Börse Frankfurt-News: Energieversorgung bleibt führendes Thema (Wochenausblick)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 4. April 2022. Frankfurt. Rezessionsgefahr und Konjunktursorgen prägen das Börsengeschehen weiter. Zur anstehenden Berichtssaison rückt in den Fokus, inwieweit sich Unternehmen zu den Gewinnperspektiven äußern und ob Prognosen angepasst werden müssen.
Die Erholung der Aktienmärkte im März sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage angespannt bleibt. Neben der unsicheren politischen Großwetterlage steigen die Rezessionssorgen.
Der Handelsauftakt an der Frankfurter Börse war positiv ausgefallen, drehte dann aber ins Minus. Der DAX steht am Morgen bei 14.400 Punkten. Am Freitag war er bei 14.446 Punkten aus dem Handel gegangen. Im ersten Quartal hatte Deutschlands wichtigster Börsenindex -trotz eines Zwischenspurts im März- 9,3 Prozent an Wert verloren. Die Experten erwarten ein weiteres schwankungsanfälliges Quartal.
"Die Unsicherheitsfaktoren bleiben weiter groß", fasst Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank Neben den politischen Gefahren und den hohen und sehr volatilen Energiepreise dürften sukzessive auch die sich verschlechternden Konjunkturindikatoren auf die Aktienmarktstimmung drücken, vor allem in Europa. "Ein echter Verhandlungsfortschritt könnte noch einen Positivimpuls bringen. Kurzfristig sieht es ansonsten nach einer Fortsetzung der volatilen Seitwärtsbewegung aus."
Auch technisch sei noch keine Entwarnung in Sicht: Nach Einschätzung von Charttechniker Christoph Geyer bestehe die Gefahr, dass die technische Unterstützung bei 14.000 Punkten im DAX nochmals getestet wird. "Für eine spürbare nachhaltige Entlastung müssten der DAX 40 zunächst die 14.980 Zählermarke überschreiten", ergänzt Martin Utschneider von Donner & Reuschel.
Markus Reinwand, Anlagestratege der Helaba, beurteilt den Aktienmarkt als bemerkenswert robust. Das müsse jedoch nicht so bleiben: "Nach dem Rebound ist allerdings mit einer gemächlicheren Gangart zu rechnen." Der Krieg sei nicht der einzige Belastungsfaktor. Die hohe Inflation führe zu steigenden Erwartungen an Zinserhöhungen und anziehenden Renditen.
EZB vor "Befreiungsschlag"?
"Die Inflation wird zum Mühlstein um den Hals - auch der EZB", pflichtet Ulf Krauss, Rentenstratege der Helaba, bei und erwartet erste Zinserhöhungen der Notenbank in diesem Jahr. Ein kleiner "Befreiungsschlag" sei seines Erachtens besser als ein zu vorsichtiges Agieren. "Wir erwarten daher, dass der Einlagenzins noch in diesem Jahr von -0,5 Prozent auf 0 Prozent und der Hauptrefinanzierungszinssatz von 0 Prozent auf 0,25 Prozent angehoben wird." Wahrscheinlich sei ein Zinsschritt, optimal seien zwei denkbar. Das Protokoll der jüngsten Sitzung der US-Notenbank FED, das am Mittwoch veröffentlicht wird, dürfte Hinweise auf eine weitere Zinserhöhung - diesmal um 50 statt 25 Basispunkte - enthalten.
Spannend werde nun die neue Berichtssaison. "Offensichtlich sind die Unternehmen in der Summe bislang in der Lage, die höheren Kosten weiterzugeben", erklärt Reinwand. Interessant werde aber, wie sich die Unternehmen in der anstehenden Berichtssaison zu den Gewinnperspektiven äußern und ob sich daraus Revisionsbedarf ergäbe. Ungeachtet dessen sollte nach der jüngsten Kurserholung sich die Dynamik am Aktienmarkt verringern. "Insgesamt besteht aber für die kommenden Quartale moderates Aufwärtspotenzial bei Aktien."
Nach Einschätzung von Robert Halver, Leiter Kapitalmarktstrategie der Baader Bank, fehlt es an nachhaltigen Aufwärtsimpulsen, so dass mit erhöhten Kursschwankungen weiterhin zu rechnen sei. Er schaut zugleich mit Skepsis auf die bevorstehende Berichtssaison: Auch sie werde sich zur fundamentalen Stimmungsbremse entwickeln. "Es zeichnet sich eine deutliche Verlangsamung des bislang euphorischen Gewinnwachstums ab." Schätzungen gehen von einem Gewinnwachstum im mittleren einstelligen Niveau aus. "Bei den Ausblicken steht im Fokus, inwiefern rohstoffseitig steigender Kostendruck von abnehmenden Corona-Risiken kompensiert werden kann."
Ölpreise: USA geben Ölreserve frei - Keine Unterversorgung mehr im 2. Quartal
Entspannung am Aktienmarkt hatte auch der Rückgang der Ölpreise beigetragen. Hier wirkte auch begünstigend, dass die USA ihre strategischen Öl-Reserven freigeben. Dieser Schritt wird von Experten jedoch skeptisch gesehen: "Kurzfristig hilft diese Maßnahme, den Ölpreis zu drücken und damit die Negativfolgen des schrecklichen Ukraine-Kriegs zu reduzieren", urteilt Chris-Oliver Schickentanz. Doch die Ölreserven seien für Notfälle gedacht, und das sei aktuell nicht der Fall. "Wir haben keinen Engpass bei der Energieversorgung." Die Preise seien wegen politischer Risiken gestiegen - und der selbstverschuldeten Abhängigkeit Westeuropas von russischen Öl- und Gaslieferungen.
Mit Blick in die Zukunft sei die Freigabe ein Risiko: "Mittelfristig könnte die Biden-Administration so sogar die Macht Russlands festigen. Denn wenn die strategische Ölreserve erst einmal angezapft sei, kann sie in einem echten Notfall - wenn beispielsweise Moskau Energielieferungen einstellt - nicht mehr ausreichend helfen." Doch mit der Freigabe wäre der Markt im zweiten Quartal nicht mehr unterversorgt.
Zugedrehte Gashähne oder Ölembargo würden schwere Rezession auslösen
Trotzdem bleibt die Energieversorgung eines der Topthemen: Da die europäischen Staaten Russlands Gaslieferungen nicht in Rubel bezahlen werden, werde weiterhin befürchtet, dass Russland den Gashahn zudrehen, resümiert Schickentanz die Gemengelage. "Dann wäre eine tiefe Rezession in Europa so gut wie sicher." In der vergangenen Woche hatte BASF-Chef Martin Brudermüller gewarnt, dass Deutschland die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg erfahren würde, wenn Russland den Gashahn zudrehe. Aber auch die Spekulationen, dass die EU ein Ölembargo gegen Russland verhängen könnte, hielten sich laut Schickentanz am Markt.
Konjunkturdaten: Spuren durch Krieg, Pandemie und Energiepreise
Der Anstieg der Energiepreise und neue Beeinträchtigungen in den Lieferketten durch weitere Lockdowns in China inmitten der Corona-Pandemie dürften die wirtschaftliche Erholung im März gestoppt haben, erwartet die Commerzbank. Die Zahlen zum Auftragseingang und der Industrie-Produktion im Februar in Deutschland würden zwar noch eine Erholung zeigen. In den nächsten Monaten dürften aber die hohen Energiepreise die Produktion bremsen.
Zugleich beginnt in Deutschland die Saison der Hauptversammlungen: In dieser Woche werden Henkel (Montag), die UBS, Vontobel und Volvo (Mittwoch) sowie die Deutsche Telekom und Nestle (Donnerstag) zum Aktionärstreffen laden.
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche
Montag, 04. April 2022
16:00 Uhr. USA: Auftragseingänge Industrie Februar. Konsens ist ein Rückgang um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat
Dienstag, 05. April 2022
16:00 Uhr: USA: ISM-Index Dienstleistungen März.
Nach 56 Punkten im Vormonat werden nun im Konsens 58,3 Punkte erwartet.
Mittwoch, 06. April 2022
08:00 Uhr: Deutschland: Auftragseingang Industrie Februar
Die Helaba rechnet mit einem Plus von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat, während die Konsenschätzungen -0,4 Prozent zusammenfassen. Im Vormonat hatte die Industrie 1,8 Prozent mehr Aufträge erhalten.
20:00 Uhr: USA. Sitzungsprotokoll der US-Notenbank FED.
Die jüngsten Aussagen von FOMC-Mitgliedern lassen darauf schließen, dass die Bereitschaft einer Erhöhung um 50 Basispunkte beim nächsten Meeting im Mai relativ hoch ist, prognostiziert das Makro-Team der DekaBank. Das Sitzungsprotokoll zum vergangenen Meeting dürfte diese Einschätzung untermauern.
Donnerstag, 07. April 2022
08:00 Uhr: Deutschland. Industrieproduktion Februar.
Nach einem Plus im Januar von 2,7 Prozent wird lediglich noch eine um 0,5 Prozent gestiegene Industrieproduktion erwartet.
13:30 Uhr: EU. Sitzungsprotokoll der EZB
Nach Einschätzung der DekaBank drängt ein Teil der Ratsmitglieder auf eine schnellere Normalisierung der Geldpolitik, andere plädieren jedoch abzuwarten. Das Protokoll dürfe den Kompromiss beinhalten, die Wertpapierkäufe bald einzustellen, die erste Leitzinserhöhung jedoch offen zu lassen.
14:30 Uhr: USA. Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung.
Nach 202.000 Anträgen in der Vorwoche dürften nun ähnlich viele Menschen in den USA Arbeitslosenunterstützung beantragt haben, prognostiziert die Helaba.
von: Antje Erhard. 04. April 2022, © Deutsche Börse AG
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