Halvers Kapitalmarkt-Monitor Robert Halver

Und bist Du nicht konjunkturwillig, so braucht die EZB Gewalt

02.06.14 13:20 Uhr

Und bist Du nicht konjunkturwillig, so braucht die EZB Gewalt | finanzen.net

Die Europawahl hat die harte Sparpolitik in den krisengebeutelten Euro-Ländern abgestraft.

Nur in Italien erhält die Partei von Ministerpräsident Renzi eine klare Zustimmung. Seine Wähler honorierten die bereits im Vorfeld der Wahlen umgesetzten Steuersenkungen im Niedriglohnsektor und seine grundsätzlich Zusicherung, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Italiens in der zweiten Jahreshälfte 2014 eine Aufweichung der euroländischen Spar- und Reformauflagen durchzusetzen.

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So zeichnet sich in der Eurozone bereits eine strukturell veränderte Wirtschafts- und Finanzphilosophie ab. Denn auch Frankreich hat ein lebhaftes Interesse, den französischen Euro-Kritikern das Wasser abzugraben. So forderte der französische Premierminister Manuel Valls zuletzt bereits einen Kurswechsel der EU hin zu mehr Wachstum und Arbeit, kurz und bündig zu mehr Staatsverschuldung. Und wenn sich die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft Eurolands verbünden - die mindestens stillschweigende Unterstützung der Euro-Peripherie ist ihnen sicher - spricht viel für eine stärkere Hinwendung zur Euro-Staatswirtschaft.

Was ist eigentlich mit...Spanien?

Die spanische Wirtschaft setzt zwar ihre Konjunkturerholung fort, wenn auch verhalten. So konnte Spanien zuletzt mit 0,4 Prozent zum Vorquartal das dritte Quartal in Folge wachsen, was aber auch als Basiseffekt auf das schwache bisherige Wirtschaftsniveau zu verstehen ist. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bleibt mit einem Wert von zuletzt 52,7 in Expansion anzeigendem Terrain. Besonders optimistisch zeigt sich der spanische Dienstleistungssektor mit einem Indexwert von 56,5.

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Immobilienblase noch nicht ausreichend entbläht

Ein markanter Hemmschuh für eine nachhaltige spanische Konjunkturerholung ist die noch längst nicht abgeschlossene Entblähung der Immobilienpreisblase. Aktuell liegt der Anteil ausfallbedrohter Kredite an deren Gesamtkreditportfolio mit 13,4 Prozent weiter auf Allzeithoch. Angesichts dieser schlechten Kreditqualität halten sich spanische Banken mit der Vergabe neuer Kredite deutlich zurück. Sie wollen keine weiteren Kreditrisiken eingehen. Leidtragende sind spanische Unternehmen, die so nur einen kleinen Beitrag zur Wirtschaftsstimulierung Spaniens leisten können. Ohnehin hat die spanische Wirtschaft mit konjunkturhemmenden Strukturproblemen wie auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen.

Vor diesem Hintergrund bleibt neben Frankreich und Italien auch in Spanien Neuverschuldung zunächst die einzig verlässliche Stütze der Volkswirtschaft. Dabei hat sich die spanische Staatsverschuldung seit 2007 bereits fast verdreifacht, ohne wirkliche konjunkturelle Wirkung gezeigt zu haben: Seitdem stagniert die Wirtschaftsleistung.

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Daher muss ein signifikanter Anstieg der Zinszahlungen am Staatshaushalt verhindert werden, um die spanische Schuldentragfähigkeit nicht zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. So ist die EZB weiter gezwungen, eine Rendite drückende Geldpolitik zu betreiben. Mit Blick auf die günstigen, nicht zur Bonität Spaniens passenden Staatsanleiherenditen gehen die Finanzmärkte zweifelsfrei von dieser noch nachhaltig stattfindenden, geldpolitischen Unterstützung aus. Die fünfjährigen spanischen Staatsanleihen liegen so tief wie zuletzt 2007.

Was heißt das für den spanischen Aktienmarkt. Da die Staatsschuldenkrise durch den geldpolitischen Einfluss eingedämmt ist, sehen die Finanzmarktteilnehmer die Risiken am Aktienmarkt entspannter. Mit den deutlich gesunkenen fünfjährigen spanischen Staatsanleiherenditen hat auch der spanische Aktienindex deutlich Auftrieb erhalten.

Und im Vergleich zum euroländischen und auch deutschen Aktienindex ist der spanische Aktienmarkt ein klarer Outperformer. Die Anleger heben zurzeit sein Nachholpotenzial. Wenn die konjunkturelle Stärkung der spanischen Wirtschaft allerdings nicht beherzt angegangen wird, ist diese relative Stärke insbesondere gegenüber den fundamental stark aufgestellten deutschen Aktientiteln im weiteren Jahresverlauf ein Auslaufmodell.

Immobilienentblähung als conditio sine qua non

Auf der kürzlichen Notenbank-Konferenz in Sintra - das euroländische Pendant zur US-Notenbankkonferenz in Jackson Hole, Wyoming - zeigte sich EZB-Chef Draghi noch einmal sehr entschlossen, gegen ein zu niedriges Preisumfeld vorzugehen. Auf der nächsten Sitzung der EZB am 4. Juni wird eine Senkung der Leitzinsen sowie ein negativer Einlagezins für von Banken bei der Notenbank geparktes Geld erwartet. Damit schwächt die EZB den vergleichsweise starken Euro - was der Euro-Exportwirtschaft neue Impulse verleiht - und erhöht über verteuerte Importe den gewünschten Preisdruck. Nicht zuletzt gibt man den euroländischen Geschäftsbanken jedoch noch mehr zinsgünstige Munition, um Staatsanleihen der Euro-Peripherie zu kaufen, was deren Renditen drückt und den nationalen Finanzministern aber auch anhaltend attraktive Schuldzinsen garantiert.

Die günstige Schuldenaufnahme ist aber eine Sackgasse, die z.B. den spanischen Staatsanteil an der Wirtschaftsleistung auf ein langfristig unhaltbares Niveau hebt und die privaten Aufwärtskräfte an den Rand drückt. Insofern wird die EZB weitere Instrumente in Betracht ziehen müssen. Da die EZB spätestens Ende des Jahres die euroländische Bankenaufsicht übernimmt, wird sie sich auch des Themas Stärkung der Bankenkreditvergabe in Euroland annehmen.

Hierzu muss sie den Banken zunächst die Kreditvergaberisiken und das Problem der Eigenkapitalunterlegung abnehmen. Das Beispiel USA zeigt, dass erst bei konstruktivem Verfall der Häuserpreise auf ein von Kaufinteressenten akzeptables Preisniveau der notwendige Bereinigungsprozess abgeschlossen ist und die Immobilienwirtschaft wieder in Schwung kommt. Während aber die US-Hauspreise nach ihrem Höchststand Mitte 2006 innerhalb von drei Jahren den Großteil ihrer Korrektur hinter sich gebracht haben, ist in Spanien fünf Jahre nach dem Platzen der Blase immer noch Korrekturpotenzial vorhanden.

Die EZB betreibt "spanische" Geldpolitik

Nur bei konsequenter Immobilienpreisbereinigung kann auch die dringend notwendige Bereinigung der Immobilienkredite in den spanischen Bankenbilanzen vorgenommen werden. Diesen Gewinn und Eigenkapital vernichtenden Abschreibungsbedarf haben spanische Banken bislang zu Lasten eines wenig funktionsfähigen Immobilienmarktes hinausgezögert. Zur Abhilfe muss man spanische Banken von der Abschreibungsproblematik befreien. Es spricht einiges dafür, dass die EZB den spanischen Banken verbriefte Immobilienkredite umfänglich abkauft. Dieses unkonventionelle Instrument hat - auch wenn es mit geldpolitischer Stabilität nichts mehr zu tun hat - in den USA gute Erfolge gezeigt. Befreit von Kreditaltlasten sind die spanischen Banken dann wieder in der Lage, neue Kredite an die spanische Privatwirtschaft zu vergeben.

Bis sich der in Euroland bislang wenig entwickelte Markt für Kreditverbriefungen etabliert hat, könnte die EZB als Zwischenlösung den euroländischen Geschäftsbanken zunächst die Vergabe von Langfristkrediten zu subventionierten Zinsen - noch unter dem Niveau des Notenbankzins - mit deutlich höheren Laufzeiten als bislang anbieten, wenn sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, ihre Kreditvergabe an den privaten Sektor zu erhöhen.

Der Weg für diese unkonventionellen Maßnahmen dürfte ab dem 4. Juni beschritten werden. Die EZB ist sich bewusst, dass sie die Finanzmärkte hier nicht enttäuschen darf. Sie fürchtet die Gefahren einer Korrektur an den Finanzmärkten und eines scharfen und ungeordneten Abbaus der zuletzt sehr positiven Kapitalzuflüsse in die Euro-Peripherie. Dieser schlechten Kapitalmarktstimmung wird sie entgegenwirken müssen. Damit ist sie nicht mehr unabhängig, sondern eine Gefangene der Finanzmärkte geworden.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Die europäischen Aktienmärkte setzen ihre Stabilisierung nach der Europawahl mit Blick auf die geldpolitische Unterstützung fort. Auch die Konjunkturstabilisierung in China hat die hard landing-Ängste in den Köpfen der Finanzanleger dank stützender Eingriffe der Regierung in Peking in den Hintergrund gerückt. Vor diesem Hintergrund ist ein fünfstelliger DAX berechtigt.

Aus charttechnischer Sicht hat der DAX bereits die wichtige Hürde am Allzeithoch bei 9.810 Punkten überwunden, so dass der Weg zur psychologisch wichtigen Marke bei 10.000 Punkten nun frei ist. Im Falle einer Korrektur verlaufen die ersten Unterstützungen im DAX bei 9.810 und 9.794 Punkten. Darunter liegt eine weitere Haltelinie bei 9.733 und im Bereich zwischen 9.600 und 9.570 Punkten. Wird diese unterschritten, wartet in der Zone zwischen 9.400 und 9.350 Punkten der nächste Halt. Darunter sorgt der seit Juni 2013 bestehende Aufwärtstrend bei derzeit 9.269 Punkten für Unterstützung.

Und was passiert in der nächsten Woche?

In den USA zeugt ein aufwärtsgerichteter ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe von der optimistischen Konjunkturstimmung der US-Industrie. Die Erholung auf dem US-Arbeitsmarkt setzt sich fort, wenn auch nur langsam. Die Auftragseingänge in der Industrie dürften nach zwei soliden Vormonaten eine Verschnaufpause einlegen. Der Konjunkturbericht der US-Notenbank (Beige Book) sollte den Wachstumskurs der US-Wirtschaft insgesamt unterstreichen, sich mit der Lage am US-Arbeitsmarkt jedoch noch nicht zufrieden zeigen. Zinserhöhungsängsten erteilt die Fed weiterhin eine Absage.

In Euroland steht die Zinssitzung der EZB im Fokus der Anleger, auf der mindestens eine weitere Senkung der EZB-Leitzinsen inklusive negativem Einlagezinssatz erwartet wird. Grundsätzlich wird EZB-Chef Draghi die Phantasie für unkonventionelle Liquiditätsmaßnahmen aufrechterhalten, die in der zweiten Jahreshälfte mit Leben gefüllt werden.

In Deutschland weisen wieder gestiegene Auftragseingänge in der Industrie sowie eine solide Industrieproduktion auf die stabile deutsche Wirtschaft hin.

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Der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist Dr. Horst Schiessl. Die Mitglieder des Vorstands sind Uto Baader (Vorsitzender), Nico Baader und Dieter Brichmann.

Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.

2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.

Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.