EZB hebt Inflations- und Wachstumsprognosen an - Lagarde: Über PEPP-Käufe sollte EZB-Rat entscheiden
Die EZB hat am Donnerstag mit den Ergebnissen der Zinssitzung den Markt nicht überrascht.
Wie bereits im Vorfeld von Marktakteuren erwartet wurde, beließ die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 0,0 Prozent. Auch der Bankeinlagensatz (-0,5 Prozent) sowie der Spitzenrefinanzierungssatz (0,25 Prozent) wurden nicht angetastet.
Die Europäische Zentralbank (EZB) will ihre Anleihekäufe im Rahmen des Pandemiekaufprogramms PEPP deutlich steigern. Wie der EZB-Rat nach seinen turnusmäßigen Beratungen mitteilte, sollen die Käufe "basierend auf einer gemeinsamen Einschätzung der Finanzierungsbedingungen und des Inflationsausblicks im nächsten Quartal mit einem deutlich höheren Tempo als in den ersten Monaten dieses Jahres erfolgen". Sie sollen "je nach Marktbedingungen flexibel erfolgen, um eine Straffung der Finanzierungsbedingungen zu verhindern, die nicht zu dem Vorhaben passen würde, dem negativen Einfluss der Pandemie auf die Inflation entgegenzuwirken".
In den vergangenen zwei Wochen hatten sich Analysten irritiert über das geringe Nettovolumen der wöchentlichen PEPP-Käufe von jeweils rund 12 Milliarden Euro geäußert. Zwar beinhaltet das PEPP keinen Zielwert für die Ankäufe, doch hatten EZB-Offizielle zeitgleich ihre Sorge über die gestiegenen Anleiherenditen und deren mögliche Auswirkungen für die Finanzierungsbedingungen von Realwirtschaft und Staaten ausgedrückt. Die EZB hat diese Finanzierungsbedingungen zum "Kompass" ihrer Geldpolitik erklärt.
Laut EZB-Beschluss hat das PEPP weiterhin ein Volumen von 1.850 Milliarden Euro und läuft mindestens bis Ende März 2022, auf jeden Fall aber so lange, bis der EZB-Rat der Ansicht ist, dass die Corona-Krisenphase vorbei ist. Das theoretisch mögliche Programmvolumen muss nicht voll ausgeschöpft werden, wenn sich günstige Finanzierungsbedingungen mit weniger Mitteleinsatz erreichen lassen. Umgekehrt ist eine "Rekalibrierung des Volumens" möglich, wenn das notwendig sein sollte. Die Tilgungsbeträge fälliger Anleihen werden bis mindestens Ende 2023 voll wieder angelegt.
Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben, die es zu finanzieren gilt.
Bei Kritikern der EZB-Geldpolitik stößt das Corona-Notkaufprogramm auf Widerstand. Eine Gruppe von Unternehmern und Professoren um den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber klagt dagegen in Karlsruhe. Die Verfassungsbeschwerde ging am Montag ein, wie ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts am Donnerstag sagte (Az. 2 BvR 420/21). Kerber sagte der "Welt", mit dem Nothilfe-Programm breche die Notenbank endgültig aus ihrem Kompetenzrahmen aus.
Wegen des Notkaufprogramms ist bereits eine Organklage der AfD-Bundestagsfraktion in Karlsruhe anhängig. Mit anderen Klägern hatte Kerber im vergangenen Jahr auch das Urteil des Verfassungsgerichts zum Staatsanleihenkaufprogramm PSPP der EZB erstritten. Damals ging es um 2015 begonnene Käufe zur Ankurbelung von Inflation und Konjunktur in Billionenhöhe.
EZB hebt Inflations- und Wachstumsprognosen an
Der volkswirtschaftliche Stab der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Prognose für die Entwicklung der Verbraucherpreise im Euroraum wie erwartet deutlich angehoben. Wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der Pressekonferenz nach der Sitzung des EZB-Rats mitteilte, rechnet der Stab für 2021 jetzt mit einer Inflationsrate von 1,5 (bisher: 1,0) Prozent. Die Prognosen für 2022 und 2023 wurden mit 1,2 (1,1) und 1,4 (1,4) Prozent angegeben.
Lagarde wies darauf hin, dass die mittelfristige Inflation ausweislich dieser Projektionen immer noch unterhalb des Inflationsziels liege. Die EZB strebt eine mittelfristige Inflationsrate von "nahe, aber unter 2 Prozent" an. Sie erreicht dieses Ziel aber schon seit Jahren nicht mehr. Laut Lagarde dürfte die Inflation in den nächsten Monaten weiter steigen und volatil bleiben. Den Anstieg zu Anfang dieses Jahres erklärte sie mit verschiedenen Sonderfaktoren. Unverzerrte Inflationsdaten seien erst für Anfang 2022 zu erwarten.
Im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum sind die EZB-Ökonomen weniger optimistisch. Für 2021 rechnen sie jetzt mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,0 (3,9) Prozent. Für 2022 und 2023 werden Wachstumsraten von 4,1 (4,2) und 2,1 (2,1) Prozent erwartet. Lagarde sagte, kurzfristige Risiken überschatteten den langfristigen Ausblick. Die gesamtwirtschaftliche Lage dürfte sich 2021 verbessern, in Bezug auf die Pandemie gebe es aber weithin Unsicherheit.
Laut Lagarde dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal sinken. Für den Jahresverlauf sei aber wegen voranschreitender Impfungen und zu lockernder Pandemiemaßnahmen mit einer deutlichen Erholung zu rechnen.
Lagarde sieht eine steigende Inflationsrate in Zeiten der Pandemie gelassen
EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht den in diesem Jahr erwarteten Anstieg der Inflation im Euroraum gelassen.
Es sei zwar möglich, dass die Rate Ende des Jahres zwei Prozent erreichen könne, sagte sie am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung. Doch die EZB werde durch diese Entwicklung "hindurchsehen". Der Anstieg sei voraussichtlich vorübergehend und werde nicht zu einem grundlegenden Preisauftrieb führen. Dazu fehlten in der wegen der Pandemie-Folgen nicht ausgelasteten Wirtschaft die Voraussetzungen, auch weil sich unter diesen Bedingungen kein Lohndruck aufbauen könne.
Lagarde: Über PEPP-Käufe sollte EZB-Rat entscheiden
Die Europäische Zentralbank (EZB) wollte die Anhebung der laufenden Anleihekäufe im Rahmen des Pandemiekaufprogramms (PEPP) nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht alleine vornehmen, sondern im EZB-Rat besprechen. Das und die kurz bevorstehenden makroökonomischen Projektionen des volkswirtschaftlichen Stabs hätten die Zentralbank davon abgehalten, das Kaufvolumen im Alleingang zu erhöhen, sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. Es habe sich ganz klar um eine geldpolitische Angelegenheit gehandelt, sagte Lagarde.
Lagarde: US-Konjunkturpaket strahlt auf Euro-Zone aus
Das billionenschwere Hilfspaket zur Stützung der US-Wirtschaft wird EZB-Präsidentin Christine Lagarde zufolge auch auf die europäische Konjunktur ausstrahlen.
"Da wird es einige Auswirkungen geben", sagte Lagarde am Donnerstag nach der Zinssitzung in Frankfurt. "Das ist ziemlich klar." Das treffe beispielsweise auf den Außenhandel zu, aber ebenso auf die Inflationserwartungen. Das werde die EZB bei ihren künftigen Prognosen berücksichtigen.
Mit dem 1,9 Billionen Dollar schweren Konjunkturpaket von US-Präsident Joe Biden sollen in den USA die Folgen der Corona-Pandemie abgefedert und die Konjunktur angeschoben werden. Allein 400 Milliarden Dollar sind für Barschecks in Höhe von 1400 Dollar pro Person vorgesehen, weitere 350 Milliarden sollen an die Bundesstaaten und Kommunen fließen und 170 Milliarden Dollar sind für Schulen und Universitäten vorgesehen.
Redaktion finanzen.net / Dow Jones / dpa-AFX / Reuters
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