Bundesbank-Präsident Nagel befürwortet weitere Leitzinsanhebungen durch die EZB - Auch Wunsch erwartet Erhöhung

Die EZB muss aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel angesichts des hohen zugrundeliegenden Inflationsdrucks ihren Zinserhöhungskurs fortsetzen.
"Das heißt, aus geldpolitischer Sicht ist hier noch eine Wegstrecke zu gehen", sagte Nagel am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner in Washington. "Ich werde mich nicht festlegen auf irgendeine Größenordnung, was im Mai passieren könnte." Die Diskussion um die Größenordnung sei nicht hilfreich, weil die Informationslage noch dünn sei. "Klar ist aber, dass die Geldpolitik weiter entschlossen zu handeln hat, um zeitnah Preisstabilität wieder herzustellen." Das nächste Zinstreffen der Europäischen Zentralbank (EZB) ist am 4. Mai.
"Beim Thema Inflation können wir noch nicht zufrieden sein", sagte Nagel. Die Gesamtinflation im Euro-Raum war zwar im März auf 6,9 Prozent gesunken von 8,5 Prozent im Februar. Sie lag damit aber immer noch mehr als drei Mal so hoch wie das Zwei-Prozent-Ziel der EZB. Die Kernrate, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind, war im März auf 5,7 Prozent angestiegen nach 5,6 Prozent im Februar. Das war bereits der vierte Anstieg in Folge. Nagel wies darauf hin, dass die Kernrate inzwischen ein Rekordniveau erreicht habe.
WENDE BEI DER KERNINFLATION VOR DER SOMMERPAUSE
"In Anbetracht der immer noch sehr hohen Kerninflationsrate - 5,7 Prozent für den Euro-Raum - erwarte ich schon noch, dass der Straffungszyklus fortzusetzen ist", sagte er. Bei der Gesamtinflation und bei der Kerninflation liege die Notenbank noch weit weg von der angestrebten Zielmarke. Der Anpassungspfad erfordere daher noch weitere Zinsschritte. Nach seiner Einschätzung wird die Kerninflation aber auch bald die ersten Bewegungen in die von der Notenbank gewünschte Richtung zeigen. Das werde wohl vor der Sommerpause geschehen.
Die EZB hat im Kampf gegen die hartnäckig hohe Inflation seit Juli 2022 die Schlüsselsätze bereits sechs Mal in Folge hochgesetzt - zuletzt im März um 0,50 Prozentpunkte. Nagel warnte davor, zu früh eine Diskussion um mögliche Zinssenkungen zu beginnen. Die Währungshüter müssten sich in den kommenden Wochen und Monaten die Entwicklung der Daten anschauen. Es gelte zu sehen, wann der Zinsbereich erreicht werde, bei dem die Notenbank dann erst einmal verharren müsse. Sie müsse auf diesem Plateau ein Stück weit bleiben, um festzustellen, inwieweit die Zinsschritte auf die Inflationsrate dauerhaft durchwirken. Früher sei oft der Fehler begangen worden, dass bei ersten Zeichen, dass die Inflation deutlicher zurückgeht, schon über Zinssenkungen spekuliert worden sei. "Den Fehler erster Ordnung, den will ich eigentlich vermeiden wollen."
Eine Rezession in der Euro-Zone erwarte er nicht, sagte Nagel am Abend in einer Diskussionsrunde in Washington. "Es scheint so zu sein, dass es mehr oder weniger eine sanfte Landung gibt." Es gebe vielleicht ein schwaches erstes Quartal. Aber der Rest des Jahres werde dann wohl günstig verlaufen. "Wenn wir nicht selbstzufrieden sondern wachsam sind, bin ich eher optimistisch."
Wunsch: EZB-Zinsentscheid im Mai zwischen 25 und 50 Basispunkten
Die Zinsentscheidung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) im Mai wird nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Pierre Wunsch zwischen 25 und 50 Basispunkten fallen. Wunsch forderte am Rande der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank außerdem einen beschleunigten Abbau der Anleihebestände der EZB, wie Reuters berichtet.
"Wenn die Kerninflation erneut höher als erwartet ausfällt, und der Quartalsbericht zur Kreditvergabe nicht zu schlecht aussieht, müssen wir möglicherweise um 50 Basispunkte anheben", sagte der Belgier. Markterwartungen einer baldigen Zinssenkung hält er für unrealistisch. "Die Lohnabschlüsse werden auf Jahre nicht mit dem Inflationsziel von 2 Prozent übereinstimmen und die Realzinsen sind niedrig, deshalb rechne ich nicht mit einer schnellen Kehrtwende nach dem Erreichen des Zinshöhepunkts", sagte Wunsch.
Der Gouverneur der belgischen Nationalbank sprach sich zudem dafür aus, die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen aus fällig gewordenen Staatsanleihen komplett zu beenden. "Wir könnten die Reinvestitionen in diesem Jahr stoppen, aber selbst dann wird der Abbau des Portfolios Jahre dauern", sagte er.
Lagarde - Inflation sinkt weiter aber Kernrate bleibt vorerst hoch
Die Inflation im Euro-Raum wird nach Einschätzung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde weiter zurückgehen.
"Wir gehen davon aus, dass die Inflation im Euro-Raum weiter sinken wird, da der verzögerte Preisdruck nachlässt und die straffere Geldpolitik zunehmend die Nachfrage dämpft", teilte die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) am Freitag anlässlich des Frühjahrstreffens des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington mit. Ein historisch kräftiges Wachstum der Löhne werde aber die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind, weiter für einige Zeit hoch halten. Der Ausblick sei mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Es gebe sowohl Chancen als auch Risiken, erklärte Lagarde.
Die Gesamtinflation im Währungsgebiet war zuletzt zwar im Zuge sinkender Energiepreise weiter zurückgegangen auf 6,9 Prozent im März. Allerdings stieg die Kernrate im März erneut an auf 5,7 Prozent - sie erhöhte sich damit bereits den vierten Monat in Folge. Das bereitet vielen Währungshütern Sorgen, da dies ein Zeichen dafür seien könnte, dass der Preisschub in der 20-Länder-Gemeinschaft noch länger anhalten könnte. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel geht allerdings davon aus, dass sich auch die Kerninflation bald in die von den Währungshütern gewünschte Richtung bewegen wird. Nagel rechnet damit noch vor der Sommerpause.
Washington/Frankfurt (Reuters/Dow Jones)
Weitere News
Bildquellen: Jorg Hackemann / Shutterstock.com, Yurchyks / Shutterstock.com