DAX: Wie weit geht der Ausverkauf noch?
Wer zu Beginn letzter Woche auf eine Erleichterungsrallye nach der Einigung im US-Schuldenstreit ...
... gehofft hatte, sah sich herb getäuscht. Katastrophal schlechte Konjunkturindikatoren schickten die Börsen so extrem nach unten wie seit Anfang 2009 nicht mehr. Die Flucht in die sicheren Anlagehäfen von Gold, Bundesanleihen und den Schweizer Franken erlebte Hochkonjunktur, auch weil die Spekulanten wieder ihre Angriffe auf Italien und Spanien intensivierten. Vor allem der Goldpreis ging durch die Decke, nachdem die Interventionen der Schweizer Notenbank und der Bank of Japan am Devisenmarkt das Vertrauen in die „Papierwährungen“ weiter unterminierten.
Keine Rezession in den USA
Das Motto an den Märkten scheint zu lauten: „Tausche Schuldenkrise gegen Konjunkturangst“. Inwieweit die Furcht vor einer neuen Rezession in den USA und einem starken Einbruch in Europa gerechtfertigt ist, werden die nächsten Monate zeigen. Ich denke, dass die aktuellen Wirtschaftszahlen vor allem die wieder gestiegene Verunsicherung bei Unternehmen und Verbrauchern vor dem Hintergrund der Schuldenkrise widerspiegeln. Das kann sich auch schnell wieder ändern, denn so schlecht, wie sie derzeit von vielen gesehen wird, ist die Konjunkturlage nicht – weder in den USA noch in Deutschland.
Dow Jones Industrial testet Aufwärtstrendlinie
Doch es gibt keinen Zweifel: Die letzten Konjunkturdaten aus den USA waren erschreckend schwach. So fielen erstmals seit Juni 2010 die Konsumausgaben gegenüber dem Vormonat wieder. Die Arbeitsmarktdaten am Freitag brachten zwar eine leichte positive Überraschung, doch das reichte nicht, um eine Wende an den Börsen herbeizuführen. Der Weltleitindex Dow Jones Industrial fiel unter die Unterstützung bei 11.600 Punkten und scheint nun die Marke von 11.000 Punkten anzuvisieren. Doch dennoch sollte nicht alles schwarz gesehen werden, denn es bleibt dabei: Den Unternehmen selbst geht es nicht schlecht, immer noch steigen die Gewinne und die Mehrzahl der Quartalsberichte brachte positive Überraschungen. Offenbar halten sich viele Unternehmen aus Verunsicherung aber mit Aufträgen, Investitionen und vor allem Neueinstellungen zurück. Siemens heftig unter Druck – adidas stark Bislang hatte sich der deutsche Aktienmarkt im Vergleich zu den meisten anderen Börsen in Europa noch gut behauptet. Gerade die konjunktursensiblen Unternehmen schienen ungebrochen von einer starken Nachfrage zu profitieren. Echte Zweifel muss man daran auch nach den bisher veröffentlichten Quartalszahlen nicht haben, aber angesichts der um sich greifenden Konjunkturangst genügen bereits leichte Enttäuschungen, um starke Kursverluste auszulösen. Das gilt z.B. für das DAX-Schwergewicht Siemens. Die Aktie befindet sich auf dem Weg zum Test der Unterstützung bei 75/72 Euro, wäre aber angesichts des fundamental ungebrochen positiven Trends auf diesem Niveau kaufenswert. Anders bei adidas: Der Vorstand erhöhte die Umsatzprognose und das bremste die Kursverluste, die den Titel – wie die meisten anderen Aktien auch – erfasst hat.
DAX testet Marke von 6.200 Punkten
Der DAX hat sich nach dem Fall unter die 7.000er Marke noch nicht gefangen. Die starken Kursverluste, teilweise innerhalb weniger Stunden, lassen sich allerdings auch durch das Wirken von computergesteuerten Handelsprogrammen erklären. 60 Prozent der Umsätze auf Xetra sollen inzwischen auf diese Weise erfolgen. Das macht die Sache nicht besser, erklärt aber die extremen Bewegungen. Charttechnisch ist der Abwärtsdruck ungebrochen und der DAX würde bei einem Fall unter die Unterstützung bei 6.200 Punkten die Marke von 6.000 Punkten ins Visier nehmen. Eine Entspannung gäbe es erst, wenn der Index wieder über 6.650 Punkte steigen würde.
Fazit:
In dieser Woche gab es panikartige Zustände an den Börsen. Das ist unserer Ansicht nach übertrieben. Viele Titel weisen nach dem Kursrutsch attraktive Einstiegsniveaus auf. Allerdings sollte für einen solchen Einstieg eine Stabilisierung der Kurse abgewartet werden – und das kann noch dauern.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.