Halber umgefallen

Noch im Vorfeld des jüngsten EU-Gipfels hatte sich Merkel hart gezeigt: So lange sie lebe, werde es keine Euro-Bonds geben, so die Kanzlerin.
Am Ende ist der Druck dann doch zu stark geworden und die Bundesregierung hat ihren Standpunkt teilweise geräumt. Eine gemeinschaftliche Haftung für die gesamten Schulden des Währungsraums, wie es bei Euro-Bonds der Fall gewesen wäre, gibt es zwar nicht. Künftig haben aber angeschlagene Länder Zugriff auf den Rettungsfonds ESM und müssen dabei keine besonderen Auflagen mehr erfüllen. Bislang ist der ESM „nur“ 700 Milliarden Euro groß, so dass das Risiko noch begrenzt ist. Allerdings gehen Experten schon heute davon aus, dass der Schirm nicht ausreicht und deutlich vergrößert werden muss. Wenn es einmal soweit ist, kommen wir Euro-Bonds recht nahe. Die Südländer können dann faktisch unbegrenzt die deutschen Steuergelder verprassen. Deutschland bekommt im Gegenzug - nichts!
Stabilität in Gefahr
Entsprechend kritisch fielen daher auch einige Kommentare zu dem „Kompromiss“ aus. Der Wirtschaftsweise und ifo-Chef Hans-Werner Sinn warnte etwa, dass damit die finanzielle Stabilität Deutschlands gefährdet wäre. Die Finanzmärkte seien beruhigt, weil ein Weg gefunden wurde, das deutsche Vermögen zu verbrauchen, so der Ökonom in einem Interview. Der für seine negativen Prognosen bekannte Marc Faber meinte sogar: „Wenn ich Deutschland führen würde, wäre ich letzte Woche aus der Eurozone ausgetreten.“
Börsen jubeln
Kompromisse gehören zum politischen Geschäft. Es lagen aber offenbar Vorschläge auf dem Tisch, mit dem sich die soliden Länder besser hätten stellen können. Von Finnland kam etwa die Idee, dass die Krisenländer ihre Anleihen mit Pfandbriefen unterlegen. Die Pfandbriefe hätten mit Vermögenswerten wie Immobilien oder Anteilen an staatlichen Unternehmen besichert werden können und damit die Kreditwürdigkeit der Krisenländer erhöht. Bei einem Ausfall der Anleihen hätten die Geberländer so wenigstens noch etwas für ihr Geld bekommen - und nicht nur leere Versprechungen wie den Fiskalpakt, der wahrscheinlich genauso wenig Wert ist wie der ehemalige Stabilitätspakt bei der Einführung des Euro. Die Börsen haben erst einmal mit einem Freudensprung auf den EU-Gipfel reagiert. Mittelfristig dürfte Deutschland der „halbe Umfaller“ von Merkel aber extrem teuer zu stehen kommen.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter www.aktien-strategie.de
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