"Durchwachsenes Jahr 2023"

"Schwarzbuch Börse": Pleiten & Skandale börsennotierter Unternehmen 2023

11.02.24 17:02 Uhr

Rückschläge und Skandale 2023 bei Wirecard, Siemens Energy, LEONI & Co.: Diese Unternehmen haben es Aktionären 2023 besonders schwer gemacht! | finanzen.net

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hat für das Jahr 2023 ihr "Schwarzbuch Börse" herausgegeben, in denen sie die größten Fehltritte öffentlicher Unternehmen auflistet. Diese Konzerne sind dabei 2023 alles andere als positiv aufgefallen.

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• Trend zu virtuellen Hauptversammlungen setzt sich weiter durch
• Gesetz "StaRUG" bietet großes Missbrauchspotenzial
• Wirecard, Siemens Energy und viele weitere fallen negativ auf

Obwohl das Jahr 2023 insgesamt mit Blick auf die Entwicklung an den Aktienmärkten von einer Erholung geprägt war, hatten Anleger auch hier einige Pleiten und Skandale zu verkraften. Wie jedes Jahr hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) die negativen Highlights in ihrem "Schwarzbuch Börse" 2023 zusammengefasst.

Trend zu virtuellen Hauptversammlung weiter intakt

Für viele Aktionäre hat es sich als negativ herausgestellt, dass sich der Trend zu virtuellen Hauptversammlung auch im Jahr 2023 weiter durchgesetzt hat. Diese Neuerung hat insbesondere mit dem Aufkommen der Corona-Pandemie im Jahr 2020 an Schwung gewonnen und zahlreiche große Unternehmen hätten auch 2023 von dieser Innovation wieder Gebrauch gemacht - zum Leidwesen der Aktionäre. Denn so beklagt die SdK vielerlei kleinere, aber auch große technische Störungen, die es Anlegern teilweise unmöglich gemacht hätten, den Hauptversammlungen zu folgen. Zwar seien Rede- und Fragerecht verbessert worden, das Vorgehen könne dennoch nicht mit einer Präsenzveranstaltung mithalten. Darüber hinaus fehle bei den virtuellen Versammlungen die Möglichkeit zum Austausch der Aktionäre untereinander, wie die beiden SdK-Vorstände Dr. Marc Liebscher und Daniel Bauer in einem YouTube-Video zum Schwarzbuch Börse zu bedenken geben. Insgesamt werde die Position des Vorstands gegenüber den Anlegern durch virtuelle Hauptversammlungen gestärkt, urteilt SdK-Vorstandsmitglied Markus Kienle bei der Vorstellung des Schwarzbuchs gemäß der Deutschen Presse-Agentur.

StaRUG-Gesetz könnte Missbrauch fördern

Der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger ebenfalls ein Dorn im Auge ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG. Dieses Gesetz soll angeschlagenen Unternehmen dabei helfen sich zu restrukturieren und besser durch eine Krise zu kommen, ohne, dass ein Insolvenzverfahren durchlaufen werden muss. Es geht also konkret um Unternehmen, denen eine Zahlungsunfähigkeit droht, die aber noch zahlungsfähig sind, erklärt die IHK München und Oberbayern in einem Online-Beitrag. Das Gesetz ist bereits seit dem 1. Januar 2021 in Kraft, birgt laut der SdK jedoch großes Missbrauchspotenzial: "Das StaRug gibt sinnvolle Möglichkeiten Unternehmen zu restrukturieren, aber es kann auch missbraucht werden, um Aktionäre intransparent und gegen ihren Willen aus dem Unternehmen zu drängen. Und wir befürchten, dass das 2024 noch massiv zunehmen wird", zitiert die Tagesschau Liebscher.

Dies habe sich bei der Übernahme des Kabel- und Technologieunternehmens LEONI durch den österreichischen Investor Stefan Pierer gezeigt. LEONI war im Zuge der Corona-Krise sowie des Ukraine-Kriegs in Schieflage geraten und hatte mit Großinvestor Pierer einen Sanierungsplan vereinbart, der vorsah, den Wert des Aktienbesitzes komplett verfallen zu lassen, sodass LEONI-Aktionäre ihr gesamtes Investment in das Unternehmen verloren. Pierer hingegen bekam im Gegenzug für eine Kapitalspritze in Höhe von 150 Millionen Euro alle neu ausgegebenen, nicht börsennotierten Aktien LEONIs, womit der Investor Alleineigentümer wurde. Die Aktionäre wurden somit ganz ohne Hauptversammlungsbeschluss aus dem Unternehmen gedrängt. Hier kritisieren die SdK-Vorstände im Video insbesondere die fehlende Transparenz bei dem ganzen Prozess des Sanierungsplans LEONIs sowie die fehlenden Informationen darüber, welche Bewertungen der Restrukturierung zugrunde lagen.

"Wildwest am Anleihenmarkt"

Das Schwarzbuch Börse weist außerdem auf ein Thema hin, welches die Autoren "Wildwest am Anleihenmarkt" getauft haben. Dabei geht es darum, dass sich das Segment der Anleihen von Mittelstandsunternehmen in den letzten zehn Jahren insbesondere bei risikoscheuen Anlegern großer Beliebtheit erfreut hätte. So seien seit 2010 rund 250 Mittelstandsanleihen mit einem Gesamtvolumen von nahezu neun Milliarden Euro emittiert worden. Die Ausfallrate mit "deutlich über 20 Prozent" liege jedoch sehr hoch. So sei die gestiegene Nachfrage nach Ansicht der SdK "für fragwürdige Geschäfte missbraucht" worden und "Anlegern damit ein Milliardenschaden" entstanden, wie es im YouTube-Video heißt. Dabei könnten sich Anleger nicht auf einen Schutz seitens der Behörden verlassen: "Allgemein haben wir bei den deutschen Behörden ganz geringe Kapitalmarktkompetenz. Sei es bei Gerichten, sei es bei Staatsanwaltschaften. Wann immer wir Verwerfungen am Kapitalmarkt haben, sind Gerichte, Staatsanwaltschaften, aber auch die Aufsichtsbehörden wie die BaFin dem nicht gewachsen", so Vorstand Liebscher gemäß der Tagesschau.

Wirecard-Skandal noch immer nicht aufgeklärt

Ein Thema, welches ebenso im Schwarzbuch Börse angesprochen wird, Anlegern aber bereits sehr geläufig sein dürfte, ist der ehemalige DAX-Konzern Wirecard. Seit über 13 Monaten läuft der Wirecard-Prozess mittlerweile, der sich mit der Aufarbeitung des Skandals des einst hochgelobten Zahlungsdienstleisters beschäftigt. Dabei sind Ex-Wirecard-Chef Markus Braun, Ex-Wirecard-Manager Oliver Bellenhaus und der einstige Chefbuchhalter des Finanzunternehmens Stephan von Erffa wegen Verdachts auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug angeklagt.

Bisher gibt es jedoch noch zahlreiche Unklarheiten. Wie die Deutsche Presse-Agentur jüngst berichtete, würden sich Braun und Bellenhaus gegenseitig beschuldigen, jeweils maßgebliche Beteiligte des großangelegten Wirecard-Schwindels gewesen zu sein. Hier kritisiert Liebscher laut der Tagesschau "die schleppende Aufarbeitung". Es gehe auf allen Ebenen schlicht zu langsam voran, mit einem Urteil im Prozess gegen die Wirecard-Führungskräfte dürfte erst 2027 zu rechnen sein. Wirecard-Aktionäre müssen sich auch weiter gedulden. So dürfte der Startschuss für den Musterprozess erst Mitte 2024 fallen, schreibt Focus-Gastautor Reinhard Schlieker mit Verweis auf den SdK-Vorstand: "Man könnte meinen, es ginge um einen Kioskbuden-Betrug in Hintertupfingen und nicht um den größten Wirtschaftsskandal der Bundesrepublik", wird Liebscher hier zitiert. Darüber hinaus bedauern die SdK-Vorstände im YouTube-Video, dass der Betrug an den Aktionären letztlich gar nicht Teil des Strafverfahrens sei.

Im Übrigen sieht sich auf die Wirtschaftsprüfgesellschaft EY, die die Prüfung Wirecards über Jahre hinweg übernommen hatte, mit einer Klage von 13.000 Anlegern konfrontiert. Eingereicht wurde die Klage durch die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Sie umfasst ein Volumen von 700 Millionen Euro, so die DSW laut der Tagesschau.

Siemens Energy bereitet Anlegern Kopfschmerzen

Das Schwarzbuch Börse umfasst auch noch einige weitere Unternehmen, die Aktionären im Jahr 2023 ziemliche Kopfschmerzen bereitet haben. So zum Beispiel das DAX-Unternehmen Siemens Energy, dessen Aktie seinen Wert 2023 gleich zweimal innerhalb nur eines Tages um rund ein Drittel verringerte. Der Windkraftspezialist hatte 2022 massiv unter Qualitätsproblemen bei Onshore-Windanlagen, höheren Kosten und Problemen bei der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa gelitten und war tief in die roten Zahlen gerutscht. Wie es für den Windkonzern weitergeht, darüber mag auch die SdK nicht spekulieren: "Ob es Hoffnung gibt bei Siemens Energy, das kann leider im Moment nur der Vorstand von Siemens Energy beantworten, weil allein die - so hoffen wir - Einsicht haben in das, was bei ihrer Tochter Gamesa schiefläuft", argumentiert Liebscher gegenüber der Tagesschau.

Ebenfalls im Schwarzbuch

Weitere Unternehmen, die negativ im Schwarzbuch Börse auffallen, sind die Credit Suisse, die nur durch eine Notfusion mit der UBS gerettet werden konnte und deren Aktionäre mit einem Aktienwert von lediglich 76 Rappen je Anteilsschein abgespeist wurden, der zahlungsunfähige Anbieter von Kommunikationstechnologie Gigaset, für den erst im Januar 2024 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, der insolvente Anbieter von Ladetechnik für Elektroautos Compleo Charging Solutions, dessen operatives Geschäft durch die KOSTAL-Gruppe übernommen wurde sowie die negative Entwicklung des Private-Equity-Investors AURELIUS, die auf Intransparenz, ein geplantes Delisting und den Skandal während der Hauptversammlung im September 2023 zurückzuführen sei.

"Insgesamt ein durchwachsenes Jahr 2023. Wir können froh sein, wenn das vorbei ist. 2024 wird bestimmt besser", fasst Liebscher zum Abschluss des YouTube-Videos zusammen.

Redaktion finanzen.net

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