EZB leitet Zinswende im Euroraum ein
Erstmals seit über 11 Jahren wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Juli um 0,25 Prozent erhöhen. Für die EZB ist das ein radikaler Kurswechsel in der bisherigen Geldpolitik. Die Zinsen zehnjähriger Staatsanleihen in Deutschland stiegen jüngst auf fast 1,6 Prozent.
In der nächsten Sitzung im Juli sollen die Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte angehoben werden. Im September dürften Europas Währungshüter dann nachlegen - bei anhaltend hoher Inflation sogar stärker als im Juli. Voraussetzung dafür sei, dass die hauseigenen Prognosen die Inflationsrate im Jahr 2024 bei 2,1 Prozent oder höher sehen.
Zunächst bleibt der offizielle Leitzins - der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz - aber noch auf dem Rekordtief von null Prozent. Zudem müssen Banken für geparkte Gelder bei der EZB weiterhin den Einlagesatz von 0,5 Prozent zahlen. Doch bereits im Mai hatten führende EZB-Vertreter eine Zinswende angedeutet. Auch Lagarde hatte schon im vergangenen Monat angekündigt, dass die Käufe neuer Wertpapiere "sehr früh" im dritten Quartal enden sollen und relativ zügig danach die Epoche negativer Leitzinsen Geschichte sein dürfte.
Mittlerweile hat sich das Bild aber radikal geändert. Angefacht durch den Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden hohen Energiepreise ist die Inflation im Euroraum zuletzt auf den Rekordwert von 8,1 Prozent gestiegen. Sie lag damit rund viermal so hoch wie das mittelfristige Preisziel. Denn auch Lebensmittel und viele Rohstoffe sowie Vorprodukte für die Industrie sind deutlich teurer geworden.
Weiterhin steigende Inflation sorgt für Teuerung und Druck auf die EZB
Die Inflation erreichte in Deutschland jüngst 7,9 Prozent - eine so hohe Teuerungsrate gab es bis auf die Ölkrise vor gut 50 Jahren nicht mehr. Kräftige Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel haben die Teuerungsrate in Deutschland auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren getrieben. Im Mai lagen die Verbraucherpreise um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat.
Anleger können aber weiterhin mit einer historisch hohen Inflation rechnen. Ferner wird der Zinsanstieg langfristig auch zu einer Verteuerung der Zinsen für Darlehen führen. Die Bauzinsen mit einer Laufzeit von 5 / 10 / 15 Jahren sind schon spürbar gestiegen. Gleiches wird sich auf variable Zinsen, unter anderem auch bei Wertpapierlombards auswirken. Auch hier ist kurzfristig mit einem höheren Zins zu rechnen.
Selbstverständlich beobachten wir die aktuellen Ereignisse und Entwicklungen ganz genau, ohne kurzgedachte und emotionale Handlungen vorzunehmen. Zudem konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit darauf, gute Einstiegsmöglichkeiten zu identifizieren, sobald sich die Lage beruhigt.
von Stephan Witt, FiNUM.Private Finance AG in Berlin
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