Börse Frankfurt-News: Europäische Rentenmärkte unter Druck (Anleihen)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Spät und allmählich leitet die Europäische Zentralbank die langerwartete Zinswende ein. Dennoch fallen die Rentenmärkte weiter. Vor allem in Südeuropa steigen die Renditen. Darauf muss die EZB reagieren.
10. Juni 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Wie erwartet hat die Europäische Zentralbank die erste Zinserhöhung seit elf Jahren für Juli angekündigt. Zugleich stellte sie das Ende des Anleihekaufprogramms - ebenfalls wie prognostiziert - zum 1. Juli in Aussicht. Mit diesen Maßnahmen wollen die Währungshüter die Inflation bekämpfen: Mit 8,1 Prozent ist sie im Euroraum weit über der Zielmarke. Europäische Staatsanleihen reagierten mit weiteren deutlichen Renditezuwächsen.
Inflationsausblick und weitere mögliche Erhöhungen verschrecken
Der Markt hätte auf die erwarteten Ankündigungen freundlich reagieren müssen, beurteilt Arthur Brunner von der ICF Bank die Maßnahmen. "Dass es anders kam, liegt am angehobenen Inflationsausblick und an den Aussichten, dass demnächst die Zinsen um 50 Basispunkte steigen könnten. Das war ein Paukenschlag." Die EZB erwartet für dieses Jahr 6,8 Prozent Inflation in der Eurozone und 3,5 Prozent im kommenden Jahr.
Bleibt der Inflationsausblick unverändert hoch, stellen die Währungshüter 0,5 Prozent Zinserhöhungen im September in Aussicht. "Nunmehr werden 0,5 Prozent Erhöhung fest eingepreist", kommentiert auch Hans-Joachim Lübbing von der Commerzbank.
Renditen steigen unaufhaltsam weiter
Zehnjährige Bundesanleihen rentieren nach der Ankündigung auf einem Achtjahreshoch, zuletzt bei 1,43 Prozent. Noch stärker steigen die Renditen einiger Peripheriestaaten: In Italien legten die Renditen zehnjähriger Staatspapiere um 27 Basispunkte auf 3,63 Prozent zu, in Spanien rentieren Zehnjahrespapiere mit 2,65 Prozent. Mit steigenden Zinsen wird es für höherverschuldete Volkswirtschaften teurer, neue Schulden zu machen.
Renditeunterschied Deutschland - Italien auf Zweijahreshoch
"Auf die so genannte Fragmentation, dass in der Eurozone die Zinsen auseinandertreiben, wird die EZB reagieren müssen", erklärt Tim Oechsner von der Steubing AG. Sie dürfte dann gezielt in Anleihen dieser Staaten investieren. Schließlich kaufe sie lediglich netto keine Schuldtitel mehr, ersetze aber auslaufende Anleihen. Der aktuelle Unterschied zwischen zehnjährigen Bunds und den gleichlang laufenden italienischen Pendants 225 Basispunkte und damit auf dem Niveau wie seit Mai 2020 nicht mehr.
Schon im Vorfeld der EZB-Sitzung emittierten Staaten wie Mittelständler neue Schuldtitel, um sich das aktuelle Zinsniveau zu sichern und nehmen dafür womöglich Kursrücksetzer in Kauf, berichtet Brunner. So emittierte Spanien zehnjährige Zinspapiere mit zehnjähriger Laufzeit und 2,55 Prozent Kupon.
Oechsner berichtet von Käufen und steigender Nachfrage nach Ukraine-Papieren mit 7,75 Prozent Kupon, die bis September dieses Jahres laufen (XS1303921214). Er registriere immer wieder Käufe, die Anleihe steige stetig. Seit März sei sie von unter 30 auf aktuell 70 Prozent gestiegen.
Mittelstand sichert sich Zinsniveau
Unternehmensseitig würde der eine oder andere Emittent nach Angaben von Brunner aktuelle Schuldtitel zurückkaufen: "Denn wenn die Zinsen steigen, werden die Kupons in diesem Bereich steigen." So habe die Media and Games Invest von einer Anleihe mit 5,75 Prozent Kupon und Laufzeit bis 2024 mit 350 Millionen Euro Volumen insgesamt 115 Millionen Euro zurückgekauft und im Zuge dessen eine neue Anleihe begeben. Dieser Floater, also eine Anleihe mit variablem Zins, biete 6,25 Prozent Kupon plus einer Kopplung an den Referenzzinssatz EURIBOR, der vierteljährlich gezahlt werde.
Insgesamt sieht Oechsner Investor*innen eher auf dem Rückzug bei Investments in Mittelstandsanleihen - die Nachfrage sei niedrig. "Das ist kein Wunder angesichts der immer wieder sinkenden Kurse", ergänzt er. Die Risikoneigung habe spürbar abgenommen. Aber mit einem verbesserten Konjunktur- und Inflationsausblick dürfte mehr Hoffnung der Anleger*innen wieder Käufe nach sich ziehen.
In den Anleihen der Metalcorp Group S.A. (DE000A3KRAP3) (DE000A19MDV0), einem Dienstleister für Metalle- und Mineralien-Beschaffung, registriert Oechsner hohe Umsätze auf der Geld- wie auf der Briefseite. "Hier machen sich die kleinanlegerfreundlichen Stückelungen und die vergleichsweise hohen Kupons von 7 bis 8,5 Prozent bemerkbar." Außerdem wachse das Unternehmen weiter und habe eine ausstehende Anleihe vom Juni 2022 () zurückgezahlt.
Ebenfalls Bewegung auf Kauf- und Verkaufsseite gäbe es bei Titeln des Hafenlogistikers R-Logitech. Schuldpapiere mit 8,5 Prozent Kupon, die bis März 2023 laufen, seien bei moderat schwankenden Kursen gefragt. aufgrund von Angebot und Nachfrage, auf der Geld- und Briefseite. Nach 83 Prozent Anfang März stehen sie aktuell bei 95 Prozent.
von: Antje Erhard 10. Juni 2022, © Deutsche Börse AG
Antje Erhard ist Journalistin und Moderatorin mit den Schwerpunkten Börse, Wirtschaft und Finanzen.
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