Aus der Krise 2008 nichts gelernt: Zentralbank-Experte sieht globales Finanzsystem in Gefahr

Die letzte große Finanzkrise ist genau 10 Jahre her. Doch die Wirtschaftslage ist jetzt noch schlimmer als 2008, warnt ein Top-Ökonom. Schuldige gibt es zuhauf.
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William White, ehemaliger Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und Schweizer Chef des OECD-Prüfungsausschusses beurteilt die Situation des globalen Finanzsystems als äußerst angespannt. Für die aktuelle Lage macht der Experte insbesondere die Notenbanken verantwortlich.
"Eine Reihe perverser Effekte"
"Alle Marktindikatoren ähneln derzeit sehr denen, die wir vor der Lehman-Krise gesehen haben, aber die Lehre daraus ist in Vergessenheit geraten", umschreibt White die aktuelle Situation. Neun Jahre lang hätten Notenbanken billiges Geld in die Märkte gedrückt, dies habe zu "einer Reihe perverser Effekte" geführt und insbesondere Schwellenländer in die Schuldenabhängigkeit getrieben. White diagnostiziert exzessives Kreditwachstum, zuletzt hatte sich 2007 vor Ausbruch der Finanzkrise ein ähnliches Bild gezeigt.
"Zentralbanker haben Öl ins Feuer gegossen"
Gegenüber dem britischen "Telegraph" nimmt White insbesondere die Politik der Zentralbanken in den vergangenen Jahren ins Visier. Diese hätten "mehr Öl ins Feuer gegossen", so der Experte gegenüber dem Blatt. Es ist nicht das erste Mal, dass White die Handlungen der Währungshüter kritisiert. Die Geldpolitik sei bereits so lange expansiv, dass es einen guten Grund brauche, um sie zu straffen, hatte er bereits Ende 2016 erklärt. Seitdem hat sich die Lage noch verschärft: "Dieses Mal halten die Zentralbanken einen besonders wilden Tiger am Schwanz", so White. Die globalen Schuldenquoten zum BIP sind seit 2008 um weitere 51 Prozent gestiegen und erreichten bei 327 Prozent ein neues Rekordhoch. Dies sei ein neues Phänomen in der Wirtschaftsgeschichte, erklärt der Ökonom.
Tatsächlich tauchen fast täglich neue beunruhigende Beweise für eine zunehmende Kreditverschlechterung auf, warnt White. Konkret nennt White die britische Baugruppe Carillion, die im Januar Insolvenz anmelden musste, nachdem die Langfristschulden auf 900 Millionen Britische Pfund angeschwollen sind und auch in der Pensionskasse ein massives Loch klafft. Schuldner des Unternehmens, das 2017 noch Schuldscheine über 112 Millionen Pfund bei Investoren platziert hatte, dürften von ihrem Geld kaum etwas wiedersehen. Auch der Möbelhändler Steinhoff ist in einer ähnlichen Lage, nachdem der Konzern Schuldscheine als Finanzinstrument an Investoren ausgegeben hatte - auch in diesem Fall dürften Anleger wohl in die Röhre schauen.
Scharfe Kritik an QE
Dass gerade dieser Schuldscheinmarkt, der insbesondere in Deutschland eine lange Tradition hat, sich in den vergangenen Jahren zu einer Art Schattenbankwesen entwickelt hat, lastet White dabei auch den Zentralbanken an. QE und anhaltende Negativzinsen hätten das Kreditsystem verzerrt. Die expansive Geldpolitik der Notenbanker, allen voran der Europäischen Zentralbank hätten zur Verschärfung der Schuldenlage weltweit beigetragen, der Berater der OECD warnt in diesem Zusammenhang eindringlich vor einer neuen Finanzkrise.
Es ist nicht das erste Mal, dass William White ein düsteres Bild für das globale Finanzsystem malt. Erst kürzlich hatte er gewarnt, dass die Zentralbanken eine Krise derartigen Ausmaßes nicht mehr in den Griff bekommen könnten. Er rechnet daher mit einem massiven Schuldenschnitt und einem riesen Bankenrettungsprogramm - 2008 lässt grüßen.
Redaktion finanzen.net
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