DAX: Sell in May?
Viele Unternehmen konnten zuletzt mit guten Quartalszahlen überzeugen.
Dennoch ist am Mittwoch wieder Sorge um die US-Konjunktur aufgekommen. Ein überraschend schwacher ISM-Index führte zu Gewinnmitnahmen bei DAX, Dow Jones & Co. Vor allem Rohstoffwerte standen auf der Liste der Verkäufer. Am Freitag ließen dann überraschend solide US-Arbeitsmarktdaten die Börsen wieder steigen.
Dienstleistungsindex schmiert ab
Der ISM-Index ist ein vielbeachtetes Konjunkturbarometer. Während zumeist der Index für das verarbeitende Gewerbe im Blickpunkt steht, machte gestern jedoch der Index für die Dienstleister, der den Löwenanteil der US-Wirtschaft abdeckt, Schlagzeilen. Der sackte nämlich von 57,3 auf 52,8 Punkte nach unten ab und unterbot damit die Analystenvorhersagen deutlich. An den Börsen wurden in der Folge Gewinne mitgenommen, vor allem bei den Rohstoffaktien. Dies ist damit zu erklären, dass die Marktteilnehmer insbesondere die hohen Rohstoffpreise für die Stimmungseintrübung der Dienstleistungsunternehmen verantwortlich machen. Vor allem der hohe Ölpreis wirkt offenbar als veritable Konjunkturbremse. Da half es auch nichts, dass am Montagabend der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe stärker als erwartet ausgefallen war und zum vierten mal in Folge über 60 Punkten verharrte. Das ist ein Anzeichen für eine starke Entwicklung in der Industrie. Der starke Rückgang beim Dienstleistungsindex ist insofern eine echte Überraschung, die Zweifel an der Stärke des US-Konjunkturaufschwungs sät. Eines scheint jedoch noch klarer zu werden. Die US-Notenbank Fed dürfte noch länger an ihrer extrem lockeren Geldpolitik festhalten.
Warten auf neue Signale von der EZB
Die Europäische Zentralbank dagegen hat bereits die Zinswende eingeläutet. Zwar gab es auf der heutigen Sitzung erwartungsgemäß keinen neuen Zinsschritt, die Anleger erhofften sich jedoch Hinweise darauf, wie die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik in nächster Zukunft ausgestalten wird. Ängste vor einer baldigen Zinserhöhung im Juni dürften übertrieben sein. Die EZB werde „sehr genau“ beobachten, wie sich die Preisstabilität weiter entwickle, sagte EZB-Chef Trichet in seinem Statement. Diese Formulierung kann als abwartende Haltung interpretiert werden und lässt eine Zinserhöhung schon im Juni unwahrscheinlicher werden. An den Märkten hatte der EZB-Zinsentscheid kaum Auswirkungen, nur bei EUR/USD gab es einen spürbaren Ruck nach unten. Der Test des Widerstands bei 1,50 USD scheint damit vorerst verschoben.
Lufthansa fliegt in die Verlustzone
Quartalszahlen gab es in dieser Woche ebenfalls wieder zur Genüge. Deutschlands größte Airline Lufthansa flog im ersten Quartal einen operativen Verlust von 227 Mio. Euro ein, obwohl der Umsatz von 5,2 auf 6,4 Mrd. Euro gestiegen ist. Grund sind die hohen Kerosinpreise sowie die Flaute bei Ferienflügen nach Nordafrika und Flügen nach Japan. Dennoch geht die Lufthansa weiterhin von einer Steigerung des Ergebnisses im Gesamtjahr aus. Die Anleger sehen das weniger optimistisch, die Lufthansa-Aktie zählt seit Mittwoch zu den schwächsten Papieren im DAX. Eine positive Überraschung gab es bei adidas. Der Sportartikelhersteller übertraf mit dem Gewinn von 209 Mio. Euro die Analystenschätzungen und erhöhte die Umsatzprognose für 2011. Auch in der zweiten Reihe gab es Zahlen, so z. B. von HeidelbergCement. Der Verlust des Baustoffkonzerns fiel mit 120 Mio. Euro dank des guten Wetters überraschend geringer aus als saisonal üblich. Auch beim Umsatz wurden die Analystenerwartungen übertroffen. Viele andere Unternehmen gaben ebenfalls gute Zahlen bekannt, so dass die Quartalssaison trotz einiger negativer Ausreißer bislang sehr gut verlaufen ist.
Fazit:
Der DAX testete erfolgreich die Unterstützung bei 7.300 Punkten und legte anschließend wieder kräftig zu. Die Volatilität ist derzeit hoch am Aktienmarkt, ein Zeichen für die herrschende Verunsicherung wegen widersprüchlicher Wirtschaftsdaten. Alles in allem ist die Weltkonjunktur trotz aller belastenden Faktoren ziemlich robust. Mögliche erneute Kursrückschläge an markante Supports können zum Neueinstieg genutzt werden.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.