Geldpolitik

EZB-Entscheid: Pandemiekaufprogramm für Anleihen wird erhöht - Leitzins weiter auf Rekordtief - Lagarde schließt weitere Zinssenkung nicht aus

10.12.20 15:48 Uhr

EZB-Entscheid: Pandemiekaufprogramm für Anleihen wird erhöht - Leitzins weiter auf Rekordtief - Lagarde schließt weitere Zinssenkung nicht aus | finanzen.net

Die Europäische Zentralbank hat nach ihrer jüngsten Sitzung über die aktuelle Geldpolitik informiert.

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Nach Mitteilung der EZB bleiben die Leitzinsen konstant. Der Hauptfinanzierungssatz beträgt 0,00 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz 0,25 Prozent und der Bankeinlagensatz minus 0,50 Prozent.

EZB passt Anleihenkäufe an

Europas Währungshüter stemmen sich mit weiteren Milliarden gegen die wirtschaftlichen Folgen der zweiten Corona-Welle. Das Notkaufprogramm für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen wird um 500 Milliarden auf 1,85 Billionen ausgeweitet. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt. Die Laufzeit des Programms wird zudem um neun Monate bis mindestens Ende März 2022 verlängert.

Erst im Juni hatte die Notenbank das Volumen des im März aufgelegten, besonders flexiblen Kaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) auf 1,35 Billionen Euro fast verdoppelt. Die Wertpapierkäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Papiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt.

Nach der Ratssitzung im Oktober hatten die Währungshüter keinen Zweifel daran gelassen, dass sie noch einmal nachlegen wollen. "Selbst wenn sich die zweite Welle des Virus als weniger heftig erweist als die erste, stellt sie keine geringere Gefahr für die Wirtschaft dar", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst. Die Französin betonte: "Die EZB war in der erste Welle da und wird auch in der zweiten Welle da sein."

Das Coronavirus hatte sich zuletzt wieder massiv ausgebreitet. In vielen Ländern des Euroraums wurde das öffentliche Leben erneut eingeschränkt. Nach der Erholung in den Sommermonaten wächst die Sorge um die Konjunktur. "Die Eurozone braucht frische Unterstützung, um durch den zweiten Lockdown zu kommen und im kommenden Jahr mit einer Erholung zu starten", sagte ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Langfristkredite für Geschäftsbanken verlängert

Geschäftsbanken können nun bis Juni 2022 Langfristkredite zu einem Zinssatz von minus 1 Prozent, bei Einhaltung der Kreditziele, bei der EZB erhalten. Zuvor war die Maßnahme bis 23. Juni 2021 vorgesehen.

Ziel: Stabiles Preisniveau

Der Leitzins im Euroraum liegt seit fast fünf Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken müssen zudem seit Mitte Juni 2014 Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Aktuell liegt dieser Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent.
Zudem kauft die EZB seit Jahren im Rahmen anderer Programme in großem Stil Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen. So will die EZB die Wirtschaft ankurbeln und ihrem Ziel eines stabilen Preisniveaus bei mittelfristig knapp unter 2,0 Prozent Inflation näher kommen.
Als besonders wirkungsvoll haben sich in der Krise nach Einschätzung der Währungshüter das Notkaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen (Pandemic Emergency Purchase Programme/PEPP) sowie besonders günstige Langfristkredite für Geschäftsbanken (TLTRO) erwiesen. Die EZB hat eine umfassende Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie auf den Weg gebracht. Die Notenbank will dabei ihre Formulierung von Preisstabilität ebenso unter die Lupe nehmen wie das geldpolitische Instrumentarium und ihre gesamte Kommunikation. Dabei geht es auch um Fragen, welche Folgen beispielsweise der Klimawandel oder Ungleichheit für das Ziel der Preisstabilität haben können.

EZB senkt Wachstumsprognose für 2021 auf 3,9 Prozent

Die Europäische Zentralbank senkt wegen der zweiten Pandemiewelle ihre Konjunkturprognose für die Euro-Zone deutlich.

Für das kommende Jahr rechnet sie nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,9 Prozent statt wie noch im September von 5,0 Prozent, wie aus ihren am Donnerstag zur Zinssitzung veröffentlichten Projektionen hervorgeht. "Die Pandemie stellt weiterhin ein ernsthaftes Risiko für die öffentliche Gesundheit sowie für die Wirtschaft im Euroraum und weltweit dar", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Die Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung schränkten die Wirtschaftstätigkeit in der Währungsunion "erheblich ein".

Für das laufende Jahr erwartet die EZB nach der unerwartet starken Belebung im Sommer-Quartal einen Einbruch von nur noch 7,3 Prozent. Bislang war sie von minus 8,0 Prozent ausgegangen. Die Notenbank-Volkswirte gehen für 2022 von einem Plus von 4,2 (September-Prognose: 3,2) Prozent und für 2023 von 2,1 Prozent aus.

Die zweite Infektionswelle und die Eindämmungsmaßnahmen hinterlassen auch in der Inflationsentwicklung ihre Spuren. Die EZB erwartet dieses Jahr nun eine Teuerungsrate von 0,2 (September: 0,3) Prozent und für 2021 unverändert von 1,0 Prozent. Für 2022 werden 1,1 (1,3) Prozent und für 2023 dann 1,4 Prozent vorhergesagt. Damit würde die Euro-Notenbank ihr Ziel einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent auf Jahre hinaus klar verfehlen. Sie strebt diese Marke als Optimalwert für die Wirtschaft mittelfristig an, was sie aber bereits seit Jahren nicht erreicht.

EZB-Präsidentin Lagarde schließt weitere Zinssenkung nicht aus

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte in der Corona-Krise ihre bereits extrem niedrigen Leitzinsen weiter senken. Gefragt nach der Möglichkeit einer weiteren Zinssenkung, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt, dass die Leitzinsen zum Instrumentenkasten der Notenbank gehörten. Sie ergänzte, dass die EZB bereit sei, in der Krise all ihre Instrumente anzupassen, falls dies erforderlich werden sollte.

Weitere Zinssenkungen gelten unter Fachleuten als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite könnten sie die bereits sehr niedrigen Kapitalmarktzinsen weiter reduzieren und damit Unternehmen sowie Staaten in der Kreditaufnahme entlasten. Andererseits leiden die Geschäftsbanken schon jetzt unter den extrem niedrigen und teils negativen Zinsen. Die flache Zinsstrukturkurve erschwert den Banken ihr traditionelles Einlagen- und Kreditgeschäft.

Redaktion finanzen.net / dpa-AFX / Reuters

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