Die Notenbanken dürften 2019 den Fuß weiter vom Gas nehmen

Die wichtigsten Zentralbanken der Welt dürften 2019 den Fuß weiter von Gaspedal nehmen.
Leitzinserhöhungen und eine weniger großzügige Liquiditätsbereitstellung bedeuten weniger großzügige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, Privathaushalte und Staaten, und das wiederum bedeutet weniger Wachstum.
Im Einzelnen sieht der Ausblick für 2019 so aus: Die US-Notenbank sollte ihren Bilanzabbau fortsetzen und ihre Zinsen - wenn auch mit verringertem Tempo - weiter erhöhen, die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre Bilanz zumindest nicht weiter wachsen lassen, und die Bank of England könnte bei entsprechend günstigem Ablauf des EU-Austritts ebenfalls ihre Zinsen anheben. Etwas expansiver dürfte dagegen die People's Bank of China (PBoC) werden, wobei sie sich auf Anreize für eine höhere Kreditvergabe in China konzentrieren dürfte. Als einziger Lieferant zusätzlicher Liquidität bliebe damit die Bank of Japan übrig.
Einem nur halb scherzhaft gemeinten Bonmot zufolge sind Prognosen besonders dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Das gilt auch für die Voraussage geldpolitischer Entscheidungen. Einerseits machen es die Zentralbanken dem Analysten derzeit etwas leichter, indem sie einen voraussichtlichen Politikpfad kommunizieren. (Diese sogenannte Forward Guidance stellt allerdings lediglich eine bedingte Prognose dar - ändern sich die Rahmenbedingungen, ändert sich auch die Prognose.)
Andererseits sehen sich Analysten der Schwierigkeit gegenüber, Annahmen über die Art und Weise so schwer abzusehender Phänomene wie des britischen EU-Austritts oder über das Verhalten des irrlichternden US-Präsidenten Donald Trump treffen zu müssen.
FOMC prognostiziert für nächstes Jahr zwei Zinserhöhungen
Ein schönes Beispiel für eine geänderte Forward Guidance hat gerade die US-Notenbank geliefert. Nach der jüngsten FOMC-Sitzung am 19. Dezember kommunizierte sie, dass sie ihre Zinsen 2019 voraussichtlich nur noch zwei (zuvor: drei) Mal anheben wird und 2020 noch ein weiteres Mal. Zugleich revidierte sie ihre Schätzung des langfristigen Gleichgewichtszinses nach unten, so dass eine gegebene Anzahl von Zinsschritten nun eher einer restriktiveren Geldpolitik gleich kämen.
Aus Sicht der Märkte ändert sich dadurch allerdings nichts: Fed-Funds-Futures preisen nach dem 19. Dezember eine einzige Zinserhöhung 2019 zu nur 42 Prozent - also gar nicht - ein. Zuvor waren es 36 Prozent gewesen. Auch nicht alle Volkswirte kaufen dem FOMC seine Prognose nicht ab. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding sagt: "Die US-Notenbank wird ihren Zins möglicherweise zur Mitte des Jahres noch ein Mal erhöhen und dann eine Zinspause einlegen. Außerdem wird sie überlegen, ob sie nicht den Abbau ihrer Bilanz verlangsamen sollte."
Für die weltweiten Finanzmärkte, aber auch für ganze Schwellenländer, ist diese Frage von einiger Bedeutung. Viele Analysten führen die Aktienmarktkapriolen der vergangenen Wochen auch auf die abnehmende globale Liquidität zurück.
LBBW: Fed treibt Bilanzabbau weiter voran
LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert glaubt dagegen, dass die Fed den Bilanzabbau weiter energisch vorantreiben wird: "Sie wird alle ABS aus der Bilanz heraushaben wollen, und auch bei den Treasuries ist noch Luft", sagte er. Im Übrigen geht Burkert davon aus, dass die Fed ihre Zinsen 2019 wie in diesem Jahr drei Mal anheben wird. "Entweder das Wachstum überrascht wegen einer Einigung im Handelsstreit mit China und schuldenfinanzierter Infrastrukturausgaben positiv oder die Inflation zieht bei eskalierendem Handelsstreit wegen steigender Importpreise an", sagt er.
Pimco: EZB-Zinserhöhung stark von Kurs der Fed abhängig
Nach Aussage von Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef von Pimco, hängt auch der geldpolitische Kurs der EZB von der Fed ab. "Wenn die Fed ihren Leitzins nicht auf 3,50 Prozent anhebt, dann wird die EZB große Probleme haben, mit den Zinsen auf die Nulllinie zu kommen", sagte Bosomworth Ende November - der Bankeinlagensatz der EZB liegt bei minus 0,40 Prozent. Allerdings deuten derzeit weder die Fed-Kommunikation noch die Markterwartungen auf eine Fed-Funds-Rate von 3,50 Prozent hin. Derzeit liegt sie in einer Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent.
"Ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang", sagte dagegen Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe. Allerdings sieht auch er das Risiko, dass es die EZB 2019 nicht schaffen wird, die Zinsen zu erhöhen - "und dann wird auch 2020 nichts daraus, denn für dieses Jahr erwarten wir eine Konjunktureintrübung", wie Krüger sagt. Die EZB selbst hat ihre Forward Guidance zu den Zinsen am 13. Dezember bestätigt: Sie sollen "über den Sommer 2019" unverändert bleiben. Die Vergrößerung ihrer Bilanz über Wertpapierankäufe und damit die Erhöhung der Liquidität beendete sie am 19. Dezember 2018, nach gut vier Jahren.
Derzeit erwarten noch viele Analysten, dass die EZB ihren Einlagensatz Ende 2019 ein Mal anheben wird. Nachdem ein Fed-Zinsschritt für 2019 aber ausgepreist ist und der FOMC selbst nur noch zwei Schritte prognostiziert, wird die EZB tatsächlich an der Zinsschraube drehen? Viele Ökonomen bezweifeln das, auch ohne Blick auf die Fed.
Deka: EZB könnte Zinserhöhung ganz ausfallen lassen
"Es kann sein, dass die EZB mit Zinserhöhungen aufhört, ehe sie damit angefangen hat", sagt zum Beispiel Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Kater verweist darauf, dass die kombinierte Verschuldung des Euroraums von 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung im Jahr 2008 auf zuletzt über 200 Prozent gestiegen ist. "Wir können uns eine Rezession nicht leisten, und die EZB weiß das auch", argumentiert er. Und Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sagt: "Wir sind sehr unsicher, ob 2019 eine Zinserhöhung kommen wird."
Die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hängt eng an jener der EZB, und deshalb wird wohl auch sie den größten Teil des Jahres ihre Geldpolitik unverändert lassen. "Ehe nicht die EZB signalisiert, dass sie etwas tut, wird auch die SNB abwarten", sagt LBBW-Chefvolkswirt Burkert. Die seit Sommer anhaltende Aufwertung des Franken sieht die SNB laut Burkert etwas gelassener als frühere Aufwertungsepisoden, weil die schweizerischen Unternehmen inzwischen über die Hälfte ihrer Exporte in Dollar abwickeln.
Berenberg: Bei geordnetem Brexit 2019 zwei BoE-Zinserhöhungen
Nicht nur für die Bank of England (BoE) - aber auch für sie - endet im ersten Quartal 2019 die Ungewissheit darüber, auf welche Weise sich Großbritannien aus der EU verabschiedet. Ein "harter" oder ungeregelter Brexit hätte wohl ernste Auswirkungen für die Wirtschaft des Landes, kurz- und langfristig. Analysten gehen aber lieber von einem irgendwie "geregelten" Brexit aus, weil sie an die Vernunft der Menschen glauben oder sich die Folgen eines harten Brexit lieber nicht ausmalen. Für den Fall einer Einigung mit der EU erwartet zum Beispiel Berenberg-Chefvolkswirt Schmieding für 2019 zwei Zinserhöhungen - eine im Frühjahr, eine im Herbst.
Sollte es zu einem harten Brexit kommen, dürfte die BoE ihre Zinsen nach Meinung von Analysten zumindest unverändert lassen. Die nächste entscheidende Parlamentsabstimmung über den Brexit-Plan von Premierministerin Theresa May findet in der Woche ab 14. Januar 2019 statt.
Deka: BoJ bekommt die Inflationserwartungen nicht nach oben geschleust
Die Bank of Japan (BoJ) bleibt 2019 der einzige Nettolieferant von Liquidität. Ihr Ziel, die Geldbasis um 80 Billionen Yen auszuweiten, hat Bestand. Gleiches gilt für das Ziel, die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen bei null zu halten. "Das Einzige, was ich mir vorstellen kann ist, dass es Diskussionen über eine Milderung oder Abschaffung des negativen Einlagenzinses gibt", sagt Deka-Volkswirt Rudolf Besch.
Besch sieht mit Blick auf die Inflationsaussichten in Japan durchaus Besserung. Er verweist darauf, dass die Immobilienpreise nun nicht mehr sinken und dass sich die Alterung der Bevölkerung zumindest nicht beschleunigt. "Das große Problem besteht aber darin, dass die Inflationserwartungen schon so lange so niedrig sind", gibt Besch zu bedenken. Er sehe nicht, wie es der BoJ noch gelingen könne, die Inflationserwartungen "unfallfrei" nach oben zu schleusen.
Commerzbank: Chinas Zentralbank erleichtert die Kreditvergabe
Bleibt noch Chinas Zentralbank. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht davon aus, dass die People's Bank of China (PBoC) ihre Geldpolitik 2019 tendenziell weiter lockern wird, weil die Wirtschaft unter Druck stehe, wie verschiedene Konjunkturindikatoren zeigten. "Sie dürfte den Banken eine höhere Kreditvergabe erlauben, wozu auch eine weitere Senkung der Mindestreservesätze dient", sagt Krämer.
Die internationalen Auswirkungen der chinesischen Geldpolitik seien beträchtlich, weil sie einen wesentlichen Einfluss auf die Konjunktur der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt habe. "Ich gehe davon aus, dass es der chinesischen Regierung gelingt, mit Hilfe einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik eine weiche Landung der chinesischen Konjunktur zu erreichen. Das ist auch für die deutsche Wirtschaft wichtig, die seit einem Jahr unter der nachlassenden Nachfrage aus China leidet", sagt Krämer.
FRANKFURT (Dow Jones)
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