Leitzinsentscheid: EZB senkt Zinsen erneut
Vor dem Hintergrund einer sinkenden Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen an diesem Donnerstag erneut gesenkt.
• Sorge um Konjunktur
• EZB senkt Leitzins
• Signale für 2025
Die Europäische Zentralbank EZB hat die Leizinsen am Donnerstag das vierte Mal in diesem Jahr herabgesetzt. So wurde der richtungsweisende Einlagenzinssatz um 25 Basispunkte auf 3,0 Prozent reduziert. Banken orientieren sich an diesem Zins, den sie für bei der EZB geparkte Gelder erhalten. In Form von niedrigeren Tages- und Festgeldzinsen wird er an Bankkunden weitergegeben.
Volkswirte rechnen damit, dass die Notenbank die Leitzinsen im nächsten Jahr noch weiter herabsetzen wird. Denn Handelskonflikte etwa mit den USA und ihrem wiedergewählten Präsidenten Donald Trump könnten die schwächelnde Konjunktur in Europa zusätzlich unter Druck setzen.
Experten halten Inflationswelle für beendet
Ökonomen hatten mit der erneuten Zinssenkung gerechnet, teilweise hatte es Spekulationen über einen noch größeren Schritt von 0,5 Prozentpunkten nach unten gegeben. Dass die große Teuerungswelle in der Eurozone vorbei ist, eröffnet Spielräume für die Währungshüter.
Sorge macht der EZB zudem die schwache Konjunktur im Euroraum. Erst kürzlich warnte Präsidentin Christine Lagarde vor einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Mit Frankreich und Deutschland stecken zudem Europas Schwergewichte in der Regierungskrise und fallen als Motor für Reformen in schwierigen globalen Zeiten aus.
Zwar hat die jährliche Inflationsrate sowohl in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland als auch im Euroraum insgesamt zuletzt wieder zugelegt. Doch trotz eines Anstiegs auf 2,3 Prozent im Euroraum im November erwarten Experten derzeit keine Teuerungswelle wie nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022, als sich Energie und Lebensmittel rasant verteuerten.
Teuerung weit entfernt von Rekordhoch
Vom Rekordhoch bei 10,7 Prozent im Herbst 2022 ist die Inflation im Währungsraum inzwischen weit entfernt - auch, weil sich die EZB mit dem kräftigsten Zinsanstieg seit 25 Jahren dagegenstemmte. Im Juli 2022 fand die jahrelange Null- und Negativzinspolitik ein Ende, zehnmal schraubte die EZB in der Folge die Zinsen nach oben. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Im Juni 2024 senkte die EZB die Leitzinsen erstmals wieder.
Die Notenbank strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Auch wenn Preise zu stark steigen, ist das Gift für die Wirtschaft: Dann verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher Kaufkraft. Das schmälert den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur.
Sorgen um die Wirtschaft und Trumps Zollpläne
Drohende Handelskonflikte sind nach Einschätzung führender Notenbanker ein zusätzliches Risiko für die ohnehin schwächelnde Konjunktur im Euroraum. Der designierte US-Präsident Trump hat hohe Zölle auf Einfuhren aus Europa angekündigt. Die Europäische Union könnte mit Gegenmaßnahmen reagieren. Besonders betroffen von einem solchen Handelskonflikt wäre voraussichtlich die Exportnation Deutschland.
EZB-Stab senkt Inflations- und BIP-Prognosen für 2024 und 2025
Die Europäische Zentralbank (EZB) kann sich auf niedrigere Inflations- und Wachstumsraten einstellen. Wie sie im Rahmen ihrer geldpolitischen Beschlussfassung mitteilte, rechnet der volkswirtschaftliche Stab der EZB für 2024 mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,4 (bisher: 2,5) Prozent. Die Inflationsprognosen für 2025 und 2026 wurden mit 2,1 (2,2) und 1,9 (1,9) angegeben. Für 2027 werden 2,1 Prozent Inflation erwartet. Die Kerninflationsprognosen lauten auf 2,9 (2,9), 2,3 (2,3), 1,9 (2,0) und 1,9 Prozent. Zudem werden Wachstumsraten von 0,7 (0,8), 1,1 (1,3), 1,4 (1,5) und 1,3 Prozent prognostiziert.
Lagarde: Wachstumsrisiken sind abwärts gerichtet
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) sieht nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde das Risiko, dass das Wachstum schwächer als erwartet ausfallen wird. "Die Wachstumsrisiken sind weiterhin abwärts gerichtet", sagte Lagarde in ihren einleitenden Bemerkungen in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung.
Zuvor hatte der EZB-Rat erwartungsgemäß beschlossen, die Leitzinsen um 25 Basispunkte zu senken und den Abbau der Anleihebestände wie geplant fortzusetzen. Explizite Aussagen zum weiteren Zinskurs machte das Gremium nicht. Es will seine Geldpolitik weiterhin von Sitzung zu Sitzung festlegen und sich dabei an den aktuellsten Daten orientieren.
Zuvor hatte der EZB-Rat beschlossen, seine Leitzinsen um 25 Basispunkte zu senken. Zudem stellt er keine restriktive Geldpolitik mehr in Aussicht.
Lagarde: Es gab Diskussion über Zinssenkung um 50 Basispunkt
eDer Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde über einen großen Zinsschritt diskutiert. "Es gab eine Diskussion um 50 Basispunkte, aber entschieden haben wir uns für 25 Basispunkte", sagte sie in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung. Der Rat sei zu der Erkenntnis gekommen, dass der Sieg über die Inflation zwar noch nicht erklärt werden könne, dass aber die Inflation auf dem Weg zum mittelfristigen Ziel von 2 Prozent sei. "Die Inflationsrisiken liegen jetzt stärker auf beiden Seiten als zuvor", sagte sie.
Redaktion finanzen.net / DOW JONES / dpa-AFX
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