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Villeroy de Galhau: Nahost-Konflikt Zeitplan für Zinssenkung nicht verzögern - EZB-Ratsmitglieder sehen Zinsprognosen mit Skepsis

22.04.24 15:14 Uhr

Frankreichs Notenbank-Chef Villeroy de Galhau: Spannungen im Nahen Osten dürften Zinssenkung im Juni nicht verzögern | finanzen.net

Die Spannungen im Nahen Osten dürften nach Einschätzung von Frankreichs Notenbank-Chef Francois Villeroy de Galhau eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni nicht verzögern.

"Wenn es keine Überraschungen gibt, brauchen wir nicht mehr lange zu warten", sagte das EZB-Ratsmitglied in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung "Les Echos". Viele Währungshüter hatten zuletzt signalisiert, dass die EZB womöglich im Juni erstmals wieder die Zinsen senken könnte. "Darauf sollten weitere Zinssenkungen folgen, und zwar in einem pragmatischen Tempo", sagte Villeroy.

"Im Moment führt der Konflikt nicht zu einem deutlichen Anstieg der Ölpreise. Sollte dies jemals der Fall sein, müssten wir die Geldpolitik daraufhin untersuchen, ob dieser Schock vorübergehend und begrenzt ist oder ob er sich - über die Rohstoffe hinaus - auf die zugrundeliegende Inflation überträgt", fügte Villeroy hinzu. Die EZB hält nach zehn Zinsanhebungen im Kampf gegen die Inflation inzwischen seit September 2023 die Schlüsselsätze konstant. Der richtungsweisenden Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken, liegt seitdem bei 4,00 Prozent.

EZB-Ratsmitglieder sehen Zinsprognosen mit Skepsis

Die Mitglieder des Rats der Europäischen Zentralbank befürchten, dass eine Veröffentlichung ihrer Zinsprognosen den Druck von der eigenen Regierung erhöhen würde, die wissen will, ob "ihr" Zentralbanker ihrer innenpolitischen Agenda dient. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf informierte Personen. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte in der vergangenen Woche vorgeschlagen, wie die US-Notenbank viermal im Jahr einen "Dotplot" mit den Prognosen der Ratsmitglieder zum angemessenen Zinspfad zu veröffentlichen. Das würde die Kommunikation mit den Märkten verbessern.

Gespräche mit 13 Ratsmitgliedern bei der #Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank zeigten dem Bericht zufolge jedoch, dass fast alle der Meinung waren, dass ein solcher Schritt die wertvolle, aber fragile Unabhängigkeit von den nationalen Regierungen gefährden würde.

Muller: EZB sollte bei Zinssenkungen nach Juni nichts überstürzen

Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte es nach einem wahrscheinlichen ersten Schritt im Juni bei weiteren Zinssenkungen nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Madis Muller nichts überstürzen. "Wir sollten darauf achten, die Geldpolitik nicht zu schnell zu lockern und warten, bis die Daten uns das nötige Vertrauen geben, dass sich die Inflation wieder nachhaltig dem Ziel nähert", sagte der estnische Zentralbankchef der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Geopolitische Spannungen und das Potenzial für höhere Öl- und Energiepreise "erhöhen die Inflationsaussichten", sagte Muller am Rande der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Die EZB müsse "wachsam" bleiben. Muller sagte weiter, dass "der breite Konsens", in zwei Monaten mit der Senkung der Kreditkosten zu beginnen, "gut begründet" sei. Danach hängt alles von den hereinkommenden Daten ab.

"Wenn die wirtschaftlichen Entwicklungen mit unseren Erwartungen übereinstimmen, sind weitere Zinssenkungen bis zum Ende des Jahres vertretbar", sagte er.

In jedem Fall bevorzugt er Schritte von 25 Basispunkten: "Ich glaube nicht, dass wir hinter der Kurve sind", sagte er. "Daher sehe ich keine Notwendigkeit, über eine Senkung um 50 Basispunkte nachzudenken - es ist von Vorteil, wenn wir langsam vorgehen."

Paris (Reuters) / FRANKFURT (Dow Jones)

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