Keine Überraschung von der EZB: Zentralbank pausiert Zinssenkungen weiterhin

Am Donnerstag richteten Anleger die Augen auf den Leitzinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB). So haben die Währungshüter entschieden.
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag entschieden, den Leitzins unverändert zu lassen. Damit bestätigt die EZB das Zinsniveau und folgt den Erwartungen der meisten Volkswirte, die den Bankeinlagensatz bei 2,00 Prozent verortet hatten.
Die EZB dürfte ihre Entscheidung damit begründen, dass das aktuelle Zinsniveau angemessen sei, um die Inflation mittelfristig wieder auf ihr Ziel von zwei Prozent zu bringen. Im Fokus steht nun die anschließende Pressekonferenz, in der EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Haltung der Zentralbank erklären wird.
Analysten hatten im Vorfeld der Entscheidung Unsicherheit bezüglich weiterer Zinsschritte geäußert, was die Haltung der EZB, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, bestätigt. Zudem präsentiert die EZB ihre aktuellen Stabsprognosen zu Wachstum und Inflation, die Aufschluss über die aktuelle Einschätzung der Wirtschaftslage geben. Außerdem werden weitere Aussagen von Lagarde zu den jüngsten politischen Entwicklungen in Frankreich und einer möglichen Intervention der EZB am Anleihemarkt erwartet.
Schon im Juli hatte die EZB die Leitzinsen nicht angetastet - nicht zuletzt wegen des "außergewöhnlich unsicheren Umfelds" im Zollstreit mit den USA, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde damals betonte. Nun hat Europa es mit einer Regierungskrise in Frankreich zu tun. Die Sorge ist groß, dass die Verschuldung der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft außer Kontrolle gerät.
EZB in Lauerstellung
In diesem Umfeld verharrt die Notenbank nach einer Serie von Zinssenkungen in Abwartehaltung. Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen achtmal binnen eines Jahres herabgesetzt. Noch im Frühjahr 2024 lag der Einlagenzins, den Banken erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, doppelt so hoch bei 4,0 Prozent.
Viele Ökonomen erwarten, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr nicht mehr antasten wird: Die ausufernde Inflation ist unter Kontrolle - im August lag die Teuerungsrate im Euroraum mit 2,1 Prozent im Zielbereich der EZB - und die Wirtschaft im Euroraum trotz höherer US-Zölle robust. Und angesichts der vielen Krisen spricht viel dafür, dass sich die Notenbank alle Optionen offen halten will.
Vorerst Ruhe im Zollstreit
Zwar bleibt US-Präsident Donald Trump unberechenbar, doch das Szenario einer Eskalation im Zollstreit und einem Schock für die Wirtschaft blieb aus. Noch im Frühjahr hatten manche Notenbanker, gerade aus Südeuropa, wegen Sorgen um die Konjunktur für weitere Zinssenkungen plädiert.
Niedrigere Zinsen stützen die Wirtschaft, da Kredite für Unternehmen und Verbraucher damit tendenziell günstiger werden. Sparer sind dagegen im Nachteil: Bekommen Banken weniger Zinsen für bei der EZB geparkte Gelder, senken sie zumeist die Tages- und Festgeldzinsen für ihre Kundenschaft.
Doch das Vergleichsportal Verivox sieht eine Trendwende: Erstmals seit Februar 2024 seien die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote gestiegen auf zuletzt 1,28 Prozent. Auch beim Festgeld kletterten die Zinsen über alle Laufzeiten wieder.
Bangen wegen Frankreichs Schulden
Während die Inflation eingedämmt ist, droht der EZB mit Frankreich ein neuer Krisenherd. Die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen sind deutlich gestiegen: Die Rendite zehnjähriger französischer Anleihen liegt über der von Papieren aus Griechenland. Neue Schulden werden für Frankreich immer teurer.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Deutschlands Nachbarland mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Frankreichs Haushaltsdefizit lag zuletzt mit 5,8 Prozent weit über dem europäischen Grenzwert von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Kauft die EZB wieder Staatsanleihen?
An den Finanzmärkten wird spekuliert, ob die EZB Frankreich mit Anleihenkäufen stützen würde. Die Notenbank kann im Rahmen ihres Programms TPI ("Transmission Protection Instrument") im Krisenfall unbegrenzt Anleihen einzelner Eurostaaten kaufen. Dafür gibt es aber hohe Hürden: Gedacht ist das Instrument für den Fall, dass die Zinsen für Wertpapiere eines Eurostaates durch Finanzspekulation unverhältnismäßig stark hochschnellen.
Lagarde: EZB weiterhin "gut positioniert" - Disinflation vorbei
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit ihrer aktuellen Geldpolitik "weiterhin gut positioniert". Das heiße aber nicht, das sich die EZB im Vornherein festlege, sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir weiterhin gut positioniert bleiben", fügte sie hinzu. Lagarde zufolge ist der zuletzt zu beobachtende Disinflationsprozess vorbei. Eine Balance der Inflationsrisiken nach dem Muster der Wachstumsrisiken werde die EZB aber weiterhin nicht geben.
Zuvor hatte der EZB-Rat wie erwartet beschlossen, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Explizite Aussagen zum weiteren Zinskurs machte das Gremium nicht. Es will seine Geldpolitik weiterhin von Sitzung zu Sitzung festlegen und sich dabei an den aktuellsten Daten orientieren. Nach Lagardes Aussage fiel die Zinsentscheidung einstimmig.
Lagarde: Wachstumsrisiken sind ausgewogener
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) sieht nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde ein geringeres Risiko als bisher, dass die Wirtschaftsentwicklung im Euroraum schlechter als von ihr erwartet verläuft. "Die Risiken für das Wirtschaftswachstum sind etwas ausgewogener", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. Im Juli hatte die EZB von abwärts gerichteten Risiken gesprochen. Stärker als erwartet könnte das Wachstum durch höhere Rüstungs- und Infrastrukturausgaben ausfallen. Auch eine höhere Produktivität könnte das Wachstum stützen. Den Inflationsausblick bezeichnete Lagarde als "ungewöhnlich unsicher", was vor allem an den Handelskonflikten liege. Der stärkere Euro könnte die Inflation deutlicher als erwartet sinken lassen. Lagarde zufolge deuten Umfragen auf ein anhaltendes Wachstum im verarbeitenden und nicht-verarbeitenden Gewerbe hin. Die Verbraucher sparten weniger und die Wirkung der EZB-Zinssenkung beginne sich zu zeigen, sagte sie. Zuvor hatte der EZB-Rat wie erwartet beschlossen, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Explizite Aussagen zum weiteren Zinskurs machte das Gremium nicht. Es will seine Geldpolitik weiterhin von Sitzung zu Sitzung festlegen und sich dabei an den aktuellen Daten orientieren.
Lagarde: Niedrige Inflationsprognose für 2027 nicht überbewerten
Die Europäische Zentralbank (EZB) misst der Unterschreitung des EZB-Inflationsziel in der Stabsprognose für 2027 nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vorerst keine besonders große Bedeutung bei. "Wie wir in unsere Stratgieprüfung geklärt haben, ist eine Reaktion auf minimale Abweichungen vom Inflationsziel nicht zwangsläufig, so lange sie vorübergehend bleiben", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. Der EZB-Stab hatte seine Inflationsprognose für 2026 auf 1,7 (zuvor: 1,6) Prozent angehoben, aber die für 2027 auf 1,9 (2,0) Prozent gesenkt.
Zuvor hatte der EZB-Rat wie erwartet beschlossen, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Explizite Aussagen zum weiteren Zinskurs machte das Gremium nicht. Es will seine Geldpolitik weiterhin von Sitzung zu Sitzung festlegen und sich dabei an den aktuellsten Daten orientieren.
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