Facebook: Wirklich 50 Milliarden Euro Wert?
Der Facebook-Hype geht in eine neue Runde.
Die Beteiligung der weltweit größten und erfolgreichsten Investmentbank Goldman Sachs an Facebook lässt eine genaue Schätzung des tatsächlichen Werts von Facebook zu - oder sagen wir besser, des Preises, den Investoren aktuell bereit sind, für Facebook zu bezahlen.
Neben einem Direktinvestment plant Goldman nämlich auch die Auflegung eines Fonds, über den Investoren sich ab einem Anlagebetrag von zwei Millionen US-Dollar direkt an Facebook beteiligen können. In diesem Zusammenhang gelangten auch erste Zahlen über die tatsächlichen operativen Ergebnisse von Facebook an die Öffentlichkeit.
Goldman Sachs hat für einen Anteil von 0,8 Prozent an Facebook 450 Millionen US-Dollar bezahlt. Daraus lässt sich leicht eine Gesamtbewertung von 50 Milliarden US-Dollar für Facebook ableiten.
Doch ist das vom erst 26-jährigen Mark Zuckerberg gegründete Unternehmen wirklich soviel wert? Starke Zweifel sind angebracht.
Denn der Preis, den Goldman zahlt, muss im Zusammenhang mit der Auflegung eines Facebook-Fonds betrachtet werden, der Facebook-Anteile im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar an Investoren verkaufen will. Dabei kassiert Goldman entsprechende Gebühren, verdient also am Fonds selbst und holt sich so einen Teil des Investments sofort wieder zurück.
Gleichzeitig dürfte die Investmentbank, die die Finanzkrise als eine der ganz wenigen großen Investmentbanken fast unbeschädigt überstanden hat, beim in 2012 wahrscheinlich anstehenden Börsengang von Facebook zu den IPO-Banken gehören und dabei nochmals kräftig verdienen. Letztlich dürfte sich Goldman so einen großen Teil seines Investments bereits über Gebühren wieder zurückholen - ganz egal wie sich der Wert von Facebook entwickelt.
*Cleverer Schachzug
Bei dem Deal zwischen Goldman und Facebook geht es meiner Ansicht nach vor allem darum, den scheinbaren Wert des Unternehmens in die Höhe zu treiben.
Davon profitiert sowohl die Bank als auch Facebook. Denn je höher der Schätzwert des Unternehmens, je teurer können die Anteile für den Fonds bzw. in 2012 beim Börsengang verkauft werden - und je mehr Geld fließt bei Facebook letztlich in die Kasse.
Die euphorische Stimmung und der Hype rund um Facebook führen dazu, dass Investoren trotz der extrem hohen Bewertung Schlange stehen, um sich Anteile bei Facebook zu sichern.
Bei vielen Investoren werden Erinnerungen an die Internetblase, die vor rund zehn Jahren ihren Höhepunkt hatte, wach.
*Wo liegt der faire Wert von Facebook?
Für Analysten und Börseninteressierte lautet die Königsfrage: Wieviel ist Facebook tatsächlich wert? Denn davon ließen sich natürlich auch Rückschlüsse auf die fairen Bewertungsniveaus im Bereich Social Networking/Internet ziehen lassen.
Doch die Antwort wird schon alleine deshalb erschwert, weil nur rudimentäres Zahlenmaterial vorliegt, das zudem noch nicht einmal von neutraler Seite geprüft worden ist.
Facebook will in den ersten neun Monaten 2010 1,2 Milliarden US-Dollar umgesetzt und dabei 355 Millionen US-Dollar verdient haben. Diese Zahlen sind besser als von Analysten geschätzt, was wiederum der Grund dafür ist, dass sich der geschätzte Wert des Unternehmens in den letzten Monaten nochmals verdoppelt hat.
Außergewöhnlich hoch sind die Gewinnmargen. Die Nettomarge lag damit bei knapp 30 Prozent. Das ist ein Wert, den bei den großen Internetfirmen sonst nur noch Google erreicht. Google hat aktuell eine Marktkapitalisierung von 200 Milliarden US-Dollar, ist aber natürlich in seiner Entwicklung viel weiter fortgeschritten und wird nach Schätzungen der Analysten in 2010 28,9 Milliarden US-Dollar umsetzen und dabei mehr als neun Milliarden US-Dollar verdienen.
Doch ist Facebook wirklich mit Google vergleichbar? Zumindest in einem Punkt hat das Social Network Google überholt. In 2010 war Facebook die am meisten aufgerufene Webseite der USA, noch vor Google.
Die Frage ist allerdings: Ist das Geschäftsmodell wirklich so gut skalierbar, dass die Gewinnmargen gehalten werden oder sogar noch ausgebaut werden können?
Entscheidend ist hier unter anderem die Frage, ob Werbetreibende ihre Zielgruppe so gut erreichen können wie bei Google? Wer bei Google nach einem bestimmten Begriff sucht, macht damit sofort klar, für was er sich interessiert. Gibt er z.B. "Auto" ein, bekommt er gesponserte Links von Autofirmen oder Händlern präsentiert. Das macht das Unternehmen so wertvoll.
Bei Facebook geben aktive User ja viel mehr von sich Preis - über gepostete Bilder, Videos, Links und Kommentare. Die Frage ist, inwieweit sich das Datenchaos strukturieren lässt, um dem Kunden entsprechende zielgruppenspezifische Werbung zu servieren?
Wenn ja, könnte das Unternehmen tatsächlich in Google-artige Dimensionen wachsen.
*Weitere Fragezeichen
Umgekehrt gibt es aber natürlich auch Risiken. Was kann alles schief gehen und dazu führen, dass die Bewertung von Facebook massiv sinkt.
Punkt 1: Ist Facebook vielleicht nur eine Modeerscheinung und wird in ein paar Jahren oder auch schon früher wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken? Momentan scheint das nicht vorstellbar, aber bis vor ca. zwei Jahren war noch MySpace der Platzhirsch im Bereich Social Networking. Fast in Rekordzeit wurde die Plattform von Facebook vom Thron gestoßen. Auch andere, ehemals erfolgreiche Social Networking-Plattformen wie Friendster drohen in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Manche führen auch das Beispiel AOL an, die Ende der 90er-Jahre führend als Internet Service Provider waren, dann aber die DSL-Entwicklung verschlafen haben.
Punkt 2: Damit verbunden ist die Frage: Was wird der nächste große Internettrend nach Social Networking und ergibt sich daraus eine Gefahr für Facebook? Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet eine Social Networking-Plattform wie Facebook letztlich den Erfolg von Google gefährden könnte?
Punkt 3: Wie gut versteht es das Mangement von Facebook die hohen Cash-Flows, die das Business derzeit abwirft, wieder zu reinvestieren, speziell dann wenn das Wachstum im Kerngeschäft nachlässt, also die Userzahlen nur noch langsam steigen? Microsoft stand vor einigen Jahren vor dem gleichen Problem und hat beispielsweise beim Einstieg in den Spielekonsolen-Markt keinen guten Riecher bewiesen.
Punkt 4: Facebook-User haben momentan keinen finanziellen Anreiz, der Seite treu zu bleiben. Bei Business-Plattformen wie XING können User durch das Knüpfen von Geschäftskontakten oder über Online-Stellenbörsen den beruflichen Erfolg vorantreiben. Bei Facebook wird er durch karriereschädigende Postings eventuell eher gefährdet.
*Bewertungsversuch
Aus rein bewertungstechnischer Sicht scheint die aktuelle Bewertung von 50 Milliarden US-Dollar auf jeden Fall sehr ambitioniert.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass...
- ... Facebook in 2011 die Umsätze nochmals verdoppeln kann, in 2012 nochmals um 75 Prozent steigern wird, in 2013 nochmals um 45 Prozent und in 2014 um weitere 30 Prozent zulegt und dies mit sinkendem Wachstum bis 2020 fortschreibt und
- dabei die Gewinnmarge bei sehr hohen 25 Prozent dauerhaft halten kann und
- das Ganze mit einem Abzinsfaktor von 12,0 Prozent diskontiert, was allesamt sehr optimistische Annahmen sind,
ergibt sich aktuell ein fairer Wert von ca. 35 Milliarden US-Dollar.
Geht man von etwas niedrigeren Wachstumsraten aus und arbeitet wegen der zunehmenden Unsicherheit des Erfolgs in den Jahren ab 2014 mit einem höheren Abzinsungsfaktor, fällt der faire Wert bis in den Bereich von 10 Milliarden US-Dollar.
Diese Überschlagsrechnungen zeigen, dass bereits sehr viel Fantasie in der aktuellen Bewertung enthalten ist. Sie zeigen aber auch die Schwierigkeit, den Wert des Unternehmens tatsächlich genau zu bestimmen. Bereits bei einer geringen Veränderung der Wachstumsgeschwindigkeit und des Abzinsungsfaktor ergeben sich massive Bewertungsunterschiede.
MEIN FAZIT:
- Der aktuelle Erfolg von Facebook ist beeindruckend. Glaubt man den nicht testierten Zahlen ist Facebook bereits jetzt profitabler als von Analysten geschätzt.
- In der aktuellen Bewertung sind schon jede Menge Vorschusslorbeeren enthalten.
- Selbst unter Annahme eines sehr optimistischen Erfolgsszenarios mit enorm hohen Wachstumsraten und konstant sehr hoch bleibenden Gewinnmargen bei niedrigem Abzinsungsfaktor ergibt sich ein maximaler Wert von 35 Milliarden Euro.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.