma liegt w:o vor". Hier wurde also scheinbar genau darauf geachtet, dass keine negativen Meinungen die Stimmung trüben.

Eine andere Erklärung für das reine Listing: Es wurden schlicht keine institutionellen Investoren gefunden, die bereit waren, in das Unternehmen zu investieren - trotz des damaligen Hypes um die Solarenergie.

Im Trend-Trader-Börsenbrief schrieb ich in diesem Zusammenhang bereits am 16. Juni 2008 über Solarhybrid: "Boom-Märkte ziehen immer auch eine ganze Reihe von Trittbrettfahrern an, die mit angeblichen Innovationen, vor allem aber mit viel Visionen und wenig Fakten, auf die Jagd nach Anlegergeldern gehen. Eines dieser Unternehmen ist die Solarhybrid AG aus Brilon im Sauerland, die operativ in Ostdeutschland (Markranstädt bei Leipzig) agiert.

Die Geschäftsidee von Solarhybrid: Solarthermie (also die Gewinnung von Wärme aus Sonnenenergie) soll mit Photovoltaik (Gewinnung von Strom aus Sonnenenergie) innerhalb eines Kollektors mit dem Zweck der Stromerzeugung kombiniert werden. So könnten die verschiedenen Lichtspektren der Sonne gleichzeitig genutzt werden und eine effektivere Stromerzeugung gelingen. Wir haben diesbezüglich im Internet recherchiert.

In Photovoltaik-Fachforen wird bezweifelt, dass die Technologie am Markt eine Chance hat. Demnach hat das österreichische Unternehmen Söllinger bereits im Jahr 2005 eine zumindest ähnliche Technologie vorgestellt. Trotz der Auszeichnung eines damit ausgestatteten Hauses mit dem Deutschen Solarpreis 2005 konnte sich die Technologie bis jetzt nicht durchsetzen. Ein Problem: Warmes Wasser macht den Wirkungsgrad der Photovoltaik-Module schlechter.

Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass sich eine solch elementare Idee angesichts des enormen Forschungsaufwandes im Bereich Solarenergie in den letzten Jahren bis dato unentdeckt geblieben sein könnte. Das wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass die Solarhybrid AG erst im Februar 2008 gegründet worden ist. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde von zwei Investoren das Grundkapital von 2,3 Millionen Euro einbezahlt. Es ist also nicht davon auszugehen, dass hier bereits hohe Summen in die Forschung investiert worden sind und eine tatsächliche Produktinnovation vorliegt. Vorstand Tom Schröder war bis Dezember letzten Jahres noch in einer ganz anderen Branche aktiv (Vorstand der German Hardcopy AG Geha)."

Ich sollte recht behalten: Solarhybrid bekam mit dieser Technologie keinen Fuß auf den Boden. Die Gesamtmarkterholung im Laufe des Jahres 2009 ging komplett an der Aktie vorbei. Bei minimalen Umsätzen bröckelte der Kurs der Aktie bis zum Dezember 2009 auf unter 2,00 Euro ab. Erst eine radikale Neuausrichtung des Unternehmens in Richtung Solarprojekt-Geschäft brachte dann in 2010 die - vorläufige - Trendwende zum Guten.

Lehre 3 für Anleger: Achten Sie immer auf die Historie eines Unternehmens. Wichtige Fragen dabei: Seit wann gibt es die Firma? Ist das ursprüngliche Geschäftskonzept aufgegangen? Wie ist die finanzielle Ausstattung der Firma? Fallen die Antworten negativ aus oder können Sie auf Grund fehlender Unterlagen keine Einschätzung vornehmen, so meiden Sie die betreffende Aktie unbedingt.

Firmen, die ohne IPO, also nur mit einem reinen Listing, an die Börse kommen, sind dabei besonders kritisch zu hinterfragen, erst Recht dann, wenn (noch) kein Wertpapierprospekt vorliegt.

Das hat nun übrigens auch die Deutsche Börse AG eingesehen, die nach zahlreichen Skandalfällen, insbesondere durch Schweizer Briefkastenfirmen, nun zum dritten Quartal dieses Jahres die Listingvorschriften dramatisch verschärft. Das berüchtigte First Quotation Board (Freiverkehr) wird eingestellt. Unter anderem müssen Unternehmen beim Börsengang zwingend einen Wertpapierprospekt vorlegen.

MEIN FAZIT:

- Achten Sie darauf, ob scheinbar gute Nachrichten zu einem Unternehmen/einer Aktie auch mit Kursgewinnen quittiert werden.

- Versuchen Sie zu hinterfragen wie nachhaltig die operative Entwicklung eines Unternehmens ist.

- Achten Sie auf die Historie eines Unternehmens und meiden Sie tendenziell solche Firmen, die mit einem reinen Listing (also ohne Kapitalerhöhung/IPO) an den Markt kommen.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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