DAX: Kommt jetzt der Domino-Effekt?
Am Aktienmarkt herrschte zuletzt zeitweise Panik und Ratlosigkeit.
Trotz guter bis sehr guter Quartalszahlen und ermutigender Konjunktursignale hat die Griechenland-Krise die Märkte inzwischen fest im Griff. Dabei könnten sich die Griechen als Auslöser einer noch größeren Krise entpuppen. Nach der Herabstufung der Bonität Portugals folgte auch ein Downgrade für Spanien durch die Ratingagentur Standard&Poor´s.
Auf der Suche nach dem Schwarzen Peter
Die Suche nach dem Schuldigen für die Misere geht derweil weiter. Die Spekulanten verstärken zwar möglicherweise den Abwärtstrend, Auslöser der Krise sind sie jedoch nicht. Auch die Rating-Agenturen und ihre manchmal etwas zweifelhafte Rolle an den Märkten haben die Krise nicht verursacht. Allerdings trägt das Herunterstufen griechischer Bonds auf Ramschniveau Züge einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Bleiben also die Politiker, zuallererst die griechischen. Die haben ihr Land durch Vetternwirtschaft, Verschwendung, Inkompetenz und maßlose Verschuldung selbst an den Rand des Abgrunds geführt. Auch die europäischen Politiker tragen eine Mitschuld, denn es ist seit vielen Jahren bekannt, dass Griechenland bei den Euro-Kriterien geschummelt hat. Passiert ist nichts – aber das passt ins Bild, denn auch nach der Finanzkrise sollten Banken reguliert und die Finanzaufsicht europäisiert und neu strukturiert werden. Während Obama in den USA vorangeht, geschah in Europa nichts außer aufgeregtem Gegacker in Talkshows und in der Boulevardpresse. Angesichts der um sich greifenden Europhobie habe ich auch wenig Hoffnung, dass sich diesbezüglich irgendetwas ändern wird.
Wie ernst ist es wirklich?
Zwangsläufig stellt sich natürlich die Frage, wie ernst es wirklich um die Stabilität unseres Finanzsystems bestellt ist. An einer Hilfe für Griechenland führt nach meiner Meinung kein Weg vorbei, denn bei einer Pleite des Landes wären die Risiken unkalkulierbar. Nicht nur, dass dann mit Portugal und Spanien weitere Dominosteine wohl fallen würden, auch die Banken und in Deutschland insbesondere die Staatsbanken wie HRE, Commerzbank und die Landesbanken würden erneut ins Straucheln geraten. Für den deutschen Steuerzahler wäre dies im Zweifel wesentlich teurer als die Hilfen, die jetzt im Gespräch sind. Geht alles gut, kommen wir mit einem blauen Auge davon. Kommt es jedoch zu einem Zahlungsaufall, wird es schmerzhaft für den deutschen und europäischen Steuerzahler – und den Zorn der Steuerzahler fürchten Politiker in ganz Europa. Daher glaube ich, dass alles getan wird, um die Krise in den Griff zu bekommen. Ob man allerdings nun endlich die langfristigen Lehren aus der zweiten Finanzkrise innerhalb kurzer Zeit zieht, daran habe ich Zweifel. Was wir brauchen, ist nicht etwa kurzfristiger Aktionismus, sondern einen neuen europäischen Stabilitätspakt, der auch noch in 20 Jahren Gültigkeit hat. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre die Rückkehr zur Tagesordnung, nachdem man Griechenland gerettet hat.
Japan das nächste Griechenland?
Für den Euro sehe ich derzeit keine Gefahr. Möglicherweise wertet die europäische Gemeinschaftswährung noch weiter ab. Die deutschen Exportunternehmen würden dies sicher mit Freude zur Kenntnis nehmen. Die Inflationsgefahr schätze ich derzeit als (noch) nicht allzu groß ein, auch wenn die hohe Verschuldung sicherlich Risiken birgt, die langfristig höhere Teuerungsraten zur Folge haben können. Fünf Prozent Inflation vorauszusagen wie es der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Straubhaar, getan hat, halte ich dagegen für nicht seriös. Das soll nicht heißen, dass es nicht doch so kommen wird. Allerdings ist so eine Prognose ein Schuss ins Blaue, Hauptsache man ist in den Medien. Auch Straubhaars Prognose, Japan werde das nächste Griechenland, halte ich für gewagt. Seit langen Jahren ist bekannt, dass Japan eine sehr hohe Verschuldung hat. Bislang hat das niemanden gekümmert. Japanische Anleihen gehören zu den sichersten der Welt. Wenn Japan Probleme bekommen sollte, haben die ihre Ursache in der demographischen Entwicklung, nicht in der Nullzinspolitik der Bank of Japan. Am Rande sei noch bemerkt, dass Starökonom Nouriel Roubini, der als einer der wenigen die US-Immobilienkrise richtig vorhergesagt hatte, nun die USA wegen der dort ebenfalls exorbitant hohen Verschuldung gefährdet sieht. Das Risiko, dass in zwei bis drei Jahren etwas passiere, sei erheblich, so Roubini. Sollte das wirklich zutreffen, wären die Turbulenzen, die Griechenland jetzt erzeugt, vermutlich ein Kinderspiel gegen das, was uns dann erwarten würde.
Nervöse Börsianer
Am Aktienmarkt wurde die Zuspitzung der Griechenlandkrise lange ignoriert. Am Dienstag und Mittwoch jedoch gab es eine Eruption, die den DAX fast bis auf 6.000 Punkte absacken ließ. Nachdem sich nun abzeichnet, dass sich Athen auf die zugesagten Hilfen verlassen kann, hat sich die Lage wieder beruhigt. Aus charttechnischer Sicht bleibt der Blick trotz des Kursrutsches weiter nach oben gerichtet, da die Unterstützung bei 6.000/6.040 Punkten gehalten hat. Aus fundamentaler Sicht gibt es ebenfalls positive News. So entwickelt sich der deutsche Arbeitsmarkt unerwartet stark und auch der Auftragseingang im Maschinenbau legte im März weiter zu. Positive Quartalszahlen von Siemens, Infineon, Merck, SAP, BASF, Postbank, Continental, Aixtron und anderen Unternehmen untermauern, dass sich die Wirtschaft auf Erholungskurs befindet.
Fazit:
Der positive Newsflow aus Konjunktur und Unternehmen steht in krassem Gegensatz zum Griechenland-Thema. Wer darauf vertraut, dass die Krise gemeistert wird, kann den Rückschlag am Aktienmarkt zum Aufbau neuer Positionen nutzen.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.