DAX: Haben die Notenbanken die Krise entschärft?
Politiker und Notenbanker scheinen der Eurokrise nun tatkräftig entgegentreten.
Zuerst demonstrierten Deutschland und Frankreich Einigkeit: Die Regierungschefs beider Länder bekräftigten, Griechenland in der Eurozone halten zu wollen. Das beruhigte die Spekulationen über ein Auseinanderbrechen der Währungsunion. Die Börsen reagierten erleichtert und erholten sich von ihren Tiefs. Für einen echten Paukenschlag sorgte dann aber die EZB: Sie stellt in Kooperation mit den Notenbanken aus den USA, Großbritannien, der Schweiz und Japan den Banken praktisch unbegrenzt Dollarkredite zur Verfügung – vorausgesetzt diese verfügen über Sicherheiten.
Finanzwerte reagieren mit Kurssprüngen
Besonders die zuletzt arg abgestraften Aktien von Banken und Versicherungen reagierten darauf mit Kurssprüngen. Die Allianz legte wie die Commerzbank und die Deutsche Bank zeitweise um mehr als acht Prozent zu und hat wie die anderen Finanzwerte im DAX ihren Ausverkauf damit wohl gestoppt. Für eine Trendwende nach oben reicht das aber noch nicht. Bei der Allianz könnte man davon erst bei Kursen über 75 Euro reden. Bei der Commerzbank wäre das über 2,00 Euro der Fall. Das als Trading-Tipp empfohlene Short-Zertifikat auf die Commerzbank (BP0JMX), das sich aktuell mit 80 Prozent im Plus befindet, kann gehalten werden, die Stopp-Marke sollte aber auf den Einstiegskurs nachgezogen werden.
Eskalation der Eurokrise vorerst verhindert
Doch was bedeutet die Aktion der Notenbanken eigentlich konkret? In den letzten Tagen wurde es für die europäischen Banken immer schwieriger, an Dollarkredite zu kommen, weil sich die US-amerikanischen Geldmarktfonds zunehmend aus Europa zurückzogen. Diesen Mangel haben die Notenbanken nun beseitigt und damit wohl eine Eskalation der Eurokrise mit der Folge einer Lähmung der Finanzmärkte wie nach der Lehmanpleite 2008 verhindert.
Weitere Schritte müssen folgen
Trotzdem: Das grundlegende Problem der Überschuldung ist damit nicht gelöst. Allerdings könnte die Maßnahme der EZB der erste ernsthafte Schritt sein, das Steuer herumzureißen. Der nächste Schritt wäre, dass die Regierungen der EU-Staaten mehr Einigkeit bei der Lösung der Schuldenkrise zeigen. Die Finanzminister der EU könnten bei ihrem Treffen am Freitag einen wichtigen Schritt in diese Richtung tun. Das würde die Verunsicherung am Aktienmarkt weiter verringern. Positiv wäre auch die Veröffentlichung von Wirtschaftsdaten, die zumindest die Sorgen über eine drohende Rezession entkräften. Doch Letzteres ist im Moment wohl eine vergebliche Hoffnung: Die US-Konjunkturdaten, die gestern und heute bekannt gegeben wurden, lagen fast durchweg unter den Erwartungen. Wir rechnen – wie gesagt – nicht mit einer tiefen Rezession, sondern eher mit einer langanhaltenden Wachstumsschwäche.
Investmentbanker bleiben gierig
Die Aktion der Notenbanken drängte einen neuen Bankenskandal aus den Schlagzeilen: Nach Nick Leeson und Jerome Kerviel hat ein weiterer Investmentbanker Milliarden verzockt. Diesmal traf es die Schweizer UBS und der Verlust beträgt zwei Mrd. USD. Der Imageschaden für die Schweizer dürfte dabei schwerer wiegen als der finanzielle Verlust. Die Aktie verlor jedenfalls zehn Prozent und stürzte fast bis auf ihr Tief von März 2009.
DAX: Erster Schritt zu einer Bodenbildung
Der DAX startete in den letzten Tagen eine kleine Erholungsrallye und konnte dabei sogar wieder über den Widerstand bei 5.500 Punkten steigen. Das ist charttechnisch ein positives Zeichen. Es dürfte nun eine Bodenbildung einsetzen, wobei die Marke von 5.000 Punkten nicht mehr unterschritten werden sollte – das kann man zumindest hoffen. Aber der Fortgang der Eurokrise ist nicht zu prognostizieren.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.