EZB vor Kursänderung: Ende der lockeren Geldpolitik?
Europas Währungshüter steuern auf die erste Zinserhöhung seit elf Jahren zu.
Bis Ende September 2022 sollen die Negativzinsen im Euroraum beendet sein, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde kürzlich ankündigte.
Die Weichen in Richtung steigende Zinsen wird der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) aller Voraussicht nach bei seiner auswärtigen Sitzung an diesem Donnerstag in Amsterdam stellen. Über die Beschlüsse des obersten Entscheidungsgremiums der Notenbank informiert die EZB am Nachmittag (13.45 Uhr).
Erwartet wird, dass der EZB-Rat zunächst beschließen wird, ab Juli keine frischen Milliarden mehr in den Kauf von Staatsanleihen und Wertpapieren von Unternehmen zu stecken. Dann könnte bei der nächsten Sitzung des Gremiums am 21. Juli ein erster Zinsschritt folgen.
Auf diese Reihenfolge - erst ein Ende der Netto-Anleihenkäufe, dann Anhebung der Zinsen - hatte sich die Notenbank vor einiger Zeit in ihrem längerfristigen geldpolitischen Ausblick ("Forward Guidance") festgelegt.
Volkswirte rechnen damit, dass die EZB im Juli zunächst den negativen Einlagensatz in Richtung der Nullmarke bewegen wird. Derzeit müssen Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.
Der Leitzins als wichtigster Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld im Euroraum liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von null Prozent. Dieser Hauptrefinanzierungszins wurde in den vergangenen Jahren in der Bedeutung vom Einlagensatz verdrängt.
In den vergangenen Wochen hatte der Druck auf die EZB deutlich zugenommen, nach Jahren des ultralockeren Kurses umzusteuern und mit Zinsanhebungen die rekordhohe Teuerung einzudämmen. Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Mai 2022 um 8,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonates. In Europas größter Volkswirtschaft Deutschland sprang die jährliche Inflationsrate im Mai vorläufigen Zahlen zufolge mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren.
Die aktuellen Teuerungsraten sind meilenweit vom Mittelfristziel der EZB entfernt: Die Währungshüter streben für die 19 Länder mit der Gemeinschaftswährung stabile Preise bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an.
Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger leisten können. Andere große Notenbanken wie die Fed in den USA und die Bank of England haben als Reaktion auf hohe Inflationsraten ihre Leitzinsen bereits mehrfach angehoben.
Getrieben wird die Inflation im Euroraum seit Monaten vor allem von steigenden Energiepreisen, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nochmals kräftig anzogen. Auch Probleme in den Lieferketten sorgen für steigende Preise. Mit höheren Zinsen kann steigende Inflation bekämpft werden. Allerdings stützt das Zinstief zugleich die Konjunktur, die nach den Rückschlägen während der Corona-Pandemie wegen des Ukraine-Krieges erneut unter Druck geraten ist.
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FRANKFURT/AMSTERDAM (dpa-AFX)
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