DaxVestor-Kolumne Stefan Böhm

DAX: Werden die Risiken unterschätzt?

28.03.11 08:41 Uhr

DAX: Werden die Risiken unterschätzt? | finanzen.net

Auch gegen Ende der Woche gibt es noch keine Gewissheit darüber, wie schlimm die Reaktorkatastrophe ...

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... in Japan wirklich ist. Auch die Lage in Libyen ist unübersichtlich. Trotz massiver internationaler Unterstützung weiß man offenbar nicht genau, wen man da eigentlich in die Freiheit bomben will und was nach Gaddafi kommen soll. In Euroland schließlich gibt es mit dem Rücktritt von Portugals Regierungschef Socrates neuen Ärger. An der Börse haben all diese Unsicherheitsfaktoren bislang keine Auswirkungen. Doch wie lange noch?

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Wie groß ist das Japan-Risiko?

Der Reihe nach: Auch wenn es immer noch keine endgültige Klarheit über Scheitern oder Gelingen der Rettungsversuche im japanischen AKW Fukushima gibt, scheint jetzt schon klar, dass zumindest die Region um das explodierte Kernkraftwerk für lange Zeit verstrahlt bleibt. Wie hoch die Chancen des verzweifelt wirkenden Kampfes der Japaner zur Abwendung des Super-GAUs sind, lässt sich allerdings immer noch nicht sagen. Die Informationen, die es gibt, lassen darüber keine Schlussfolgerungen zu, folglich sind alle Best- und Worst-Case-Szenarien immer noch Spekulation, die noch Wochen anhalten könnte.

Lage auf dem Ölmarkt bleibt angespannt

Der zweite Krisenherd – der Libyen-Konflikt – beschert uns einen anhaltend hohen Ölpreis. Die im UNO-Auftrag kriegsführenden Länder sind untereinander zerstritten und die sogenannte libysche Opposition ist ein heterogenes Sammelbecken von Unzufriedenen, früheren Gaddafi-Leuten und hierzulande größtenteils unbekannten Stammesführern. Auch wenn die libysche Luftwaffe inzwischen wohl zerstört ist, ist ein Ende des Krieges nicht abzusehen. Auch eine Teilung des Landes liegt daher im Bereich des Möglichen, was nach meiner Meinung jedoch lange nicht so schlimm wäre wie ein nicht endender Bürgerkrieg. Der Konflikt in Libyen überdeckt jedoch, dass es auch in anderen Ländern der Region kräftig brodelt. Nun lässt auch Syriens Despot Assad auf sein Volk schießen. Gestern soll es mindestens 32 Tote gegeben haben. Kündigt sich da der nächste UNO-Einsatz an? Ich wage es nicht vorherzusagen. Die einzige Konstante ist der Ölpreis, der angesichts der ungelösten Konflikte hoch bleiben dürfte.

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EU vor neuen Belastungen

Auf ganzer Linie gescheitert ist Portugals Regierungschef Jose Socrates. Das Parlament in Lissabon hat sein jüngstes Sparpaket abgelehnt, woraufhin Socrates sofort zurücktrat. In Portugal wird es nun Neuwahlen geben. Das könnte auch den EU-Gipfel durcheinander wirbeln, auf dem der permanente künftige Euro-Rettungsschirm beschlossen werden soll. Zwar führt Socrates bis zu den Wahlen die Regierungsgeschäfte weiter, richtig handlungsfähig ist er aber nicht mehr. So könnte es sein, dass die Euro-Rettung auf den Juni vertagt werden muss. Das wäre ein schlechtes Zeichen für die Handlungsfähigkeit der Eurozone im Allgemeinen und die Kreditwürdigkeit Portugals im Besonderen. Schon jetzt sind die Zinsen für Portugal wieder deutlich angestiegen. Sollte dieser Trend anhalten, ist zu erwarten, dass nach Griechenland und Irland auch Portugal unter den Rettungsschirm schlüpfen wird.

Deutsche Wirtschaft bleibt auf Kurs

Ungeachtet der weltpolitischen Lage, die nach meiner Meinung derzeit mehr Risiken als Chancen birgt, kommen von der deutschen Wirtschaft gute Nachrichten. Das ifo-Institut rechnet für 2011 für die Automobilindustrie mit einem Wachstum von rund zehn Prozent. Insbesondere der Export ist der Umsatztreiber. Der ifo-Geschäftsklimaindex für die gesamte deutsche Wirtschaft spiegelt das wieder: Die Lageeinschätzung der deutschen Unternehmen ist auf den höchsten Stand seit 20 Jahren gestiegen. Bei den Aussichten gab es dagegen einen leichten Rückgang, so dass wir derzeit möglicherweise die Spitze im aktuellen Konjunkturzyklus sehen. In den USA stand wieder einmal der Häusermarkt im Blickpunkt. Die Zahl der verkauften Häuser fiel um 16,9 Prozent auf 250.000 Häuser, das ist das schlechteste Ergebnis seit Beginn der Statistikerhebung 1963. Die niedrige Nachfrage hat sich auch beim Preis niedergeschlagen. Ein Neubau kostet heute so viel bzw. wenig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Der US-Immobilienmarkt bleibt damit ein Hauptrisikofaktor für die Märkte.

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DAX setzt Erholungsbewegung fort

Sehr erfreulich entwickelte sich in dieser Woche der DAX, der sich von der Unterstützung bei 6.650 Punkten deutlich absetzen konnte. Kurzfristig kommen nun sogar die 7.000 Punkte wieder in Reichweite. Der DAX scheint damit bereits wieder zur Tagesordnung überzugehen. Ob die Kraft jedoch schon wieder ausreicht, um die Marke von 7.000 Punkten nachhaltig zu überwinden, ist fraglich, denn schon vor dem Erdbeben in Japan gab es am Aktienmarkt Erschöpfungstendenzen.

Fazit:

Die Stimmung an den Aktienmärkten ist trotz vieler Risiken erstaunlich gut. Kurzfristig könnte die Aufwärtsbewegung daher anhalten. Mittelfristig scheint das Kurspotenzial jedoch begrenzt.

Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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