In Zugzwang

Größere Leitzinsanhebung voraus? Hartnäckige Inflation setzt britische Notenbank unter Druck

21.06.23 13:12 Uhr

Größere Leitzinsanhebung voraus? Hartnäckige Inflation setzt britische Notenbank unter Druck | finanzen.net

Die hartnäckige Inflation setzt die britische Notenbank unter Zugzwang. Im Mai ging die Teuerung zur Überraschung von Analysten nicht weiter zurück.

Die Kerninflation ohne schwankungsanfällige Preise von Energie, Nahrungs- und Genussmitteln stieg sogar an. Die Kernteuerung wird von Fachleuten als die verlässlichere Größe angesehen, wenn es um den grundlegenden Preistrend geht. Viele Notenbanken, so auch die britische Zentralbank, achten derzeit besonders stark auf den Wert.

Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise insgesamt wie im April um 8,7 Prozent, wie das Statistikamt ONS am Mittwoch in London mitteilte. Bankökonomen hatten dagegen im Schnitt einen Rückgang auf 8,4 Prozent erwartet. Im Monatsvergleich stiegen die Lebenshaltungskosten um 0,7 Prozent - und damit stärker als erwartet.

Die Kerninflation erhöhte sich überraschend von 6,8 auf 7,1 Prozent. Ökonomen hatten einen unveränderten Wert erwartet. Für Mai ergibt sich die höchste Rate seit März 1992, also seit gut 31 Jahren.

An diesem Donnerstag gibt die Notenbank nach ihrer geldpolitischen Sitzung neue Entscheidungen bekannt. Erwartet wird zumindest eine zusätzliche Leitzinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte. Allerdings wird an den Märkten auch ein größerer Schritt um 0,50 Punkte nicht ausgeschlossen.

Die neuen Inflationszahlen hätten den Druck auf die Notenbank erhöht, die Leitzinsen in den kommenden Monaten deutlich zu erhöhen, kommentierte Samuel Tombs, Chefökonom für Großbritannien beim Analysehaus Pantheon Macroeconomics.

Bereits jetzt liegen die Leitzinsen in Großbritannien auf dem höchsten Niveau seit der Finanzkrise 2008. Seit Ende 2021 hat ihn die Notenbank von fast null auf 4,5 Prozent angehoben. Es ist einer der schärfsten und schnellsten Straffungsprozesse, den die britische Wirtschaft jemals zu verkraften hatte. Hintergrund ist der sprunghafte Anstieg der Inflation, der vor allem auf den russischen Krieg gegen die Ukraine zurückgeht.

Das Pfund reagierte auf die Inflationszahlen zunächst mit Kursgewinnen gegenüber Euro und Dollar. Im Handelsverlauf geriet die britische Währung jedoch unter Druck. Am Markt wurden Stagflationsängste als Grund genannt, also die Furcht vor einer stagnierenden Wirtschaft bei zugleich hoher Teuerung. Schon jetzt spürt die Wirtschaft den Gegenwind der kräftigen Zinsanhebungen. Ein großes Thema sind etwa die stark gestiegenen Hypothekenzinsen, die die Baufinanzierung für die Haushalte erheblich verteuern.

Unterdessen ist nicht nur die Inflation, sondern auch die britische Staatsverschuldung weiter gestiegen. Ende Mai wurde erstmals seit 62 Jahren eine Schuldenquote von mehr als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) markiert, wie das Statistikamt ebenfalls am Mittwoch bekannt gab. In absoluten Zahlen lag der Schuldenstand laut ONS zuletzt bei fast 2,6 Billionen Pfund (rund 3 Bio Euro).

Die Entwicklung setzt die Regierung von Ministerpräsident Rishi Sunak gleich von zwei Seiten unter Druck: Sunak hat nicht nur versprochen, etwas gegen die stark steigenden Lebenshaltungskosten zu tun. Der Premier will auch die öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung bringen.

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LONDON (dpa-AFX)

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