Inflation macht Handeln nötig: EZB dürfte Zinsen erstmals seit 2011 erhöhen
Der Euroraum steht vor der ersten Zinserhöhung seit elf Jahren.
Um die hohe Inflation zu dämpfen, will die Europäische Zentralbank (EZB) nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik bei ihrer Sitzung an diesem Donnerstag die Leitzinsen wieder erhöhen. Die Entscheidungen der Notenbank werden am Nachmittag verkündet, erstmals zur neuen Uhrzeit um 14.15 Uhr.
Folgt der EZB-Rat bei seiner Sitzung in Frankfurt dem im Juni angekündigten Pfad, würde der Leitzins in einem ersten Schritt von null Prozent auf 0,25 Prozent steigen, der Negativzins für geparkte Gelder von Geschäftsbanken bei der EZB würde von minus 0,5 Prozent auf minus 0,25 Prozent halbiert. Ein größerer Zinsschritt um 50 Basispunkte wird angesichts der hohen Inflation aber nicht ausgeschlossen.
Kritiker werfen der EZB vor, die Zinswende zu spät einzuleiten. Die Teuerung im Euroraum zieht seit Monaten auf Rekordniveau an. Der Druck auf die Währungshüter ist daher groß, nun die Zinsen deutlicher anzuheben.
"Wenn sich die Inflationsaussichten nicht verbessern, werden wir über ausreichende Informationen verfügen, um schneller zu handeln", hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde Ende Juni gesagt. Der Prozess der Normalisierung der Geldpolitik werde "entschlossen und nachhaltig fortgesetzt werden". Für ihre Sitzung am 8. September hat die EZB bereits einen weiteren Zinsschritt in Aussicht gestellt.
Im Juni lagen die Verbraucherpreise im Euroraum um 8,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die EU-Kommission rechnet für das Gesamtjahr 2022 mit durchschnittlich 7,6 Prozent Inflation im Währungsraum der 19 Länder. Das wäre ein historischer Höchstwert und weit über dem von der EZB angestrebten stabilen Preisniveau mit einer jährlichen Teuerungsrate von zwei Prozent. Eine höhere Inflation schmälert die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich dann für einen Euro weniger leisten können.
Treiber der Inflation sind seit Monaten deutlich gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Lage verschärft. Das bremst auch das Wirtschaftswachstum in Europa. Hebt die EZB die Zinsen in diesem Umfeld zu rasch an, könnte das vor allem für hoch verschuldete Staaten in Südeuropa zur Belastung werden. Die EZB arbeitet daher an einem neuen Anti-Kriseninstrument, das sicherstellen soll, dass die Geldpolitik möglichst einheitlich im Währungsraum wirkt und eine Fragmentierung verhindert wird.
/ben/mar/DP/zb
FRANKFURT (dpa-AFX)
Weitere News
Bildquellen: Petronilo G. Dangoy Jr. / Shutterstock.com, Jorg Hackemann / Shutterstock.com