Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aktien-Manipulation
Bereits drei Festnahmen!
Am 21. September 2010 durchsuchten 160 Polizeibeamte, 12 Staatsanwälte und sieben Beamte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) insgesamt 48 Büros und Wohnungen in München, Hamburg, Berlin und Kitzbühel. Es wird in über 20 Fällen ermittelt.
Damit ist die Razzia der bislang größte Vorstoß gegen organisierte Kursmanipulation in Deutschland. Zu den Beschuldigten gehört eine Allianz aus Anlegerschützern, Spekulanten und leider auch Börsenbrief-Autoren und Finanzjournalisten.
Ausgerechnet gegen zwei führende Ex-Funktionäre der "Schutzgemeinschaft der Wertpapieranleger (SdK)" wurde Haftbefehl erlassen. Das ist katastrophal für die ohnehin durch die Finanzkrise schwer angeschlagene Aktienkultur in Deutschland.
Es drängt sich die Frage auf: Wem sollen Anleger noch vertrauen, wenn sie selbst von ihren vermeintlichen "Beschützern" für deren Zwecke missbraucht werden?
Trotzdem warne ich vor Pauschalverurteilungen. Bei genauerer Betrachtung der Fälle ist es juristisch und auch moralisch umstritten, ob bei den einzelnen Fällen tatsächlich Straftaten vorliegen oder nicht.
So erwiesen sich beispielsweise im Fall des inzwischen insolventen Flugzeugmotoren-Herstellers Thielert die Warnungen und Vorwürfe der SdK als vollkommen richtig. In aufwendigen Recherchen hatten die nun Festgenommenen Ungereimtheiten in der Bilanzierung festgestellt und diese angeprangert. Damit haben sie viele Anleger vor einem drohenden Totalverlust bewahrt.
Das "Vergehen", das nun von der Staatsanwaltschaft untersucht wird, war, dass sich die Betroffenen im Vorfeld über Leerverkäufe oder Aktienoptionen offenbar im großen Stil so positioniert haben, dass sie an den fallenden Kursen verdient haben. Ist das nun strafbar oder nicht? Hier kann man geteilter Ansicht sein.
Kritischer ist die Sachlage allerdings im Fall Wirecard. Auch hier gab es in der Börsenbriefszene und in diversen Foren immer wieder Gerüchte über Bilanzierungsungereimtheiten. Zudem wurde Wirecard als Finanzdienstleister mit Banklizenz in die Nähe von (illegalen) Online-Glücksspiel-Transaktionen gebracht, die Geldflüsse teilweise über die Wirecard-Bank abgewickelt haben sollen.
Der Fall hatte bereits damals alle Zutaten für einen filmreifen Wirtschaftskrimi. Fakt ist aber: Zumindest bis jetzt konnten Wirecard keine Verfehlungen nachgewiesen werden. Ein vom Unternehmen in Auftrag gegebenes Sondergutachten hat die Firma entlastet. Die einzige Stellungnahme der SdK dazu fällt typisch unkritisch aus: Die eigene Kritik an Wirecard habe "gefruchtet", weil sie zu mehr Transparenz geführt habe. Es gebe aber immer noch zahlreiche offene Fragen.
Aha. Die wichtigste Frage aus meiner Sicht ist, ob es sich dann nicht um vorsätzliche Rufschädigung eines Unternehmens gehandelt hat bzw. um die Schädigung von Wirecard-Aktionären. Schließlich dürften nicht wenige Aktionäre durch die Anschuldigungen unbegründet in Panik geraten bzw. ausgestoppt worden sein und so ihre Papiere zu Tiefstkursen verschleudert haben. Nein, weg ist das Geld nicht, es haben jetzt nur die SdK-Funktionäre.
Inzwischen notiert die Aktie wieder in der Nähe ihrer Höchststände, ist im TecDAX notiert und wird an der Börse mit mehr als einer Milliarden Euro bewertet.
Bei der dritten von Leerverkäufen betroffenen Aktie soll es sich übrigens um Conergy handeln. Das nur der Vollständigkeit halber.
*Pennystock-Pushereien
Beim Großteil der anderen Fälle geht es um typische Pennystock-Pushereien. Ich habe an dieser Stelle bereits mehrmals vor den Praktiken der einschlägigen Promoter gewarnt. Was mir stinkt ist die Tatsache, dass Herausgeber und Verfasser von Börsenbriefen dann immer betonen, es handle sich nur um kostenlose Briefe, die solche wertlosen Aktien anpreisen würden.
Das ist falsch. Es mag sich größtenteils um kostenlose Briefe handeln, aber auch viele kostenpflichtige Anbieter drehen ihren Lesern hin und wieder derartigen Müll an. Ich möchte an dieser Stelle keine Namen nennen, aber Kollegen, die sich über Schweizer Pennystock-Newsletter aufregen, selber aber dubiose US-Papiere wie Emission & Power Solutions oder U.S. Debt Settlement und ähnliche Schrottpapiere empfehlen, sind für mich Heuchler. Die beiden genannten Firmen haben innerhalb von wenigen Monaten 95 Prozent und mehr an Wert verloren.
Umgekehrt gilt: Im seit jeher kostenlosen Geldanlage-Report haben wir noch niemals mit Promotern zusammengearbeitet oder sonstige Auftragsempfehlungen gegeben. Die Idee des Geldanlage-Reports ist es, durch qualitativ hochwertige Informationen rund um das Thema Geldanlage, Leser von unserem Fachwissen zu überzeugen. Wir gehen quasi in Vorleistung und versuchen so Kunden für unsere kostenpflichtigen Briefe mit konkreten Kaufempfehlungen für Qualitätsaktien zu gewinnen.
Daraus machen wir kein Geheimnis und ich denke, das ist nur fair gegenüber unseren Lesern. Trotzdem sei eine weitere kritische Anmerkung an dieser Stelle gestattet: Es ist erschreckend wie wenig sich manche Hobby-Börsianer mit der Aktie beschäftigen, in die sie investieren. Vor einigen Jahren haben wir im Geldanlage-Report - ausdrücklich als solche gekennzeichnete - Anzeigen für diverse Pennystocks geschaltet.
Bis heute erreichen mich noch sporadisch Anfragen, warum ich damals den Pennystock XY empfohlen habe? Der sei nun um 90 oder 95 Prozent gefallen. Offenbar gibt es tatsächlich einige Börsianer, die nicht zwischen Anzeigen und redaktionellem Inhalt unterscheiden können, die beworbene Aktie kaufen, tatenlos beim Fallen zusehen und dann - erst wenn das Papier quasi wertlos ist oder gar nicht mehr börsennotiert ist - fragen, was sie nun damit tun sollen?
Soviel zum eingangs erwähnten Thema "Aktienkultur in Deutschland". Wir haben uns daraufhin dann vor ca. zwei Jahren entschieden, komplett auf derartige, finanziell durchaus lukrative, Anzeigen zu verzichten.
*Lösungsansätze
Drei Punkte zum Abschluss:
Erstens könnte man Fälle wie Nascacell oder Ropal Europe, wo Aktien nur mit einem reinen Listing und ohne IPO an den Markt kommen, ganz einfach verhindern, in dem man solche Listings erst dann zulässt, nachdem ein Wertpapierprospekt veröffentlicht worden ist. Hier ist die Deutsche Börse AG gefragt.
Zweitens sollte man das Listing von Schweizer Firmen mit dem bevorzugten Standort Zug ganz verbieten, sofern diese an der Heimatbörse in der Schweiz nicht ebenfalls gelistet sind.
Drittens bleibt zu hoffen, dass nicht weitere Manipulationsskandale den deutschen Markt erschüttern. Etwas beunruhigend finde ich beispielsweise, dass die Aktie von Solarhybrid (WKN A0LR45) sich seit Wochen quasi im freien Fall befindet. Bei Solarhybrid gehören ehemalige SdK-Mitglieder zu den Großaktionären bzw. sogar laut eigener Aussage zu den Mitbegründern der Firma.
Solarhybrid kam in 2008 auch durch ein reines Listing ohne Kapitalerhöhung an die Börse.
Zumindest etwas irritierend finde ich In diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass Solarhybrid bei seinen Solarprojekten mit der gleichen Betreibergesellschaft zusammenarbeitet wie Systaic, die inzwischen auf Grund massiver finanzieller Probleme zum Pennystock mutiert sind. Aber das kann natürlich auch alles Zufall sein.
MEIN FAZIT:
- Eine bedingungslose Aufklärung ist notwendig, um das Vertrauen der Anleger in den deutschen Aktienmarkt und seine Akteure wiederherzustellen.
- Anleger sollten stets den Einzelfall betrachten. Beim Geldanlage-Report haben wir zu keinem Zeitpunkt an Kursmanipulationen teilgenommen.
- Sie sollten als Anleger in spekulative Aktien immer nur einen kleinen Prozentsatz ihres Gesamtdepots investieren und Verluste konsequent mit Stoppkursen begrenzen.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.