Wege aus der Nullzins-Krise: Teil 1: Das Risiko als Renditebringer
Von den Traumrenditen vergangener Zeiten müssen sich die Anleger im anhaltenden Niedrigzinsumfeld lösen - wenn sie nicht bereit sind, dafür höhere Risiken einzugehen. Doch Auswege aus der Nullzins-Falle existieren genügend.
Schon lange ächzen die Anleger unter der Last der Niedrigzinspolitik der wichtigen internationalen Zentralbanken. Und die Klagen werden immer lauter. War bislang zumindest noch der Bruttovermögenserhalt auch mit Zinsen gen Null möglich, wird selbst dies mittlerweile in Frage gestellt. Großinvestoren zahlen schon lange Negativzinsen auf Kontoguthaben, nun gilt dies auch bei immer mehr Banken für Privatanleger - zumindest für größere Summen auf Cash-Konten. Nicht selten bewegen sich die sogenannten "Verwahrentgelte" bei 0,4 Prozent des Sparguthabens, abzugsfähig bei der Steuer sind diese nicht. Damit wird die Liquidität spürbar weniger, gerade auch aufgrund einer anziehenden Inflation.
Selbst bislang einigermaßen rentierliche Anlageklassen verlieren ihre Attraktivität. Sei es, weil sie de facto völlig abgegrast sind - wie das Beispiel der Immobilien zeigt -, oder auch, weil aus generell zu viel Geld im Umlauf ist. Trocknen bestimmte Anlagevehikel aus, ist bei ihnen nichts mehr zu holen.
Dabei ist Risiko das entscheidende Stichwort. "There is no free lunch" - keine Rendite ohne Risiko! Das größte Risiko der vergangenen Jahre: die Risikoaversion vieler privater und institutioneller Anleger. Ohne Aktieninvestments waren und sind positive Renditen nach Investmentkosten und Inflation kaum möglich. Und von den Traumrenditen vergangener Zeiten muss man sich in diesem Umfeld ohnehin lösen, wenn man nicht bereit ist, hohe Risiken einzugehen. Tatsächlich gibt es aber noch immer Gelegenheiten, den Negativzins zu vermeiden und vergleichsweise attraktive, risikogewichtete Renditen zu erwirtschaften.
Um in der heutigen Zeit ein rentierliches Depot aufzubauen, ist ein aktives Management notwendiger denn je. Dabei werden professionelle Kanäle benötigt, um zum Beispiel durch Schnelligkeit gute Einstiegschancen in den denkbaren Assetklassen zu nutzen und um von ihnen zu erfahren. Passive Instrumente oder standardisierte Massenlösungen hingegen helfen nur bedingt, um den rauen Rahmenbedingungen Herr zu werden. Warum? Indexorientierte Produkte oder reine, eher unbewegliche Kaufen-und-Halten-Lösungen lassen eher kurzfristige Investmentchancen in der individuellen Betreuung unbeachtet.
Häufig fehlt die notwendige Reaktionsgeschwindigkeit, um auf kurzfristige Entwicklung zu reagieren und dementsprechend auch Kursgewinne mitzunehmen beziehungsweise durch geschickte Investments nach einem Abschwung vom Rebound zu profitieren. Den Risiken hoher Bewertungen und zeitweise steigender Zinsen ist der Investor aber durchweg ausgesetzt. Damit gilt: Flexibilität und Individualität sind die Gebote in der heutigen Zeit.
Experten sind zwingend gefragt, die Investitionsziele und Risikobudgets des Einzelnen genau zu kennen. Erst dann kann eine Anlagestrategie erarbeitet und der übergeordnete Rahmen festgelegt werden. Dieser Ansatz ist mit einer Reihe komplexer Fragen verbunden, die teilweise über das Gewohnte hinausgehen. Dazu gehören unter anderem: Welcher Kapitalanteil muss mit welchen Fristen zur Verfügung stehen? Wie hoch darf die Aktienquote sein? Darf bei größeren Kurskorrekturen die Quote temporär erhöht werden? Wie sieht es mit Fremdwährungen aus? Welche Restlaufzeiten erlaubt der Anlagehorizont für Anleihe-investments? Sind alternative Anlagen gestattet? Dürfen Absicherungsinstrumente eingesetzt werden?
Und auch der Selbstentscheider sollte nach diesem Muster vorgehen und sein Rendite-Risikoprofil konsequent und schonungslos analysieren, um für sich selbst den Grundstein für eine tragfähige Geldanlage zu legen, die dem Niedrigzinsumfeld trotzen kann.
von Thilo Stadler, Vermögensverwalter bei I.C.M. Independent Capital Management in Mannheim und Neuss
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