Kerninflation im Blick

EZB wird laut Praet falls nötig weiter kraftvoll handeln

04.04.16 11:45 Uhr

EZB wird laut Praet falls nötig weiter kraftvoll handeln | finanzen.net

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist nach den Worten ihres Chefvolkswirts Peter Praet bereit, falls erforderlich ihre Geldpolitik weiter zu lockern.

Bei einer Vorlesung in Rom sagte Praet, eine zu lange niedrige Inflation könne sich verstetigen, wenn die Zentralbank sie nicht entschlossen genug bekämpfe. Verlässlichster Vorlaufindikator mittelfristiger Inflationstrends sei die so genannte Kerninflation. Diese liegt derzeit rund ein Prozentpunkt höher als die Gesamtinflation.

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   "Wenn die Inflation über längere Zeit niedrig bleibt und die tolerante Politik der Zentralbank in dieser Zeit dazu führt, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in das Inflationsziel verliert, dann kann das nicht nur zur zu einer Destabilisierung der Inflationserwartungen führen, sondern auch dazu, dass sich die Volkswirtschaft in einem Zustand einpendelt, in dem sich Inflation und Inflationserwartungen im unteren Bereich des Preisstabilitätsbereichs befinden", sagte Praet.

   Die Inflationsrate im Euroraum lag im März nach vorläufigen Berechnungen bei minus 0,1 Prozent. Die von der EZB offiziell angestrebten knapp 2 Prozent wurden zuletzt vor rund drei Jahren erreicht. Seither haben sich auch die von Finanzmarktgrößen abgeleitete und die in Umfragen ermittelten Inflationserwartungen deutlich von der Zweiprozentmarke entfernt.

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   Der volkswirtschaftliche Stab der EZB sieht die Inflationsrate 2018 bei nur 1,6 Prozent. Damit bliebe das Inflationsziel für fünf Jahre unerreicht.

   Ausgelöst wird die niedrige Inflation maßgeblich von den gefallenen Ölpreisen, auf die die EZB keinen Einfluss hat. Deshalb achtet sie auch auf die so genannte Kernteuerung, die die Preise von Energieerzeugnissen und Nahrungsmitteln ausspart. Diese Kernteuerung betrug im März 1,0 Prozent. Praet verwies in seiner Rede darauf, dass diese Kernteuerungsrate ein guter Vorlaufindikator der mittelfristigen Gesamtinflation sei.

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   Der EZB-Chefvolkswirt betonte vor diesem Hintergrund die Entschlossenheit der EZB. "Die lange Zeit mit niedriger Inflation hat das Risiko erhöht, dass wir unser Ziel dauerhaft verfehlen, und das würde der Wirtschaft schweren Schaden zuführen. Deshalb haben wir auch so kraftvoll gehandelt und würden das, falls erforderlich, auch wieder tun", sagte Praet. Sie habe auch gezeigt, dass sie ihre Politik unabhängig von den Maßnahmen anderer politischer Akteure umsetze.

   Der EZB-Rat hatte am 10. März beschlossen, das Monatsvolumen des Anleiheankaufprogramms per 1. April von 60 auf 80 Milliarden Euro anzuheben und künftig auch Unternehmensanleihen anzukaufen. Zudem wurden die Leitzinsen um 5 bis 10 Basispunkte reduziert, wobei der Satz für Bankeinlagen bei der EZB auf minus 0,40 Prozent sank.

   Zugleich hatte EZB-Präsident Mario Draghi gesagt, dass die EZB den Schwerpunkt möglicher weitere Lockerungsmaßnahmen eher bei weiteren Ankäufen und weniger bei den Leitzinsen sehe.

  

Von Hans Bentzien

FRANKFURT/ROM (Dow Jones)

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